RVG VV Nr. 7000 Nr. 1a; RVG §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3
Leitsatz
- Wird dem Verteidiger die komplette Verfahrensakte in digitalisierter Form zum weiteren Verbleib überlassen, sind Kopierkosten nach Nr. 7000 Nr. 1a VV vom Grundsatz her keine erforderlichen Auslagen i.S.v. § 46 Abs. 1 RVG.
- Dieser Grundsatz kann durch entsprechenden Sachvortrag durchbrochen werden, da derzeit noch keine gesetzliche Verpflichtung eines Rechtsanwalts zur ausschließlichen Verwendung einer elektronischen bzw. digitalisierten Verfahrensakte besteht.
- Aus dem Regelausnahmeprinzip folgt (insoweit Fortführung von OLG Frankfurt, Beschl. v. 29.3.2012 – 2 Ws 49/12), dass den Rechtsanwalt, der die elektronische Akte ausdruckt, eine besondere Begründungs- und Darlegungslast trifft, warum dies "zusätzlich" zu der zur Verfügung gestellten digitalisierten Akte, die eine sachgerechte Bearbeitung bereits ermöglicht, notwendig war, wenn er diese zusätzlichen Ausdrucke ersetzt verlangt.
OLG Frankfurt, Beschl. v. 3.4.2018 – 2 Ws 1/18
1 Sachverhalt
Die Beschwerde des Pflichtverteidigers richtet sich vorliegend ausschließlich gegen die Ablehnung der Erstattung von Ablichtungen (Nr. 7000 Nr. 1a VV).
Mit Kostenfestsetzungsantrag v. 21.3.2017 hat der Beschwerdeführer wegen des Ausdrucks von 37.216 Seiten der Verfahrensakten eine Dokumentenpauschale für Kopien in einer Gesamthöhe von 5.599,90 EUR geltend gemacht. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss v. 9.8.2017 ist diese auf 92,50 EUR reduziert worden, indem nur Kopien aus Behörden- und Gerichtsakten von 500 Seiten anerkannt worden sind.
Hiergegen wendet sich der Beschwerdeführer mit der sofortigen Beschwerde. Eine Begründung für die Geltendmachung der Erstattung von Ablichtungen im Umfang von 37.216 Seiten ist erstmals in der Beschwerdeschrift durch den Beschwerdeführer vorgetragen worden.
2 Aus den Gründen
Die Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
Nach Nr. 7000 Nr. 1a VV erhält der Rechtsanwalt die Aufwendung für Ablichtungen aus Behörden- und Gerichtsakten erstattet, soweit deren Herstellung zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten war. Bei dieser Beurteilung ist auf einen objektiven Maßstab als auch auf den Standpunkt eines vernünftigen sachkundigen Dritten abzustellen (std. Rspr.; vgl. Hartmann, KostG, 43. Aufl., 7000 VV Rn 6 m.w.N.). Zwar hat der Rechtsanwalt dabei einen gewissen und auch nicht zu engen Ermessensspielraum, was er für eine sachgerechte Bearbeitung benötigt, eine bloße Erleichterung oder Bequemlichkeit reicht indes nicht aus.
Im vorliegenden Fall hat der Pflichtverteidiger die komplette Verfahrensakte in digitalisierter Form zum weiteren Verbleib überlassen bekommen. Die Akte war damit inklusive aller Nebenbände in digitalisierter Form dem Rechtsanwalt zur Verfügung gestellt worden.
Vom Grundsatz sind danach sämtliche zum Ausgleich angemeldete Kopierkosten als nicht erforderliche Auslagen i.S.v. § 46 Abs. 1 RVG anzusehen. Der Pflichtverteidiger ist durch die vorliegend gewählte digitalisierte Übersendung der Verfahrensakte zum Verbleib in der Lage, auf sämtliche Informationen aus der Akte Zugriff nehmen zu können, sie mithin sachgerecht zu bearbeiten. Dieser Grundsatz kann allerdings durch entsprechenden Sachvortrag durchbrochen werden, da – wie das OLG Nürnberg in seiner Entscheidung v. 30.5.2017 (2 Ws 98/17) zutreffend ausführt – derzeit noch keine gesetzliche Verpflichtung eines Rechtsanwalts zur ausschließlichen Verwendung einer elektronischen bzw. digitalisierten Verfahrensakte besteht. Daraus folgt, dass nach wie vor die Notwendigkeit bestehen kann, zur sachgerechten Bearbeitung einer Rechtssache zusätzlich zu der digitalisiert zur Verfügung gestellten Akte auch Teile davon in Papierform zu erstellen. Aus dem Regelausnahmeprinzip folgt indes allerdings auch (insoweit Fortführung von OLG Frankfurt, Beschl. v. 29.3.2012 – 2 Ws 49/12), dass den Rechtsanwalt, der die elektronische Akte ausdruckt, eine besondere Begründungs- und Darlegungslast trifft, warum dies "zusätzlich" zu der zur Verfügung gestellten digitalisierten Akte, die eine sachgerechte Bearbeitung bereits ermöglicht, notwendig war, wenn er diese zusätzlichen Ausdrucke ersetzt verlangt. Es geht damit nicht um die bei der Staatskasse liegende Beweislast, ob eine Auslagenersatz entfällt, sondern darum, ob ein zusätzlicher Auslagenersatz ausnahmsweise in Betracht kommt, wenn die sachgerechte Bearbeitung bereits ermöglich worden ist und die diesbezüglichen Kosten erbracht bzw. ersetzt worden sind.
Der Senat folgt hier in Übereinstimmung mit den Entscheidungen der Oberlandesgerichte München, Beschl. v. 3.11.2014, RVGreport 2015, 106; Köln StraFo 2010, 131, Celle RVGreport 2016, 417, dass zur Erfüllung des erhöhten Darlegungs- und Begründungsaufwands jedenfalls Gründe, die wie vorliegend im Ergebnis nur der Bequemlichkeit dienen, nicht ausreichend sind. Derartige Mehraufwendungen sind durch die Verfahrensgebühren bereits erfasst.
Ebenfalls nicht überzeugend ist der erstmals der in der Begründung v. 6.3.2018 vorgetragene Einwand, dass der Mandant, der der deutschen S...