Rz. 300
Eine Regelung für Anrechnungsfälle fehlte in der Vorgängervorschrift (§ 13 Abs. 5 S. 2 BRAGO). Daher war umstritten, ob nach Ablauf von zwei Kalenderjahren die Anrechnung ausgeschlossen war. Konsequenterweise musste man dies bejahen. Wenn schon in derselben Sache die Gebühren erneut anfielen, dann musste dies erst recht in verschiedenen Angelegenheiten gelten, bei denen die Gebühren nur untereinander anzurechnen war. Eine Anrechnung hatte daher zu unterbleiben, wenn zwischen der neuen Angelegenheit und der anzurechnenden Angelegenheit mehr als zwei Kalenderjahre vergangen waren.
Nunmehr ist in Abs. 5 S. 2 ausdrücklich geregelt, dass eine Anrechnung nach Ablauf von zwei Kalenderjahren ausgeschlossen ist. Ein solcher Fall ergibt sich insbesondere beim Übergang vom Mahnverfahren ins streitige Verfahren oder auch bei einer Zurückverweisung.
Beispiel: Auf die Klage i.H.v. 12.000 EUR war ein zusprechendes Urteil ergangen. Hiergegen hatte der Beklagte am 30.11.2017 Berufung eingelegt. Das OLG hat das Urteil
a) |
am 5.1.2019 |
b) |
am 5.1.2020 |
aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen.
I. Ausgangsverfahren
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100 (Wert: 12.000 EUR) |
|
865,80 EUR |
2. |
1,2-Terminsgebühr, VV 3104 (Wert: 12.000 EUR) |
|
799,20 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
1.685,00 EUR |
|
4. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
|
320,15 EUR |
Gesamt |
|
2.005,15 EUR |
II. Verfahren nach Zurückverweisung Fall a)
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100 (Wert: 12.000 EUR) |
|
865,80 EUR |
2. |
gem. VV Vorb. 3 Abs. 6 anzurechnen |
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– 865,80 EUR |
3. |
1,2-Terminsgebühr, VV 3104 (Wert: 12.000 EUR) |
|
799,20 EUR |
4. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
819,20 EUR |
|
5. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
|
155,65 EUR |
Gesamt |
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974,85 EUR |
III. Verfahren nach Zurückverweisung Fall b)
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100 (Wert: 12.000 EUR) |
|
865,80 EUR |
2. |
1,2-Terminsgebühr, VV 3104 (Wert: 12.000 EUR) |
|
799,20 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
1.685,00 EUR |
|
4. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
|
320,15 EUR |
Gesamt |
|
2.005,15 EUR |
Eine Anrechnung nach VV Vorb. 3 Abs. 6 unterbleibt jetzt wegen Abs. 5 S. 2.
Rz. 301
Strittig ist, ob der es für die Zweijahresfrist nach Abs. 5 S. 2 im Falle der Zurückverweisung eines Rechtsstreits auf die Verkündung des Rechtsmittelurteils ankommt oder auf den Zeitpunkt der Kenntnisnahme des Rechtsanwalts von der Zurückverweisung. Nach Auffassung des OLG Hamburg soll es für die Berechnung der Zweijahresfrist auf den Zeitpunkt der Kenntnisnahme des Rechtsanwalts ankommen. Dies ist jedoch – jedenfalls in der Begründung – unzutreffend. Es fehlen bereits die erforderlichen Feststellungen zum Sachverhalt, nämlich zur Auftragslage. Insoweit kommt es nämlich darauf an, ob der Anwalt bereits bedingt für den Fall der Zurückverweisung mit der Durchführung des Verfahrens nach Zurückverweisung beauftragt war oder nicht:
▪ |
War dem Anwalt nicht der bedingte Auftrag zur Vertretung im erneuten Berufungsverfahren erteilt, dann kommt es weder auf die Zurückverweisung noch auf die Kenntnis davon an, sondern ausschließlich auf das Datum der Auftragserteilung für die Vertretung im erneuten Berufungsverfahren. |
▪ |
War dem Anwalt dagegen bereits vorab der Auftrag erteilt worden, im Falle der Zurückverweisung auch im weiteren Berufungsverfahren für den Auftraggeber tätig zu werden, so gilt allgemeines BGB, und zwar § 158 BGB. Mit Eintritt der Bedingung kommt das Rechtsgeschäft zustande. |
Rz. 302
▪ |
Sind nach Widerspruch im Mahnverfahren mehr als zwei Kalenderjahre vergangen, bevor der Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens gestellt wird, ist eine Anrechnung nach Anm. zu VV 3305 und Anm. zu VV 3307 ausgeschlossen. |