Leitsatz
Wird in einer selbstständigen Familiensache die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe auch auf den Mehrwert eines Vergleichs erstreckt, so kann der beigeordnete Anwalt aus der Landeskasse nur die Einigungsgebühr aus dem Mehrwert verlangen, nicht aber auch die Verfahrensdifferenzgebühr und die Terminsgebühr.
OLG Dresden, Beschl. v. 7.5.2015 – 19 WF 1424/14
1 Sachverhalt
Dem Antragsgegner war für die Beschwerde in einem Verfahren der einstweiligen Anordnung in einer Sorgerechtssache Verfahrenskostenhilfe bewilligt und zur Vertretung Rechtsanwältin M beigeordnet worden.
Im Senatstermin wurde neben der Sorgerechtssache auch der Umgang der Antragstellerin mit dem gemeinsamen Kind der Beteiligten erörtert. Beide Verfahrensbevollmächtigten haben beantragt, die den Beteiligten bewilligte Verfahrenskostenhilfe auf eine mögliche Elternvereinbarung zu erstrecken. Die Beteiligten schlossen im weiteren Verlauf der Verhandlung eine Vereinbarung zum Umgangsrecht und die Antragstellerin nahm daraufhin ihre Beschwerde gegen die einstweilige Anordnung in der Sorgerechtssache zurück. Am Ende der Sitzung hat der Senat die für das Beschwerdeverfahren bewilligte Verfahrenskostenhilfe auf die Umgangsvereinbarung erstreckt.
Rechtsanwältin M beantragte daraufhin, die ihr für das Beschwerdeverfahren aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung auf 1.207,97 EUR festzusetzen.
Das FamG gab dem Antrag nur in Höhe eines Betrages von 813,84 EUR statt. Es hat von den beantragten Gebühren die 0,8-Verfahrensgebühr aus dem Wert der Umgangsvereinbarung (3.000,00 EUR) abgezogen, die 1,2-Terminsgebühr nur aus dem Wert des Sorgerechtsverfahrens (1.500,00 EUR) und nicht aus dem zusammengerechneten Wert von Sorgerechtssache und Umgangsvereinbarung errechnet sowie eine 1,5-Einigungsgebühr statt 1,0-Einigungsgebühr aus 3.000,00 EUR nach Nr. 1000 VV zuerkannt.
Gegen diese Entscheidung hat Rechtsanwältin M Erinnerung eingelegt. Das FamG hat die Erinnerung zurückgewiesen. Der hiergegen erhobenen Beschwerde hat das FamG nicht abgeholfen und die Sache zur Entscheidung dem OLG vorgelegt, das sie zurückgewiesen hat.
2 Aus den Gründen
Das FamG hat der Beschwerdeführerin für die im Senatstermin geschlossene Umgangsvereinbarung zu Recht nur eine 1,5-Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV und nicht auch eine Verfahrens- und eine Terminsdifferenzgebühr erstattet.
Wird – wie hier in einem isolierten Sorgerechtsverfahren – in einem Verhandlungstermin ein Vergleich über nicht rechtshängige Ansprüche geschlossen (sog. Mehrvergleich), entsteht für den an dem Vergleich mitwirkenden Rechtsanwalt auch aus den einbezogenen, nicht verfahrensgegenständlichen Gegenständen ein Anspruch auf eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3101 VV, eine Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV und eine Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV.
Unabhängig von dem Entstehen der Gebührenansprüche als solche bestimmt sich im Fall der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe der Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts gegen die Staatskasse ausschließlich nach dem Beschluss, durch den die Verfahrenskostenhilfe bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet worden ist (§ 48 Abs. 1 RVG). Für die Frage, welche Gebühren erstattungsfähig sind, kommt es daher in erster Linie auf die Bestimmungen im Bewilligungsbeschluss an (OLG Koblenz, Beschl. v. 19.5.2014 – 13 WF 369/14, FamRZ 2014, 1877 [= AGS 2014, 348]).
Wird nach der üblichen Praxis auf einen entsprechenden Antrag die Verfahrenskostenhilfe "auf den abzuschließenden Vergleich" oder auf den "Mehrvergleich" erstreckt, kann daraus jedenfalls nach der seit 1.8.2013 geltenden Rechtslage in Verfahren, die keine Ehesachen sind, nicht mehr hergeleitet werden, dass dann regelmäßig eine Auslegung dahingehend zu erfolgen habe, dass mit der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe alle mit dem Mehrvergleichsabschluss im Zusammenhang stehenden Gebühren von dem Bewilligungsbeschluss umfasst seien (vgl. OLG Koblenz a.a.O., m.w.N.). Denn mit der Neufassung des § 48 Abs. 3 S. 1 RVG durch das 2. KostRMoG, das nach der Gesetzesbegründung inhaltlich dem bisher geltenden Recht entspricht, wurde durch den Gesetzgeber klargestellt, dass im Fall eines Vergleichsabschluss in Ehesachen alle in diesem Zusammenhang anfallenden Gebühren zu erstatten sind (BT-Drucks 17/11471, S. 270). Bei allen anderen Verfahren, die von § 48 Abs. 3 RVG nicht erfasst sind, so z.B. bei selbstständigen Familiensachen oder Zivilsachen, gibt es eine automatische Erstreckung wie nach § 48 Abs. 3 RVG mit all ihren Gebührenfolgen nicht.
Insoweit vertritt der Senat – in Übereinstimmung mit der Rspr. des 23. Familiensenats des OLG Dresden (Beschl. v. 7.2.2014 – 23 WF 1209/13, FamRZ 2014, 1879 [= AGS 2014, 347]; Beschl. v. 4.8.2011 – 23 WF 475/11, FamRZ 2012, 242) – die Auffassung, dass die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für den Abschluss eines Vergleichs über nicht rechtshängige Ansprüche grundsätzlich vergleichbar ist mit dem Vergleichsabschluss im Erörterungstermin des Prozesskostenhilfe- oder Verfahrenskostenhilfeverfahrens (so auch OLG Koblenz a.a.O.). Für diese Fallkonstellati...