Leitsatz (amtlich)

Wird die einem Beteiligten in einer selbständigen Familiensache bewilligte Verfahrenskostenhilfe auf den Abschluss eines Vergleichs über nicht rechtshängige Ansprüche erstreckt, kann dem beigeordneten Rechtsanwalt aus der Staatskasse weder eine Verfahrensgebühr noch eine Terminsgebühr aus dem Mehrwert des Vergleichs erstattet werden. (so auch 23. Familiensenat des OLG Dresden, Beschl. v. 7.2.2014 - 23 WF 1209/13).

 

Verfahrensgang

AG Stollberg (Beschluss vom 04.11.2014; Aktenzeichen Z 4 F 106/14)

 

Tenor

Die Beschwerde der Rechtsanwältin M. gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Aue, Zweigstelle Stollberg, vom 4.11.2014 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Dem Antragsgegner wurde mit Senatsbeschluss vom 10.7.2014 für das Beschwerdeverfahren in einem Verfahren der einstweiligen Anordnung in einer Sorgerechtssache Verfahrenskostenhilfe bewilligt und zur Vertretung Rechtsanwältin M. beigeordnet.

Im Senatstermin am 16.7.2014 wurde neben der Sorgerechtssache auch der Umgang der Antragstellerin mit dem gemeinsamen Kind der Beteiligten erörtert. Beide Verfahrensbevollmächtigte haben beantragt, die den Beteiligten bewilligte Verfahrenskostenhilfe auf eine mögliche Elternvereinbarung zu erstrecken. Die Beteiligten schlossen im weiteren Verlauf der Verhandlung eine Vereinbarung zum Umgangsrecht und die Antragstellerin nahm daraufhin ihre Beschwerde gegen die einstweilige Anordnung in der Sorgerechtssache zurück. Am Ende der Sitzung hat der Senat die für das Beschwerdeverfahren bewilligte Verfahrenskostenhilfe auf die Umgangsvereinbarung erstreckt.

Mit Schriftsatz vom 1.8.2014 beantragte Rechtsanwältin M., die ihr für das Beschwerdeverfahren aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung auf 1.207,97 EUR festzusetzen.

Das Familiengericht gab dem Antrag mit Vergütungsfestsetzungsbeschluss vom 2.10.2014 nur in Höhe eines Betrages von 813,84 EUR statt. Es hat von den beantragten Gebühren die 0,8 - Verfahrensgebühr aus dem Wert der Umgangsvereinbarung (3.000 EUR) abgezogen, die 1,2 - Terminsgebühr nur aus dem Wert des Sorgerechtsverfahrens (1.500 EUR) und nicht aus dem zusammengerechneten Wert von Sorgerechtssache und Umgangsvereinbarung errechnet sowie eine 1,5 - Einigungsgebühr statt 1,0 - Einigungsgebühr aus 3.000 EUR nach Nr. 1000 RVG-VV zuerkannt.

Gegen diese Entscheidung hat Rechtsanwältin M. Erinnerung eingelegt. Das Familiengericht hat die Erinnerung mit Beschluss vom 4.11.2014 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die als Beschwerde zu wertende Erinnerung der Rechtsanwältin vom 18.11.2014. Das Familiengericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache zur Entscheidung dem OLG vorgelegt.

II. Über die Beschwerde entscheidet der Senat nach Übertragung durch den Einzelrichter in voller Besetzung.

Die gem. § 56 Abs. 2 i.V.m. § 33 Abs. 3 RVG zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Das Familiengericht hat der Beschwerdeführerin für die im Senatstermin am 16.7.2014 geschlossene Umgangsvereinbarung zu Recht nur eine 1,5 - Einigungsgebühr nach Nr. 1000 RVG-VV und nicht auch eine Verfahrens- und eine Terminsdifferenzgebühr erstattet.

Wird - wie hier in einem isolierten Sorgerechtsverfahren - in einem Verhandlungstermin ein Vergleich über nicht rechtshängige Ansprüche geschlossen (sog. Mehrvergleich), entsteht für den an dem Vergleich mitwirkenden Rechtsanwalt auch aus den einbezogenen, nicht verfahrensgegenständlichen Gegenständen ein Anspruch auf eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3101 RVG-VV, eine Terminsgebühr nach Nr. 3104 RVG-VV und eine Einigungsgebühr nach Nr. 1000 RVG-VV.

Unabhängig von dem Entstehen der Gebührenansprüche als solche bestimmt sich im Fall der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe der Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts gegen die Staatskasse ausschließlich nach dem Beschluss, durch den die Verfahrenskostenhilfe bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet worden ist (§ 48 Abs. 1 RVG). Für die Frage, welche Gebühren erstattungsfähig sind, kommt es daher in erster Linie auf die Bestimmungen im Bewilligungsbeschluss an (OLG Koblenz, Beschluss vom 19.5.2014. 13 WF 369/14, FamRZ 2014, 1877).

Wird nach der üblichen Praxis auf einen entsprechenden Antrag die Verfahrenskostenhilfe "auf den abzuschließenden Vergleich" oder auf den "Mehrvergleich" erstreckt, kann daraus jedenfalls nach der seit 1.8.2013 geltenden Rechtslage in Verfahren, die keine Ehesachen sind, nicht mehr hergeleitet werden, dass dann regelmäßig eine Auslegung dahingehend zu erfolgen habe, dass mit der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe alle mit dem Mehrvergleichsabschluss im Zusammenhang stehenden Gebühren von dem Bewilligungsbeschluss umfasst seien (vgl. OLG Koblenz, a.a.O., m.w.N.). Denn mit der Neufassung des § 48 Abs. 3 Satz 1 RVG durch das 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz, das nach der Gesetzesbegründung inhaltlich dem bisher geltenden Recht entspricht, wurde durch den Gesetzgeber klargestellt, dass im Fall eines Vergleichsabschluss in Ehesachen alle in diesem Zusammenhang anfallenden Gebühren zu erstatten sind (BT-Drucks. 17/11...

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