Leitsatz
Wird ein Anwalt außerhalb des Gerichtsbezirks beigeordnet, darf dessen Beiordnung nur dann auf die Bedingungen eines im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts beschränkt werden, wenn die Voraussetzungen des § 121 Abs. 4 ZPO nicht vorliegen.
LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 5.5.2014 – L 22 R 85/14 B PKH
1 Sachverhalt
Der im August 1951 geborene Kläger, der von der Beklagten Rente wegen Erwerbsminderung begehrt, wohnt in S.
Mit Bescheid vom 21.4.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.6.2013 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab: Trotz eines lumbalen Bandscheibenleidens könne der Kläger auch ausgehend von der zuletzt ausgeübten versicherungspflichtigen Tätigkeit als Bauhelfer zumutbar auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein.
Dagegen hat der Kläger am 29.7.2013 Klage beim SG Berlin erhoben. Am 29.11.2013 hat er unter Beifügung der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt.
Mit Beschl. v. 16.1.2014 hat das SG dem Kläger Prozesskostenhilfe bewilligt und seinen Prozessbevollmächtigten mit Kanzleisitz in F zu den Bedingungen eines im Gerichtsbezirk des SG Berlin ortsansässigen Rechtsanwaltes beigeordnet.
Gegen den einem Prozessbevollmächtigten am 24.1.2014 zugestellten Beschluss richtet sich die am 28.1.2014 eingelegte Beschwerde des Prozessbevollmächtigten.
Er ist der Ansicht, seiner uneingeschränkten Beiordnung stehe das Mehrkostenverbot nicht entgegen, denn dadurch entstünden noch geringere Kosten als durch die zusätzliche Beiordnung eines Verkehrsanwaltes. Ein Berliner Rechtsanwalt sei von dem Wohnsitz des Klägers noch weiter entfernt als ein Frankfurter Rechtsanwalt. Der Kläger sei der deutschen Sprache nicht mächtig. Die daher notwendige Einschaltung eines Dolmetschers entfalle vorliegend allein deshalb, weil der beigeordnete Prozessbevollmächtigte die Sprache des Klägers spreche.
Auf die Beschwerde hin hat das LSG den angefochtenen Beschluss insoweit abgeändert, als die Beiordnung des Rechtsanwalts mit der Maßgabe erfolgt, dass dadurch keine höheren Kosten entstehen, als sie bei Beiordnung eines im Gerichtsbezirk des SG Berlin niedergelassenen Rechtsanwalts und zusätzlicher Beiordnung eines in F niedergelassenen Verkehrsanwalts entstehen würden.
2 Aus den Gründen
Die Beschwerde ist zulässig. Insbesondere ist der Prozessbevollmächtigte des Klägers als beigeordneter Rechtsanwalt beschwerdebefugt.
Dies folgt aus § 48 Abs. 1 RVG, wonach sich der Vergütungsanspruch nach den Beschlüssen bestimmt, durch die die Prozesskostenhilfe bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet oder bestellt worden ist. Die Beschränkung der Beiordnung zu den Bedingungen eines im Gerichtsbezirk ortsansässigen Rechtsanwalts berührt damit den (eigenen) Vergütungsanspruch des beigeordneten Rechtsanwalts, der außerhalb dieses Gerichtsbezirks ortsansässig ist.
Die Beschwerde ist auch im Wesentlichen begründet.
Das SG hat zu Unrecht eine Beschränkung der Beiordnung allein zu den Bedingungen eines im Gerichtsbezirk des SG Berlin ortsansässigen Rechtsanwaltes angeordnet. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat Anspruch auf eine Beiordnung im tenorierten Umfang, denn auch dadurch wird das Mehrkostenverbot nicht verletzt.
Nach § 73a Abs. 1 S. 1 SGG gelten die Vorschriften der ZPO über die Prozesskostenhilfe mit Ausnahme des § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO entsprechend, also auch § 121 ZPO über die Beiordnung eines Rechtsanwalts.
Nach § 121 Abs. 3 ZPO kann ein nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassener Rechtsanwalt nur beigeordnet werden, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen.
Allerdings bestimmt § 121 Abs. 4 ZPO: Wenn besondere Umstände dies erfordern, kann der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl zur Wahrnehmung eines Termins zur Beweisaufnahme vor dem ersuchten Richter oder zur Vermittlung des Verkehrs mit dem Prozessbevollmächtigten beigeordnet werden.
Daraus folgt, dass in der Regel ein im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassener Rechtsanwalt beizuordnen ist, weil (allein) dadurch sichergestellt ist, dass keine zusätzlichen Reisekosten anfallen.
Ordnet das Gericht ausnahmsweise einen nicht in seinem Bezirk niedergelassenen Rechtsanwalt bei, was zugleich die Möglichkeit ausschließt, die Beiordnung eines weiteren Verkehrsanwalts nach § 121 Abs. 4 ZPO zu erlangen, kann es deswegen nicht stets durch die beschränkte Beiordnung "zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts" (nunmehr nach Änderung des § 121 Abs. 3 ZPO zum 1.6.2007 "zu den Bedingungen eines im Gerichtsbezirk niedergelassenen Rechtsanwalts") zugleich die Möglichkeit der Erstattung von Reisekosten nach § 126 Abs. 1 S. 1, 2. Hs. BRAGO (der mit Inkrafttreten des RVG zum 1.7.2004 in § 46 Abs. 2 RVG nicht übernommen wurde, weil diese Vorschrift wegen § 121 Abs. 3 ZPO dem Gesetzgeber als entbehrlich erschien – vgl. BT-Drucks 15/1971 S. 200 -, ohne dass dies bedeutet, dass Reisekosten eines auswärtigen beigeordneten Re...