RVG § 43
Leitsatz
Bei Abtretung des Anspruchs gegen die Staatskasse auf Erstattung von Anwaltskosten an den Verteidiger ist eine nur vom Mandanten unterschriebene Abtretungserklärung zwar keine "Urkunde über die Abtretung", aber auch dann eine "Anzeige des Beschuldigten über die Abtretung", wenn sie vom Verteidiger und nicht vom Mandanten, zur Akte gegeben wird.
LG Würzburg, Beschl. v. 8.11.2012 – 1 Qs 193/12
1 Sachverhalt
In dem Verfahren 972 VRs 9071/05 besteht seitens des Freistaats Bayern gegen den rechtskräftig verurteilten Kostenschuldner ein Anspruch auf Zahlung der Verfahrenskosten in Höhe von 421,46 EUR.
In dem Verfahren Ds 125 Js 8422/09 des Amtsgerichts O. besteht ein Auszahlungsanspruch des Verurteilen gegen die Staatskasse in Höhe von 417,69 EUR. Dieser Betrag wurde bereits zur Auszahlung angeordnet.
In dem erstgenannten Verfahren ist die Staatsanwaltschaft Vollstreckungsbehörde. Diese hat die Aufrechnung der Kostenforderung aus dem Verfahren 972 VRs 9071/05 mit dem Erstattungsanspruch des Verurteilten aus dem Verfahren Ds 125 Js 8422/09 erklärt.
Mit Schriftsatz vom 5.7.2012, gerichtet an die Staatsanwaltschaft, wandte sich der Beschwerdeführer gegen die Aufrechnung der Staatsanwaltschaft Würzburg. Er führte hierzu aus, dass sein Mandant ihm seinen Erstattungsanspruch gegen die Staatskasse abgetreten habe und er am 11.4.2012 zusammen mit seinem Vergütungsantrag bei dem AG O. eine entsprechende Abtretungsanzeige zur Akte gegeben habe, weshalb eine Abtretung gem. § 43 S. 2 RVG nicht möglich sei.
Auf Anforderung der Staatsanwaltschaft übersandte der Verurteilte die Kopie einer Abtretungserklärung folgenden Inhalts:
"In dem Strafverfahren gegen ... Aktenzeichen des AG …, des LG … trete ich hiermit meine Anspruch gegen die Staatskasse auf Erstattung der notwendigen Auslagen umfassend an meinen Verteidiger … ab."
Ort, Datum: Mannheim 28.3.2012.“
Das Schreiben trägt nur die Unterschrift des Verurteilten, nicht auch die des Verteidigers.
Mit Schriftsatz vom 5.7.2012 legte der Verteidiger Erinnerung, hilfsweise das zulässige Rechtsmittel, gegen die Aufrechnungserklärung der Staatsanwaltschaft ein und legte dar, dass die Aufrechnung seiner Auffassung nach gem. § 43 S. 2 RVG unwirksam sei.
Die Bezirksrevisorin des LG beantragte namens der von ihr vertretenen Staatskasse die Erinnerung als unbegründet zurückzuweisen und festzustellen, dass die Aufrechnung der Staatsanwaltschaft Würzburg wirksam sei.
Das AG wies die Erinnerung gegen die Aufrechnungserklärung der Staatsanwaltschaft als unbegründet zurück, da die Voraussetzungen des § 43 S. 2 RVG nicht gegeben seien. Auf die Einzelheiten der Begründung des Beschlusses wird Bezug genommen.
Gegen diesen, ihm formlos mitgeteilten Beschluss legte der Verteidiger Beschwerde ein.
Die Staatsanwaltschaft und die Bezirksrevisorin als Vertreterin der Staatskasse beantragten übereinstimmend, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen und festzustellen, dass die Aufrechnung durch die Staatsanwaltschaft wirksam sei.
2 Aus den Gründen
1. Gegen eine Entscheidung über die Erinnerung ist die (einfache) Beschwerde gem. § 66 Abs. 2 GKG das statthafte Rechtsmittel. Die Beschwerdesumme ist erreicht, die Beschwerde auch ansonsten zulässig.
2. Das Rechtsmittel ist im Ergebnis auch begründet.
Nach § 43 S. 1 RVG ist, wenn der Beschuldigte/Betroffene seinen Anspruch gegen die Staatskasse auf Erstattung von Anwaltskosten als notwendige Auslagen an den Rechtsanwalt abtritt, eine von der Staatsanwaltschaft gegenüber dem Beschuldigten/Betroffenen erklärte Aufrechnung insoweit unwirksam, als sie den Anspruch des Rechtsanwalts vereiteln oder beeinträchtigen würde. Gem. § 43 S. 2 RVG dieser Vorschrift gilt dies jedoch nur, wenn zu dem Zeitpunkt der Aufrechnung entweder (a) eine Urkunde über die Abtretung oder (b) eine Anzeige des Beschuldigten/Betroffenen über die Abtretung in den Akten vorliegt.
a) Die Kammer teilt die rechtliche Auffassung des AG und der von der Bezirksrevisorin vertretenen Staatskasse insoweit, dass die von ... zur Akte gegebenen "Abtretungserklärung" keine Urkunde über die Abtretung i.S.d. § 43 S. 2 RVG darstellt, da sie nur die Erklärung und Unterschrift des Zedenten, nicht aber auch die des Zessionars enthält und für die Wirksamkeit erforderlich wäre, dass beide auf der Urkunde unterschreiben. Da eine wirksame Abtretung zivilrechtlich zwei Willenserklärungen voraussetzt und die von dem Zedenten abgegebene Abtretungserklärung von dem Zessionar angenommen werden muss, bedarf eine Urkunde über die erfolgte Abtretung folglich der Unterschrift beider Beteiligter.
b) Wenn die einseitige schriftliche "Abtretungserklärung" aus den dargestellten Gründen auch keine Urkunde über die Abtretung ist, so erfüllt sie jedoch die Voraussetzungen einer Anzeige des Beschuldigten über die Abtretung. Dass diese als "Abtretungserklärung", nicht als "Abtretungsanzeige" bezeichnet ist, schadet nicht.
Die Kammer vermag – anders als das AG und die Bezirksrevisorin – dem Gesetzestext nicht zu entnehmen, dass die Anzeige über die Abtretung durch den Besch...