RVG § 55 Abs. 6
Leitsatz
Eine wirksame Fristsetzung nach § 55 Abs. 6 RVG setzt voraus, dass im Rahmen der PKH-Bewilligung eine Zahlungsanordnung nach § 120 Abs. 1 ZPO getroffen wurde.
LAG Düsseldorf, Beschl. v. 27.12.2016 – 13 Ta 317/16
1 Sachverhalt
Das ArbG hatte dem Kläger des Ausgangsrechtsstreits Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Antragstellers, ohne eine Zahlungsanordnung nach § 120 Abs. 1 ZPO gewährt. Der Rechtsstreit wurde im Termin am 16.4.2012 zum Ruhen gebracht und von den Parteien nicht weiter betrieben.
Mit Schreiben vom 29.11.2012, welches der Antragsteller am 14.1.2013 erhielt, hatte ihn das ArbG unter Hinweis auf § 55 Abs. 6 RVG gebeten, seinen Antrag auf Festsetzung seiner Vergütung binnen eines Monats zur Akte zu reichen. Am 28.12.2015 ist beim ArbG ein Antrag auf Festsetzung der Prozesskostenhilfe-Vergütung des Antragstellers eingegangen.
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat den Antrag zurückgewiesen, da der Vergütungsanspruch nach § 55 Abs. 6 S. 2 RVG erloschen sei. Die hiergegen eingelegte Erinnerung des Antragstellers hat der Richter zurückgewiesen. Hiergegen hat der Antragsteller Beschwerde eingelegt.
2 Aus den Gründen
Die Beschwerde ist zulässig und begründet.
I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des ArbG ist gem. § 56 Abs. 2 RVG i.V.m. § 33 Abs. 3 RVG statthaft und auch sonst zulässig (§ 33 Abs. 3 S. 3 RVG). Insbesondere überschreitet der Wert des Beschwerdegegenstands den Betrag von 200,00 EUR.
II. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Die Erinnerung des Antragstellers ist zulässig und begründet. Aus den Gründen des Beschlusses durfte der Antrag auf Vergütungsfestsetzung nicht zurückgewiesen werden.
1. Entgegen der Auffassung des ArbG und der Landeskasse ist der geltend gemachte Vergütungsanspruch gegen die Landeskasse nicht gem. § 55 Abs. 6 S. 2 RVG erloschen. Das entsprechende Aufforderungsschreiben vom 29.11.2012 ist rechtlich unbeachtlich.
a) Zweck der Regelung des § 55 Abs. 6 S. 1 RVG ist es, dem Urkundsbeamten eine möglichst frühzeitige Schlussabrechnung und eine zuverlässige Abschätzung der für die noch einzuziehenden Raten zu bestimmenden Laufzeit zu ermöglichen (OLG Zweibrücken 21.6.2013 – 2 WF 266/12, Rn 6, juris [= AGS 2013, 530]; OLG Düsseldorf 6.2.2012 – II-5 WF 126-11, 5 WF 126-11, Rn 5, juris). Sie dient hingegen nicht dazu, ihm eine beschleunigte Abwicklung einer Prozesskostenhilfe-Vergütung auch in den Fällen zu ermöglichen, in denen wie hier im Rahmen der Prozesskostenhilfe-Bewilligung keine Zahlungsanordnung nach § 120 Abs. 1 ZPO getroffen worden ist. Ansonsten wäre die Erwähnung der weiteren Vergütung nach § 50 RVG in § 55 Abs. 6 S. 1 RVG überflüssig. Der Urkundsbeamte kann die Antragstellung durch Fristsetzung vielmehr nur erzwingen, wenn die Festsetzung einer weiteren Vergütung nach § 50 RVG in Betracht kommt (vgl. Gerold/Schmidt, RVG, 22. Aufl., § 55 Rn 19). Eine solche setzt voraus, dass das Gericht nach § 120 Abs. 1 ZPO eine Zahlungsanordnung getroffen hat. Darauf, ob eine solche noch möglich ist, weil der 4-Jahreszeitraum des § 120 Abs. 1 S. 4 ZPO noch nicht abgelaufen ist, kommt es nicht an. Die Fristsetzung ist zudem nur möglich für das Stellen eines Antrags auf weitere Vergütung, nicht für die Prozesskostenhilfe-Vergütung (Bischof u.a., RVG, 5. Aufl., § 55 Rn 29). Wie sich bereits aus dem klaren Wortlaut ergibt, korrespondiert § 55 Abs. 6 S. 1 RVG insoweit mit § 50 Abs. 1 und 2 RVG.
b) Anderes folgt auch nicht aus der vom ArbG zitierten Entscheidung des OLG Koblenz v. 7.8.2012 (14 W 423/12, JurBüro 2013, 206 [= AGS 2013, 136]). Dort war eine Zahlungsanordnung getroffen worden, im Zeitpunkt der Aufforderung nach § 55 Abs. 6 S. 1 RVG jedoch mangels Abschluss des Verfahrens eine Festsetzung noch unzulässig. Das OLG Koblenz hat die Aufforderung für wirksam gehalten, da sie vorbereitend eine einstweilige Situationsbeurteilung ermöglichen sollte. Unabhängig davon, ob dieser Auffassung zu folgen ist, unterscheidet sich die hier zu beurteilende Situation dadurch, dass bereits kein Fall des § 50 RVG vorliegt. Eine Festsetzung der weiteren Vergütung kam nicht in Betracht, weil es an einer Zahlungsanordnung gegenüber der bedürftigen Partei fehlte. Damit war der Anwendungsbereich des § 50 RVG nicht eröffnet und folglich auch nicht die Möglichkeit für den Urkundsbeamten, eine Frist nach § 55 Abs. 6 S. 1 RVG zu setzen.
c) Der Bezirksrevisor hat in seiner Stellungnahme selbst darauf hingewiesen, dass Zweck der Regelung des § 55 Abs. 6 S. 1 RVG sei, eine zuverlässige Abschätzung der für die noch einzuziehenden Raten zu bestimmenden Laufzeit zu ermöglichen; dies sei eine Beschleunigung des Verfahrens der Vergütungsfestsetzung. Ohne eine Zahlungsanordnung sind jedoch keine Raten einzuziehen. Es kann auch keine Festsetzung der weiteren Vergütung erfolgen, welche ohnehin grundsätzlich voraussetzt, dass die in § 122 Abs. 1 Nr. 1 ZPO bezeichneten Forderungen bereits getilgt sind. Dies verdeutlicht, dass die hier seitens des Arbeitsgerichts gewählte Verfahrensweise nicht der gesetzlich inte...