Auf die Erinnerung der Erinnerungsführerin wird der Beschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle aufgehoben und die der Erinnerungsführerin durch die Erinnerungsgegnerin zu erstattende Vergütung festgesetzt. Die Erinnerungsführerin kann nach § 11 RVG grundsätzlich die Festsetzung der Vergütung durch das Gericht fordern.
Nach § 11 Abs. 1 S. 1 RVG setzt das Gericht des ersten Rechtszuges auf Antrag des Rechtsanwaltes Vergütungen fest, soweit die gesetzliche Vergütung, eine nach § 42 RVG festgestellte Pauschgebühr und die zu ersetzenden Aufwendungen (§ 670 BGB) zu den Kosten des gerichtlichen Verfahrens gehören.
Auch das isolierte Prozesskostenhilfeverfahren ist ein gerichtliches Verfahren i.S.d. § 11 Abs. 1 S. 1 RVG, selbst wenn sich daran kein gerichtlicher Rechtsstreit in der Hauptsache – z.B. ein Klageverfahren – anschließt (OLG Koblenz, Beschl. v. 30.8.2002 – 14 W 506/02, JurBüro 2002, 588 [= AGS 2003, 105]; LG Osnabrück, Beschl. v. 15.8.2002 – 9 T 766/02, NdsRpfl. 2003, 72; AG Koblenz, Beschl. v. 14.10.2004 – 40 UR IIa 548/04, FamRZ 2005, 1267; Ahlmann, in: Riedel/Sußbauer, RVG, 10. Aufl. 2015, § 11 RVG Rn 14; Baumgärtel, in: Baumgärtel/Hergenröder/Houben, RVG, 15. Aufl., § 11 RVG Rn 11; Hartung/Schons/Enders, RVG, § 11 RVG Rn 7; Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, 21. Aufl., § 11 RVG Rn 13 Stichwort "Verfahrensbevollmächtigter").
Teilweise wird zwar angenommen, dass eine Vergütungsfestsetzung erst möglich sei, wenn wenigstens ein das Hauptverfahren (Klage, Antrag auf einstweiligen gerichtlichen Rechtsschutz, etc.) einleitender Antrag gestellt wurde (Hartmann, KostG, 44. Aufl., § 11 RVG Rn 41). Diese Einschätzung, dass das Prozesskostenhilfeverfahren selbst – also für sich allein – kein gerichtliches Verfahren i.S.d. § 11 RVG sein könne, dürfte letztlich auf die Ausgestaltung des früheren § 19 BRAGO zurückgehen. Nach dieser Vorschrift, die bis zum Inkrafttreten des RVG am 1.7.2004 Grundlage für das Verfahren war, konnte eine Vergütungsfestsetzung nur erfolgen, wenn der Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigter, Beistand, Unterbevollmächtigter oder Verkehrsanwalt tätig war (§ 19 Abs. 1 BRAGO, der bis zum Inkrafttreten des § 11 RVG am 1.7.2004 galt, hatte folgenden Wortlaut: Die gesetzliche Vergütung, die dem Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigten, Beistand, Unterbevollmächtigten oder Verkehrsanwalt [§ 52 BRAGO] zusteht, wird auf Antrag des Rechtsanwalts oder des Auftraggebers durch das Gericht des ersten Rechtszuges festgesetzt. Getilgte Beträge sind abzusetzen). Prozessbevollmächtigter sei ein Rechtsanwalt aber nur dann, wenn er eine Prozessvertretung i.S.v. § 62 Abs. 1 S. 1 FGO ausübe, d.h. wenn er in einem rechtshängig gemachten Gerichtsverfahren (§ 66 FGO) tätig werde. Das Prozesskostenhilfeverfahren sei kein Rechtsstreit in dem genannten Sinne und eine Vergütungsfestsetzung daher ausgeschlossen (vgl. z.B. LG Tübingen, Beschl. v. 11.10.1952 – 2 OH 235/51, NJW 1953, 751 [zu § 86a RAGebO, der die Vergütungsfestsetzung in "bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten" regelte]; vgl. auch [dieser Auffassung nicht folgend]: KG, Beschl. v. 6.4.1982 – 1 WF 1258/82, JurBüro 1982, 1185, 1187). Da eine Prozessbevollmächtigung den Auftrag für die "Führung des Rechtsstreites im Ganzen" voraussetze, sei der nur für das Prozesskostenhilfeverfahren beauftragte Rechtsanwalt kein Prozessbevollmächtigter i.S.v. § 19 BRAGO, sodass die Vergütungsfestsetzung ausgeschlossen sei (Fraunholz, in: Riedel/Sußbauer, BRAGO, 8. Aufl., § 19 BRAGO Rn 15).
Der Umstand, dass das Prozesskostenhilfeverfahren nicht die Rechtshängigkeit begründet oder voraussetzt und ebenso wenig ein kontradiktorisches Streitverfahren ist, ändert indes nichts daran, dass es sich um ein "besonderes, in sich geschlossenes gerichtliches Verfahren" handelt und eine Vergütungsfestsetzung unter diesem Gesichtspunkt möglich ist (OLG Koblenz, Beschl. v. 30.8.2002 – 14 W 506/02, JurBüro 2002, 588 [zu § 19 BRAGO]; Mümmler, Die Kostenfestsetzung nach § 19 BRAGO, JurBüro 1981, Sp. 641, 643). Ein gerichtliches Verfahren liegt nämlich bereits dann vor, wenn das Gericht durch die Tätigkeit des Rechtsanwaltes in Anspruch genommen worden ist (so ausdrücklich: OLG Koblenz, Beschl. v. 1.2.1979 – 14 W 6/79, JurBüro 1979, Sp. 1315). Diese Voraussetzung ist erfüllt, denn die Antragstellung erfolgt nach § 117 Abs. 1 S. 1 ZPO bei dem "Prozessgericht" und nicht etwa bei dem Sozialhilfeträger (Hilfe in der besonderen Lebenslage "Prozess"). Selbst wenn man angesichts der Verwendung des Begriffes des Prozessbevollmächtigten für den Anwendungsbereich des § 19 BRAGO die Rechtshängigkeit des Rechtsstreites in der Hauptsache (Klage, Antrag auf einstweiligen gerichtlichen Rechtsschutz) voraussetzen wollte, kann diese Gesetzesauslegung nicht auf § 11 Abs. 1 S. 1 RVG übertragen werden. Dem steht entgegen, dass die (frühere) Aufzählung der anwaltlichen Funktionen in § 19 BRAGO nicht in § 11 Abs. 1 RVG übernommen worden ist. Dieser Umstand spricht nachhaltig dafür, dass eine Vergütungsfestsetzung nunmeh...