ZPO §§ 91 Abs. 4, 103, 104, 107, 126
Leitsatz
- Die aufgrund eines noch nicht rechtskräftigen Kostenfestsetzungsbeschlusses (vorläufig) erstatteten Kosten sind, sofern nach Abänderung oder Aufhebung im Erinnerungsverfahren eine geringere Kostenerstattung festgesetzt wird, im Umfang der tatsächlichen Überzahlung im vereinfachten Kosten(rück)festsetzungsverfahren nach § 197 SGG i.V.m. § 104 ZPO der (Rück)festsetzung fähig.
- Materiell-rechtliche Einwendungen sind auch im Kosten(rück)festsetzungsverfahren grundsätzlich unbeachtlich.
- Allein entscheidend ist, dass der erstattungsberechtigte Beteiligte die Kosten im Verlaufe des Rechtsstreits tatsächlich gezahlt hat. Auf die genaueren Umstände der Zahlung, wie z.B. einer förmlichen Festsetzung oder einem Rückforderungsvorbehalt kommt es nicht an.
- In den Fällen, in denen der Rechtsanwalt nach § 126 Abs. 1 ZPO die Kostenfestsetzung im eigenen Namen betrieben hat, findet die Kosten(rück)festsetzung ebenfalls in diesem Rechtsverhältnis statt und der Rechtsanwalt hat die Kosten an den Gegner zu erstatten.
SG Berlin, Beschl. v. 4.8.2017 – S 133 SF 900/16 E
1 Sachverhalt
Der Erinnerungsführer führte unter anwaltlicher Vertretung durch seinen Prozessbevollmächtigten u.a. das vormalige Klageverfahren. Nachdem der Erinnerungsgegner den angegriffenen Ablehnungsbescheid nach richterlichem Hinweis aus formalen Gründen aufgehoben hatte, teilte der Erinnerungsführer mit, er nehme "das Anerkenntnis" an und erklärte "das Verfahren insoweit für erledigt". Der Erinnerungsgegner erkannte daraufhin seine Kostentragungspflicht dem Grunde nach an. Der Erinnerungsführer beantragte sodann durch seinen Prozessbevollmächtigten die Kostenerstattung wie folgt:
Geschäftsgebühr, Nr. 2400 VV |
240,00 EUR |
Verfahrensgebühr, Nr. 3103 VV |
170,00 EUR |
Terminsgebühr, Nr. 3106 VV |
200,00 EUR |
Post- und Telekommunikationsdienstleistungen, Nr. 7002 VV |
40,00 EUR |
Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV (19 %) |
123,50 EUR |
Summe |
773,50 EUR |
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des SG setzte mit Beschl. v. 28.4.2014 die zu erstattenden Kosten wie beantragt fest. Am 8.7.2014 zahlte der Erinnerungsgegner, nachdem der Erinnerungsführer eine vollstreckbare Ausfertigung des Beschlusses beantragt hatte, einen Betrag i.H.v. 795,78 EUR (773,50 EUR zzgl. Zinsen i.H.v. 22,28 EUR für die Zeit 13.11.2013 bis 8.7.2014) an den Erinnerungsführer. Auf die gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss eingelegte Erinnerung des Erinnerungsgegners wurden mit Beschl. v. 8.4.2016 die zu erstattenden Kosten später auf insgesamt 478,38 EUR wie folgt festgesetzt, wobei die Kammer die Bemessung ausdrücklich auf die "erheblich unterdurchschnittliche Bedeutung der Angelegenheit" gestützt hat:
Geschäftsgebühr, Nr. 2400 VV |
140,00 EUR |
Verfahrensgebühr, Nr. 3103 VV |
102,00 EUR |
Terminsgebühr, Nr. 3106 VV |
120,00 EUR |
Post- und Telekommunikationsdienstleistungen, Nr. 7002 VV |
40,00 EUR |
Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV (19 %) |
76,38 EUR |
Summe |
478,38 EUR |
Dieser Beschluss ist rechtskräftig. Im Folgenden lehnte es der Erinnerungsführer ab, die so entstandene Überzahlung an den Erinnerungsgegner wieder auszukehren.
Hierauf beantragte der Erinnerungsgegner die Kosten(rück)festsetzung. Der Erinnerungsführer habe Anspruch auf lediglich 492,16 EUR (478,39 EUR zzgl. Zinsen i.H.v. 13,78 EUR für die Zeit v. 13.11.2013 bis 8.7.2014). Unter Berücksichtigung der früher erfolgten Zahlung i.H.v. 795,78 EUR ergebe sich ein Rückzahlungsanspruch i.H.v. 303,62 EUR. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des SG folgte diesem Antrag und setzte die Kosten(rück)erstattungsverpflichtung des Erinnerungsführers zugunsten des Erinnerungsgegners entsprechend fest. Hiergegen legte der Erinnerungsführer Erinnerung ein. Er trägt hierzu vor, der Anspruch des Erinnerungsgegners sei nach § 107 Abs. 2 ZPO verfallen, da mehr als ein Monat zwischen dem herabsetzenden Beschluss und dem (Rück)festsetzungsantrag gelegen habe.
2 Aus den Gründen
Die zulässige Erinnerung hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat der angegriffene Beschluss den Erinnerungsführer im Wege der Kosten(rück)festsetzung zur Zahlung von 303,62 EUR nebst Zinsen an den Erinnerungsgegner verpflichtet.
Nach Erlass des Kostenfestsetzungsbeschlusses durch die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des SG kann der Begünstigte – wie hier geschehen – sofort die Auszahlung verlangen bzw. die Zwangsvollstreckung betreiben, ohne dass Rechtskraft abzuwarten wäre. Die Einlegung der Erinnerung hat keine aufschiebende Wirkung, da diese vom Gesetz nicht vorgesehen ist, vgl. §§ 199 Abs. 1 Nr. 4; 197 i.V.m. 178, 175 SGG. Für die Fälle, in denen es im nachfolgenden Erinnerungsverfahren – wie hier – sodann zu einer geringeren Festsetzung der zu erstattenden Kosten kommt, hat der zunächst seiner (vorläufigen) Zahlungsverpflichtung nachkommende Beteiligte dann materiellrechtlich einen Anspruch auf Rückzahlung der überzahlten Beträge nach § 717 Abs. 2 ZPO.
Neben den Möglichkeiten der klageweisen Geltendmachung nach den Alternativen des § 717 Abs. 2 ZPO war auch vor der erfolgten Neuregelung ...