RVG VV Nr. 3104, Vorbem. 3 Abs. 3
Leitsatz
Allein die anwaltliche Ankündigung gegenüber einer Behörde, Schadenersatzansprüche geltend zu machen, um so die Rücknahme einer als gebundene Entscheidung ergangenen Verfügung zu erreichen, führt nicht zum Anfall einer Terminsgebühr.
OVG Lüneburg, Beschl. v. 15.11.2017 – 12 OA 125/17
1 Sachverhalt
Der Kläger hatte gegen die mit Bescheid des Beklagten v. 3.2.2017 auf das Fahreignungs-Bewertungssystem gestützte Entziehung seiner Fahrerlaubnis am 6.2.2017 Klage erhoben. Die Erreichung eines Standes von acht Punkten hatte er u.a. mit dem Argument in Abrede gestellt, dass ein Bußgeldbescheid nicht rechtskräftig sei, der wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung gegen ihn ergangen war. Kurz nach der Erhebung der Klage hatte sein Prozessbevollmächtigter am 6.2.2017 ein Telefongespräch mit einer Sachbearbeiterin des Beklagten geführt, über das eine Telefonnotiz gefertigt wurde. Nach einem weiteren Telefonat, in dem der Kläger persönlich mit der Fahrerlaubnisbehörde des Beklagten sprach (vgl. den Gesprächsvermerk v. 9.2.2017), und einer die Rechtsposition des Klägers stützenden Mitteilung des Kraftfahrt-Bundesamtes hat der Beklagte seine Entziehungsverfügung schließlich unter dem 10.2.2017 aufgehoben. Das VG hat ihm nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Beteiligten die Kosten des Verfahrens auferlegt.
Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger dagegen, dass es die Vorinstanz durch den angefochtenen Beschluss abgelehnt hat, auf seine Erinnerung den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle insoweit zu ändern, als bei der Festsetzung der ihm seitens des Beklagten zu erstattenden Kosten die im Kostenfestsetzungsantrag geltend gemachte Terminsgebühr von 547,20 EUR nicht berücksichtigt worden ist. Außerdem beanstandet er, dass das VG seinem in der Erinnerungsschrift enthaltenen Antrag, auch die auf die Vergütung seines Prozessbevollmächtigten entfallende Umsatzsteuer in die Festsetzung einzubeziehen, nicht entsprochen hat, soweit der Steuerbetrag an die umstrittene Terminsgebühr anknüpft.
2 Aus den Gründen
Die Beschwerde des Klägers, über die der Senat in der Besetzung nach § 76 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 S. 1 NJG zu entscheiden hat (vgl. Neumann, in: Sodan/Ziekow [Hrsg.], VwGO, 4. Aufl., 2014, § 165 Rn 34), ist zulässig (vgl. § 146 Abs. 3 VwGO), aber unbegründet, weil die Voraussetzungen für die Erstattung einer Terminsgebühr (Vorbem. 3 Abs. 3 S. 3 Nr. 2 u. Nr. 3104 VV, und damit auch diejenigen für die Erstattung der hierauf entfallenden Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV) nicht vorliegen. Denn eine solche Gebühr ist nicht angefallen.
Es mag dahinstehen, ob eine Besprechung i.S.d. Vorbem. 3 Abs. 3 S. 3 Nr. 2 VV auch dann gegeben sein kann, wenn sie auf das vollständige Nachgeben einer Seite gerichtet ist (so: Keller, in: Riedel/Sußbauer, RVG, 9. Aufl., 2005, Vorbem. 3 Rn 48, und Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, 22. Aufl., 2015, Vorbem. 3 Rn 166). Denn jedenfalls setzen auf eine Erledigung gerichtete Besprechungen i.S.d. Vorschrift die – hier von dem Kläger darzulegende – beidseitige Bereitschaft der Prozessgegner zu einer eventuellen einvernehmlichen Beendigung des Verfahrens voraus (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 3.8.2017 – 13 D 136/14, juris, Rn 3 ff., m.w.N.).
Für die Darlegung einer solche Bereitschaft des Beklagten anlässlich des Telefonats v. 6.2.2017 reicht es nicht aus, dass der Kläger vorträgt, sein Prozessbevollmächtigter habe der Sachbearbeiterin mitgeteilt, welche Konsequenzen, nämlich die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen, er zu ziehen gedenke, wenn die Verfügung nicht umgehend zurückgenommen werde. Allein die Weitergabe von Informationen genügt nämlich nicht, um einem Gespräch den Inhalt einer Besprechung zu geben, die auf die Erledigung des Verfahrens gerichtet ist (vgl. Müller-Rabe, a.a.O., Vorbem. 3 Rn 173, letzter Spiegelstrich). Das gilt insbesondere dann, wenn sich die Sachbearbeiterin des Beklagten diese Mitteilung nur schweigend angehört hat (vgl. Bischof, in: Bischof/Jungbauer u.a., RVG, 6. Aufl., 2014, Nr. 3104 VV, Rn 48), ohne daraufhin zu äußern, eine Rücknahme der Verfügung zu prüfen, oder sich auf eine Diskussion dieser Maßnahme einzulassen (vgl. Müller-Rabe, a.a.O., Vorbem. 3 Rn 175). Weder legt der Kläger Letzteres substantiiert dar, noch ergeben sich aus dem behaupteten Gesprächsinhalt und dem übrigen Geschehen hinreichende Indizien dafür. Denn die Ankündigung von Schadensersatzansprüchen ist schon kein Argument, mit dem die Rechtswidrigkeit einer Verfügung als Voraussetzung gerade ihrer Rücknahme (vgl. § 48 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 NVwVfG) dargetan werden kann. Solange der Beklagte die Entziehungsverfügung weiter für rechtmäßig hielt, kam zudem aus seiner Sicht auch eine anderweitig begründete Aufhebung derselben nicht in Betracht. Denn die Entziehung der Fahrerlaubnis wurde hier als gebundene Entscheidung (vgl. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 3 StVG) getroffen. Sowohl der Gesprächsvermerk v. 9.2.2017 als auch der Rücknahmebescheid v. 10.2.2017 lassen erkennen, dass der Be...