War der Anwalt vor der Verbindung bereits in beiden Verfahren beauftragt, so ist die Rechtslage offen. Es sind mehrere Lösungen möglich, da das Gesetz diesen Fall nicht regelt. Eindeutig ist nur, dass dem Anwalt die bis zur Verbindung verdienten Gebühren erhalten bleiben müssen. Wie sich aber die erst nach Verbindung entstehenden Gebühren berechnen, ist unklar.
Beispiel 8
Der Mandant hatte den Anwalt am 7.7.2015 mit der Verteidigung in einem gerichtlichen Verfahren (1/15) beauftragt (Bußgeld 20,00 EUR). Am 31.7.2015 hatte der Mandant den Anwalt in einem weiteren gerichtlichen Bußgeldverfahren (2/15) beauftragt (Bußgeld ebenfalls 20,00 EUR). Später werden beide Verfahren miteinander verbunden. Führend ist das Verfahren 2/15.
Bis zur Verbindung sind die Gebühren gesondert angefallen (§ 15 Abs. 2 RVG). Das bedeutet, dass der der Anwalt in beiden Verfahren vor der Verbindung jeweils eine Grundgebühr nach Nr. 5100 VV und eine Verfahrensgebühr nach Nr. 5107 VV erhält.
Die Terminsgebühr entsteht dagegen nur einmal in dem verbundenen Verfahren. Auszugehen ist jetzt gem. Vorbem. 5 Abs. 2 S. 4 VV von einem Bußgeld i.H.v. 40,00 EUR. Damit wäre nach neuem Recht die Terminsgebühr nach Nr. 5108 VV (Mittelgebühr 130,00 EUR) gegeben, nach altem Recht dagegen die Terminsgebühr aus Nr. 5110 VV (Mittelgebühr 255,00 EUR).
Lösungsansatz 1:
Zum einen ließe sich vertreten, dass im verbundenen Verfahren der Zeitpunkt des frühesten Verfahrens maßgebend sei, da das verbundene Verfahren insgesamt eine Angelegenheit darstellt.
Hier ist der erste Auftrag am 7.7.2015, also vor Inkrafttreten der Gesetzesänderung, erteilt worden. Danach würde der Anwalt im verbundenen Verfahren die höhere Terminsgebühr aus Nr. 5110 VV erhalten.
Für die Verfahrensgebühr stünde dem Anwalt darüber hinaus jetzt ein Wahlrecht zu. Anstelle der beiden getrennten Gebühren nach Nr. 5107 VV vor Verbindung (65,00 + 65,00 EUR = 130,00 EUR) könnte er auch eine Verfahrensgebühr nach Nr. 5109 VV berechnen. Hier würde sich die Mittelgebühr auf 160,00 EUR belaufen, was also günstiger wäre.
Die für den Anwalt günstigste Abrechnung sähe daher wie folgt aus:
I. Verfahren 1/15
1. |
Grundgebühr, Nr. 5100 VV |
|
100,00 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
185,00 EUR |
|
3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
22,80 EUR |
|
Gesamt |
|
142,80 EUR |
II. Verfahren 2/15
1. |
Grundgebühr, Nr. 5100 VV |
|
100,00 EUR |
2. |
Verfahrensgebühr, Nr. 5109 VV |
|
160,00 EUR |
3. |
Terminsgebühr, Nr. 5110 VV |
|
255,00 EUR |
4. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
535,00 EUR |
|
5. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
101,65 EUR |
|
Gesamt |
|
636,65 EUR |
Lösungsansatz 2:
Zutreffend dürfte es sein, darauf abzustellen, welches Verfahren führend ist und wann der Auftrag für dieses führende Verfahren erteilt worden ist. Gegen den ersten Lösungsansatz, grundsätzlich auf den früheren Auftrag abzustellen, spricht die Regelung des § 60 Abs. 2 RVG. Dort ist für Wertgebühren geregelt, dass sich im Falle einer Verbindung für die weiteren Gebühren nach Verbindung das alte Recht durchsetzt und alle Gebühren nach Verbindung nach altem Recht zu berechnen sind. Dass der Gesetzgeber diesen Vorrang des alten Rechts aber nur für Wertgebühren, nicht aber auch für Rahmengebühren geregelt hat, spricht, dass es hier beim Auftrag zur Angelegenheit verbleiben soll.
Nach diesem Lösungsansatz würden sich die weiteren Gebühren nach Verbindung nach neuem Recht richten, da der Auftrag im Verfahren 2/15 nach dem Stichtag erteilt worden ist.
Das Wahlrecht hinsichtlich der Verfahrensgebühr würde zwar bestehen bleiben, würde sich jetzt aber nicht auswirken, da die neue Gebühr bei einem Bußgeld von 40,00 EUR ebenfalls nach dem untersten Gebührenrahmen zu bemessen wäre.
Die für den Anwalt günstigste Abrechnung sähe jetzt wie folgt aus:
I. Verfahren 1/15
1. |
Grundgebühr, Nr. 5100 VV |
|
100,00 EUR |
2. |
Verfahrensgebühr, Nr. 5107 VV |
|
65,00 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
185,00 EUR |
|
4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
35,15 EUR |
|
Gesamt |
|
220,15 EUR |
II. Verfahren 2/15
1. |
Grundgebühr, Nr. 5100 VV |
|
100,00 EUR |
2. |
Verfahrensgebühr, Nr. 5107 VV |
|
65,00 EUR |
3. |
Terminsgebühr, Nr. 5108 VV |
|
130,00 EUR |
4. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
477,00 EUR |
|
5. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
90,63 EUR |
|
Gesamt |
|
567,63 EUR |
Abwandlung
Wie Beispiel 8; jedoch ist das Verfahren 1/15 das führende Verfahren.
Jetzt kämen beide Lösungsansätze zum selben Ergebnis, da jetzt das ältere Verfahren 1/15 führend wäre und demzufolge das Gebührenrecht bestimmen würde.
I. Verfahren 1/15
1. |
Grundgebühr, Nr. 5100 VV |
|
100,00 EUR |
2. |
Verfahrensgebühr, Nr. 5109 VV |
|
160,00 EUR |
3. |
Terminsgebühr, Nr. 5110 VV |
|
255,00 EUR |
4. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
535,00 EUR |
|
5. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
101,65 EUR |
|
Gesamt |
|
636,65 EUR |
II. Verfahren 2/15
1. |
Grundgebühr, Nr. 5100 VV |
|
100,00 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zw... |