Leitsatz
- Für die Abrechnung einer Geschäftsreise des beigeordneten Verteidigers ist im Regelfall auf die Strecke zwischen Kanzlei- und Gerichtssitz abzustellen.
- Dies gilt auch, wenn der beigeordnete Verteidiger zu dem Gerichtstermin direkt von seinem Wohnsitz aus anreist; lediglich wenn der Wohnsitz näher am Gerichtsort liegt, kann der beigeordnete Verteidiger nur die tatsächlich gefahrene (kürzere) Strecke abrechnen.
OLG Karlsruhe, Beschl. v. 24.2.2016 – 3 Ws 409/15
1 Sachverhalt
Der dem Angeklagten als Pflichtverteidiger beigeordnete Beschwerdeführer beantragte Vorschüsse auf die ihm aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung, wobei er jeweils Hin-und Rückfahrtkosten für die Fahrten zwischen seinem Wohnsitz in Stuttgart und dem Gerichtsort Mannheim als Reisekosten geltend machte. Diese Anträge verbeschied die Rechtspflegerin mit zwei Festsetzungsbeschlüssen und erkannte dabei jeweils nur Reisekosten für die Strecke zwischen dem Kanzleisitz des Beschwerdeführers in Pforzheim und dem Gerichtsort Mannheim an. Der Beschwerdeführer ging (u.a.) hiergegen mit der Erinnerung vor, der die Rechtspflegerin – nach Anhörung der Bezirksrevisorin – insoweit nicht abhalf. Mit dem angefochtenen Beschl. v. 25.8.2015 wies die Kammer – durch den Einzelrichter – die Erinnerung zurück. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Rechtsanwaltes, der das LG nicht abhalf.
2 Aus den Gründen
Die Beschwerde ist unbegründet, weil dem Beschwerdeführer nur Fahrtkosten für die Strecke zwischen seinem Kanzleisitz in Pforzheim und dem Gerichtsort Mannheim als Geschäftsreisekosten i.S.v. Vorbem. 7 Abs. 2 i.V.m. Nr. 7003 VV zu erstatten sind. Einen Anspruch auf Erstattung der – darüber hinausgehenden – Kosten für die Fahrten von/zu seinem Wohnsitz in Stuttgart hat er dagegen nicht.
Fahrten zwischen der Wohnung des Rechtsanwaltes und seiner Kanzlei unterfallen nicht dem Begriff der Geschäftsreise, da sie allgemein der Aufnahme der anwaltlichen Tätigkeit dienen und nicht einem besonderen Geschäft zuzuordnen sind (vgl. Mayer/Kroiß-Ebert, RVG, 6. Aufl., Rn 8 zu Vorbem. 7). Die Kosten für Fahrten zwischen Wohn- und Kanzleisitz stellen deshalb allgemeine Geschäftskosten dar, welche nach Vorbem. 7 Abs. 1 VV bereits mit den Gebühren abgegolten sind (vgl. Hartung/Schons/Enders, RVG, 2. Aufl., vor Nr. 7000 VV Rn 15) und nicht als Reisekosten, also als Auslagen i.S.v. §§ 1 Abs. 1 S. 1, 46 Abs. 1 RVG, abgerechnet werden können (vgl. Schneider/Wolf, AnwK-RVG, 7. Aufl., Rn 41 zu Vorbem. 7). Ausgehend von dieser Systematik der Trennung von Gebühren und Auslagen ist bei der Berechnung der Fahrkosten für eine Geschäftsreise i.d.R. nicht auf den Wohnsitz des Rechtsanwalts, sondern auf die Strecke zwischen Kanzleisitz, wohin der Rechtsanwalt in aller Regel an Wochentagen ohnehin fährt, und dem Ort des Gerichtstermins abzustellen (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 6.11.1990 – 2 Ws 441/90; Gerold/Schmidt, RVG, 22. Aufl., Rn 18 zu 7003–7006 VV; Hartmann, KostG, 45. Aufl., Rn 19 zu 7003–7006 VV). Dafür, dass für die Berechnung der Reisekosten grundsätzlich der Kanzlei- und nicht der Wohnsitz maßgeblich ist, spricht zudem, dass die Kanzlei der Mittelpunkt seiner beruflichen Tätigkeit ist; wenn der Rechtsanwalt allerdings von seinem näher am Gerichtsort gelegenen Wohnsitz zum Gerichtstermin fährt, kann er lediglich die gefahrene (kürzere) Strecke abrechnen, da nur tatsächlich angefallene Auslagen geltend gemacht werden können.
Ausgehend von diesem Maßstab, der sich neben der Systematik der Auslagenerstattung auch aus dem – allgemein für das Kostenrecht und über § 46 Abs. 1 RVG auch konkret für die Reisekostenvergütung geltenden – Grundsatz der Kostensparsamkeit ergibt, stehen dem Beschwerdeführer lediglich die (Reise-) Kosten für die Strecke zwischen seiner Kanzlei in Pforzheim und dem Gerichtsort Mannheim zu. Entgegen der Auffassung der Beschwerde wird damit von dem Pflichtverteidiger weder verlangt, dass er je nach Gericht seinen Wohnort ändert, noch dass er vor Verhandlungstagen in seiner Kanzlei übernachtet. Dem Rechtsanwalt steht es weiterhin vollkommen frei, Wohn- und Kanzleisitz in unterschiedlichen – gegebenenfalls weit voneinander entfernten – Gemeinden zu nehmen und von seinem Wohnsitz aus direkt zum Gerichtstermin anzureisen. Er kann nur die zwischen Wohn- und Kanzleisitz liegende Strecke nicht als Kosten einer Geschäftsreise geltend machen und hat deshalb i.d.R. die Strecke von/zu seinem Kanzleisitz abzurechnen. Diesem Ergebnis steht auch nicht der vom Beschwerdeführer zitierte – allerdings eine andere Fallkonstellation (Fahrt vom Kanzleisitz zu einem Gerichtstermin am Wohnort des Rechtsanwalts) behandelnde – Beschluss des OLG Düsseldorf v. 23.2.2012 (NJW-RR 2012, 764 [= AGS 2012, 432]) entgegen; auch dort wurden die angefallenen Kosten für die Strecke zwischen Kanzlei- und Gerichtsort zugesprochen.
AGS 7/2016, S. 332 - 333