RVG VV Nrn. 3501, 3204, 3205; Vorbem 3.2.1
Leitsatz
- Wird in einem Verfahren über eine Beschwerde gegen den Erlass einer einstweiligen Anordnung die Aussetzung der Vollstreckung nach § 199 Abs. 2 SGG beantragt, entsteht hierfür eine Gebühr nach Nr. 3501 VV. Die Nrn. 3204 und 3205 VV finden keine Anwendung.
- Vergleichsmaßstab für die Bemessung der Gebühr nach der Nr. 3501 VV sind Beschwerde-, Nichtzulassungsbeschwerde- und Erinnerungsverfahren, nicht erstinstanzliche Erkenntnisverfahren.
SG Kiel, Beschl. v. 16.2.2012 – S 21 SF 141/11 E
1 Sachverhalt
Der Erinnerungsführer hatte – anwaltlich vertreten – beim SG wegen der vorläufigen Gewährung von Grundsicherungsleistungen einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Gegen die stattgebende Entscheidung des SG hatte der Erinnerungsgegner Beschwerde zum LSG erhoben und einen Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung gem. § 199 Abs. 2 SGG gestellt. Der Antrag wurde zurückgewiesen. Die Kosten dieses Verfahrens wurden dem Erinnerungsgegner auferlegt.
Daraufhin beantragte der Erinnerungsführer die Festsetzung der ihm entstandenen Anwaltskosten in Höhe einer Verfahrensgebühr nach Nr. 3204 VV nebst Auslagen und Umsatzsteuer.
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle setzte anstelle der geltend gemachten Gebühr nach Nr. 3204 VV nur eine Gebühr nach der Nr. 3501 VV fest. Als billig sah sie 2/3 der Mittelgebühr in Höhe von 60,00 EUR an.
Hiergegen hat der Erinnerungsführer Erinnerung eingelegt. Er korrigiert seinen ursprünglichen Antrag dahingehend, dass statt der Nr. 3204 VV die Nr. 3102 VV anwendbar sei. Zur Begründung bezieht er sich auf Teil 3, Abschnitt 2, Vorbem. 3.2 Abs. 2 VV. Dort heißt es: "Wenn im Verfahren über einen Antrag auf Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung das Berufungsgericht als Gericht der Hauptsache anzusehen ist (§ 943 ZPO), bestimmen sich die Gebühren nach Abschnitt 1. Dies gilt entsprechend im Verfahren der einstweiligen Anordnung und im Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs- und Sozialgerichtsbarkeit auf Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung, auf Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung oder Anordnung der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsakts." Aus der Verweisung auf den Abschnitt 1 leitet der Erinnerungsführer ab, dass sich die Gebühr nach der in Teil 3, Abschnitt 1 enthaltenen Nr. 3102 VV richtet und beantragt nunmehr die Festsetzung wie folgt:
Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV (2/3 Mittelgebühr) |
167,00 EUR |
Postpauschale, Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
35,53 EUR |
Summe |
222,53 EUR |
Hilfsweise macht er für den Fall, dass das Gericht der Auffassung sei, dass vorliegend Nr. 3501 VV Anwendung finde, geltend, dass auf ein durchschnittliches Beschwerdeverfahren und nicht auf ein durchschnittliches sozialgerichtliches Verfahren abzustellen sei. Der Aufwand für ein Beschwerdeverfahren sei zumindest durchschnittlich gewesen. Die Gebühr sei vom Gebührenrahmen her schon auf das Beschwerdeverfahren angepasst. Eine weitere Reduzierung durch den Vergleich mit dem sozialgerichtlichen "Normalverfahren" sei daher nicht geboten. Der Ansatz der Mittelgebühr sei dann billig.
Die Erinnerung hatte teilweise Erfolg.
2 Aus den Gründen
Anwendbare Gebührenvorschriften:
Die Vergütung für anwaltliche Tätigkeiten bemisst sich nach dem RVG (§1 Abs. 1 S. 1 RVG). In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen – wie im vorliegenden Fall – das GKG nicht anzuwenden ist, entstehen Betragsrahmengebühren (§ 3 Abs. 1 S. 1 RVG). Die Höhe der Vergütung bestimmt sich nach dem VV (§ 2 Abs. 2 S. 1 RVG).
Nach dieser Anlage sind die Gebühren wie folgt festgesetzt:
Nr. |
Gebührentatbestand |
Gebühr |
3102 |
Verfahrensgebühr für Verfahren vor den Sozialgerichten, in denen Betragsrahmengebühren entstehen (§ 3 RVG) …… |
40,00 bis 460,00 EUR |
3204 |
Verfahrensgebühr für Verfahren vor dem Landessozialgericht, in denen Betragsrahmengebühren entstehen (§ 3 RVG) …… |
50,00 bis 570,00 EUR |
3501 |
Verfahrensgebühr für Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit über die Beschwerde und die Erinnerung, wenn in den Verfahren Betragsrahmengebühren entstehen (§ 3 RVG), soweit in diesem Abschnitt keine besonderen Gebühren bestimmt sind …… |
15,00 bis 160,00 EUR |
Die Nr. 3204 VV findet keine Anwendung. Diese Vorschrift ist in Teil 3, Abschnitt 2 VV "Berufung, Revision, bestimmte Beschwerden und Verfahren vor dem Finanzgericht" geregelt. Bei dem Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung handelt es sich weder um eine Berufung noch um eine Revision. Um welche bestimmten Beschwerden es sich im Teil 3, Abschnitt 2 handelt, wird in der Vorbem. 3.2.1 VV im Einzelnen aufgelistet. Der Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung ist hier nicht aufgeführt.
Allerdings bemisst sich in diesem Fall die Gebühr auch nicht nach der Nr. 3102 VV. Die Schlussfolgerung des Erinnerungsführers, die Anwendbarkeit der Nr. 3102 VV ergebe sich aus dem Wortlaut des Teil 3, Abschnitt 2, Vorbem. 3.2 Abs. 2 VV, ist nicht zulässig. Die Vorbemerkung bezieht sich nicht auf jegliches Verfahre...