Leitsatz
- Reicht eine Partei ihre Klage ohne Bezugnahme oder Hinweis auf die bereits erfolgte PKH-Bewilligung ein, kann eine unrichtige gerichtliche Sachbehandlung nicht darin gesehen werden, dass die Sache neu eingetragen wird, was zum Anfall von Gerichtsgebühren führt, die von der bedürftigen Partei trotz der anderweitig erfolgten PKH-Bewilligung zu zahlen sind (Bestätigung von OLG Koblenz JurBüro 2011, 538).
- Das verstößt nicht "gegen die sozialstaatlich motivierten Vorschriften der §§ 114 ff. ZPO". Denn es muss sich jedermann aufdrängen, dass eine Klage nach PKH-Bewilligung unter dem dortigen Aktenzeichen bei Gericht einzureichen ist. Beruht das Versäumnis auf einem Fehler des Prozessbevollmächtigten, kann die PKH-Partei sich bei diesem schadlos halten.
OLG Koblenz, Beschl. v. 6.2.2014 – 14 W 71/14
1 Sachverhalt
Der Kläger hatte im März 2012 ein Prozesskostenhilfegesuch nebst Klageentwurf eingereicht, das unter dem Aktenzeichen 4 O 81/12 registriert worden war.
Nach der Bewilligung von Prozesskostenhilfe reichte er im August 2012 ohne Angabe eines Aktenzeichens und ohne irgendeinen Hinweis auf das zuvor eingetragene Verfahren eine dem Entwurf deckungsgleiche Klage ein, die vom LG unter dem Aktenzeichen 8 O 222/12 neu registriert wurde.
Nach Abschluss des Verfahren 4 O 81/12, in dem der Kläger weitgehend obsiegt hat, hat die Staatskasse gegen ihn für das Verfahren 8 O 222/12 eine ermäßigte Gerichtsgebühr von 265,00 EUR angesetzt.
Auf die Erinnerung des Klägers hat das LG mit dem angefochtenen Beschluss den Kostenansatz aufgehoben. Hiergegen wendet sich der Bezirksrevisor unter Bezug auf die Entscheidung des Senats v. 11.1.2011 (14 W 14/11).
2 Aus den Gründen
Die gem. § 66 Abs. 2 S. 1 GKG zulässige Beschwerde ist begründet. Die (auf 1,0 ermäßigte) Gebühr ist angefallen. Kostenschuldner ist der das Verfahren 8 O 222/12 einleitende Kläger (§ 22 GKG). Es liegt auch keine unrichtige Sachbehandlung durch das LG vor, die die Niederschlagung der Kosten erforderte (§ 21 Abs. 1 GKG).
Mit seiner Entscheidung v. 11.1.2011 (JurBüro 2011, 538 = MDR 2011, 1135) hat der Senat ausgeführt:
"Die streitige, nach Nr. 1211 GKG-Kost Verz. ermäßigte Gebühr ist am 25.10.2010 mit Einreichung des Schriftsatzes v. 21.10.2010 fallen (§ 6 Abs. 1 GKG). Dieser Schriftsatz musste nach den Umständen als eigenständige Klageschrift betrachtet werden (OLG Düsseldorf NJW-RR 1999, 1670). Der Wille der Kläger, einen Bezug zu dem bereits laufenden Verfahren LG Koblenz – 16 O 245/10 – herzustellen, in dem ihnen für eine gegen dieselbe Partei beabsichtigte Klage Prozesskostenhilfe bewilligt worden war, kam nicht zum Ausdruck; das dortige Aktenzeichen wurde an keiner Stelle erwähnt. Dass der Bezug nachträglich erkannt und ihm dann Rechnung getragen wurde, ist unerheblich. Da der Gebührentatbestand der Nr. 1211 GKG-KostVerz. ein gerichtliches Handeln nicht voraussetzt (OLG Düsseldorf a.a.O.), kann die Gebühr grundsätzlich nicht nach § 21 Abs. 1 GKG unter Hinweis auf ein Fehlverhalten oder organisatorisches Versäumnis des Gerichts in Frage gestellt werden. Die Dinge mögen anders liegen, wenn einem Kläger nach Klageeinreichung vom Gericht auf Anfrage fälschlich mitgeteilt wird, ein Eingang sei nicht festzustellen, und er daraufhin ein weiteres Exemplar der bereits bei Gericht befindlichen Klageschrift fertigt und bei Gericht einreicht (vgl. dazu OLG München MDR 2001, 896). Im vorliegenden Fall hat es jedoch an einer vergleichbaren gerichtlichen Veranlassung gefehlt."
An dieser Auffassung hält der Senat trotz der Ausführungen im angefochtenen Beschluss fest. Jede Handlung, jeder Schriftsatz einer Partei, die/der notwendig ist, um ein gerichtliches Verfahren in Gang zu setzen, ist mit der Vornahme bzw. Einreichung als eine prozesseinleitende Parteihandlung zu behandeln, setzt die daraufhin erforderlichen Maßnahmen in Gang und führt zum Anfall der Verfahrensgebühr (§ 6 GKG; Hartmann, KostG, 43. Aufl. § 6, Rn 4, 5).
Der Sinn einer solchen Prozesshandlung ist aus dem Empfängerhorizont, nicht aus der Sicht des Einreichenden, wie die Kammer meint, zu ermitteln. Wenn sie. eindeutig ist, ist sie nicht auslegungsfähig. Insbesondere ist es nicht zulässig, einer solchen Erklärung nachträglich einen Sinn zu geben, der dem (wohlmeinenden) Interesse des Erklärenden entspricht (Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl. vor § 128 Rn 16 ff., 21, 25).
Dass der Kostenansatz die "Bedürftigkeit des Klägers konterkarier[t] … und gegen die sozialstaatlich motivierten Vorschriften der §§ 114 ff ZPO verstößt", sieht der Senat nicht. Zwar ist der Kläger Kostenschuldner. Er vermag sich aber bei dem schadlos zu halten, der das Versehen zu verantworten hat.
Die Beschwerde hat nach alledem Erfolg; der Kostenansatz ist berechtigt und wieder herzustellen.
Mitgeteilt von RiOLG Ernst Weller, Koblenz
AGS 7/2015, S. 332 - 333