RVG § 4b; BGB § 242

Leitsatz

Ist eine Vergütungsvereinbarung unwirksam, muss der Anwalt zwar die gesetzliche Vergütung abrechnen; allerdings ist es ihm i.d.R. nach Treu und Glauben verwehrt, einen höheren Betrag geltend zu machen, als sich nach der (unwirksamen) Vereinbarung ergeben hätte.

OLG München, Urt. v. 2.5.2012 – 15 U 2929/11

1 Sachverhalt

Der Anwalt hatte mit dem Beklagten eine Vergütungsvereinbarung geschlossen, wonach ein Pauschalhonorar i.H.v. 30.000,00 EUR zuzüglich Umsatzsteuer vereinbart war. Darauf hatte die Beklagte bereits 23.800,00 EUR gezahlt. Nachdem sich herausstellte, dass die Vergütungsvereinbarung unwirksam war, machte der Anwalt seine gesetzliche Vergütung in Höhe von restlichen 79.553,89 EUR geltend. Da der Beklagte nicht zahlte, trat der Anwalt die Forderung an die Klägerin ab, die daraufhin Klage erhob.

Der Beklagte beantragt die Zurückweisung der Klage und rechnet hilfsweise mit einem Anspruch auf Ersatz seiner vorgerichtlichen Anwaltskosten auf, die er zur außergerichtlichen Abwehr der geltenden gemachten Ansprüche aufgewandt hatte.

Das LG hat den Anwalt zum einen nach Treu und Glauben an seiner unwirksamen Vereinbarung festgehalten und dem Beklagten darüber hinaus den zur Aufrechnung gestellten Schadensersatz zugesprochen, sodass es den Beklagten lediglich verurteilt hat, an die Klägerin restliche 10.738,31 EUR zu bezahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Die Klägerin hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt, soweit die Klage abgewiesen wurde. Sie wendet sich mit ihrer Berufung dagegen, dass das LG den Honoraranspruch des Zedenten auf den Betrag begrenzt hat, der in der Vergütungsvereinbarung als Honorar zwischen den Parteien vereinbart worden war. Sei eine Vergütungsvereinbarung – wie hier – unwirksam, könne es dem Rechtsanwalt grundsätzlich nicht verwehrt werden, anstelle des unwirksam vereinbarten Honorars die gesetzliche Vergütung auch in darüber hinausgehender Höhe zu verlangen. Etwas anderes gelte gem. § 242 BGB nur dann, wenn der Rechtsanwalt beispielsweise zu Werbezwecken mit einer geringen Vergütung werbe, um so Mandanten "einzufangen". Hier sei es aber der Beklagte gewesen, der um den Abschluss einer Vergütungsvereinbarung dringend gebeten habe, weil er in Anbetracht seiner relativ angespannten finanziellen Situation die wegen der Höhe des Gegenstandswerts hohen gesetzlichen Gebühren gescheut habe. Auch habe sich ausschließlich der Beklagte auf die Unwirksamkeit der Vergütungsvereinbarung berufen. Es liege damit kein treuwidriges Verhalten des Zedenten vor, sondern allenfalls des Beklagten. Die Klägerin könne damit den vollen berechneten Betrag der gesetzlichen Vergütung abzüglich der vom Beklagten geleisteten Vorschusszahlung verlangen.

Die vom Beklagten erklärte Hilfsaufrechnung greife nicht durch, weil zwischen den Parteien kein Vertragsverhältnis bestehe, der Zedent selbst nie Ansprüche gegen den Beklagten geltend gemacht habe und die Geltendmachung von Anwaltshonorar in berechtigtem Umfang auch nicht zum Schadensersatz verpflichte.

2 Aus den Gründen

1. Das LG hat zu Recht entschieden, dass es dem Zedenten gem. § 242 BGB verwehrt ist, unter Berufung auf die Unwirksamkeit der Vergütungsvereinbarung eine gesetzliche Vergütung zu fordern, die über dem in der Vergütungsvereinbarung vorgesehenen Betrag von insgesamt 30.000,00 EUR zuzüglich Umsatzsteuer liegt. Das Berufungsvorbringen der Klägerin rechtfertigt keine andere Entscheidung. Abzüglich der vom Beklagten geleisteten Vorschusszahlung von 23.800,00 EUR verbleibt damit eine restliche Honorarforderung des Zedenten von 11.900,00 EUR (35.700,00 EUR ./. 23.800,00 EUR).

In der Rspr. ist anerkannt, dass der Rechtsanwalt gegen Treu und Glauben verstößt, wenn er unter Berufung auf das anwaltliche Gebührenrecht nachträglich Gebühren geltend macht, auf die er ursprünglich durch Abschluss einer gegen eben dieses Gebührenrecht verstoßenden und daher unwirksamen Vergütungsvereinbarung verzichtet hat. Soweit sich die Klägerin darauf beruft, dass es vorliegend der Beklagte gewesen sei, der aufgrund seiner angespannten finanziellen Situation um Abschluss einer Vergütungsvereinbarung gebeten habe, und dass der Zedent ihm entgegen gekommen sei, ist dies unerheblich. Es ist ausschließlich Sache des insoweit fachkundigen Rechtsanwalts, beim Abschluss einer Vergütungsvereinbarung auf die Einhaltung des anwaltlichen Gebühren- und Standesrechts zu achten. Der Mandant muss sich auf die vom Anwalt vorgeschlagene Honorarregelung verlassen und seine wirtschaftlichen Dispositionen hierauf einrichten können; er ist in seinem Vertrauen, dass für die Tätigkeit des Anwalts keine höheren Gebühren anfallen als vereinbart, schutzwürdig (vgl. BGHZ 18, 340; BGH MDR 1976, 1001; NJW 1980, 2407; OLG Düsseldorf JurBüro 2004, 536; zustimmend Hansens/Braun/Schneider, Praxis des Vergütungsrechts, 2. Aufl. 2007, Teil 2 Rn 15, 22; Mayer/Kroiß/Teubel, RVG, 5. Aufl. 2012, § 4b Rn 3 ff.; AnwK-RVG/Onderka, 6. Aufl. 2012, § 4b Rn 10; Vogeler, JA 2011, 321). Dem Gesetzgeber war diese Rspr. bei Erlass v...

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