Leitsatz
Liegen zwischen Einlegung des Widerspruchs und Einleitung des streitigen Verfahrens mehr als zwei Kalenderjahre, so ist die Verfahrensgebühr des Mahnverfahrens nicht mehr auf die Verfahrensgebühr des nachfolgenden streitigen Verfahrens anzurechnen.
AG Siegburg, Beschl. v. 15.4.2016 – 323 F 76/15
1 Sachverhalt
Die Antragstellerin hatte im Jahre 2011 einen Mahnbescheid gegen den Antragsgegner erwirkt. Hiergegen hatte der Antragsgegner durch seinen Rechtsanwalt Widerspruch einlegen lassen. Nachdem die Antragstellerin ihren Anspruch nicht mehr weiter verfolgt hat, hatte der Antragsgegner im August 2015 selbst gem. § 696 ZPO die Durchführung des streitigen Verfahrens beantragt. Gleichzeitig hat er sich auf die Einrede der Verjährung berufen. Die Antragstellerin hat daraufhin ihre Klage zurückgenommen, so dass ihr die Kosten des Verfahrens auferlegt wurden.
Hiernach hat der Antragsgegner beantragt, die ihm entstandenen Anwaltskosten festzusetzen, und zwar eine Verfahrensgebühr für das Mahnverfahren (Nr. 3307 VV) sowie eine Verfahrensgebühr für das streitige Verfahren (Nr. 3100 VV). Dabei hat er eine Anrechnung nicht vorgenommen und sich auf § 15 Abs. 5 S. 2 RVG berufen.
Das Gericht hat antragsgemäß festgesetzt.
2 Aus den Gründen
Die angemeldete Gebühr der Nr. 3307 VV ist vorliegend nicht auf die Verfahrensgebühr des nachfolgenden streitigen Verfahrens anzurechnen, weil zwischen der Einlegung des Widerspruchs gegen den Mahnbescheid und der Durchführung des streitigen Verfahrens mehr als zwei Kalenderjahre liegen. Der Widerspruch wurde am 8.11.2011 eingelegt. Die Abgabe des Mahnverfahrens an das Streitgericht zur Durchführung des streitigen Verfahrens erfolgte am 12.8.2015.
Nach § 15 Abs. 5 S. 2 RVG ist deshalb die Widerspruchsgebühr nicht auf die Verfahrensgebühr anzurechnen. Die Gebühr ist gesondert entstanden und erstattungsfähig.
3 Anmerkung
Wird ein Rechtsanwalt, nachdem er in einer Angelegenheit tätig geworden ist, beauftragt, in derselben Angelegenheit weiter tätig zu werden, erhält er nicht mehr an Gebühren, als er erhalten würde, wenn er von vornherein hiermit beauftragt worden wäre (§ 15 Abs. 5 S. 1 RVG).
Eine Ausnahme gilt allerdings dann, wenn der frühere Auftrag seit mehr als zwei Kalenderjahren erledigt ist. Dann gilt die weitere Tätigkeit als neue Angelegenheit (§ 15 Abs. 5 S. 2 RVG).
In diesem Fall ist auch eine vom Gesetz an sich vorgesehene Gebührenanrechnung ausgeschlossen.
Ebenso entschieden für den Anrechnungsausschluss nach einem Mahnverfahren hatte das OLG München, allerdings noch unter Geltung der BRAGO.
Häufiger ergibt sich der Anrechnungsausschluss bei einer Zurückverweisung nach mehr als zwei Kalenderjahren. Auch dann ist eine Anrechnung nach § 15 Abs. 5 S. 2 RVG ausgeschlossen.
Norbert Schneider
AGS 6/2016, S. 268