Leitsatz (amtlich)
Für die Abrechnung einer Geschäftsreise des beigeordneten Verteidigers ist im Regelfall auf die Strecke zwischen Kanzlei- und Gerichtssitz abzustellen. Dies gilt auch, wenn der beigeordnete Verteidiger zu dem Gerichtstermin direkt von seinem Wohnsitz aus anreist; lediglich wenn der Wohnsitz näher am Gerichtsort liegt, kann der beigeordnete Verteidiger nur die tatsächlich gefahrene (kürzere) Strecke abrechnen.
Gründe
I. Der dem Angekl. als Pflichtverteidiger beigeordnete Beschwerdeführer beantragte mit Schreiben vom 11. und 17.6.2015 Vorschüsse auf die ihm aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung, wobei er jeweils Hin- und Rückfahrtkosten für die Fahrten zwischen seinem Wohnsitz in Stuttgart und dem Gerichtsort Mannheim als Reisekosten geltend machte. Diese Anträge verbeschied die Rechtspflegerin mit zwei Festsetzungsbeschlüssen vom 24.7.2015 und erkannte dabei jeweils nur Reisekosten für die Strecke zwischen dem Kanzleisitz des Beschwerdeführers in Pforzheim und dem Gerichtsort Mannheim an. Der Beschwerdeführer ging (u.a.) hiergegen mit der Erinnerung vor, der die Rechtspflegerin - nach Anhörung der Bezirksrevisorin - insoweit nicht abhalf. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 25.8.2015 wies die Kammer - durch den Einzelrichter - die Erinnerung zurück. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Rechtsanwaltes, der das LG nicht abhalf. Mit Beschluss vom 27.1.2016 wurde das Beschwerdeverfahren wegen der grundsätzlichen Bedeutung auf den Senat übertragen (§§ 33 Abs. 8 Satz 2, 56 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 RVG).
II. Die Beschwerde ist gem. §§ 55, 56 Abs. 1, Abs. 2, 33 Abs. 3 und Abs. 4 RVG statthaft, fristgerecht eingelegt und auch ansonsten zulässig. Sie hat aber in der Sache keinen Erfolg.
1.Entgegen der Rechtsauffassung des Beschwerdeführers ist der Beschluss des LG nicht aufzuheben, weil der nach § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG zuständige Einzelrichter von einer Übertragung des Verfahrens auf die Kammer nach Abs. 8 Satz 2 der genannten Vorschrift abgesehen hat. Gem. § 33 Abs. 8 Satz 4 RVG kann auf eine unterlassene Übertragung ein Rechtsmittel nicht gestützt werden.
2.Die Beschwerde ist unbegründet, weil dem Beschwerdeführer nur Fahrtkosten für die Strecke zwischen seinem Kanzleisitz in Pforzheim und dem Gerichtsort Mannheim als Geschäftsreisekosten i.S.v. RVG VV-Vorbem. 7 Abs. 2 i.V.m. VV Nr. 7003 zu erstatten sind. Einen Anspruch auf Erstattung der - darüber hinausgehenden - Kosten für die Fahrten von/zu seinem Wohnsitz in Stuttgart hat er dagegen nicht.
Fahrten zwischen der Wohnung des Rechtsanwaltes und seiner Kanzlei unterfallen nicht dem Begriff der Geschäftsreise, da sie allgemein der Aufnahme der anwaltlichen Tätigkeit dienen und nicht einem besonderen Geschäft zuzuordnen sind (vgl. Mayer/Kroiß-Ebert, RVG, 6. Aufl., Rdn. 8 zu Vorbemerkung 7). Die Kosten für Fahrten zwischen Wohn- und Kanzleisitz stellen deshalb allgemeine Geschäftskosten dar, welche nach RVG VV-Vorbem. 7 Abs. 1 bereits mit den Gebühren abgegolten sind (vgl. Hartung/Schons/Enders, RVG, 2. Aufl., vor Nr. 7000 VV Rdn. 15) und nicht als Reisekosten, also als Auslagen i.S.v. §§ 1 Abs. 1 Satz 1, 46 Abs. 1 RVG, abgerechnet werden können (vgl. Schneider/Wolf, AnwaltKommentar RVG, 7. Aufl., Rdn. 41 zu Vorbemerkung 7). Ausgehend von dieser Systematik der Trennung von Gebühren und Auslagen ist bei der Berechnung der Fahrkosten für eine Geschäftsreise i.d.R. nicht auf den Wohnsitz des Rechtsanwalts, sondern auf die Strecke zwischen Kanzleisitz, wohin der Rechtsanwalt in aller Regel an Wochentagen ohnehin fährt, und dem Ort des Gerichtstermins abzustellen (vgl. OLG Hamm, B. v. 6.11.1990 - 2 Ws 441/90; Gerold/Schmitt, RVG, 22. Aufl., Rdn. 18 zu 7003-7006 VV; Hartmann, Kostengesetze, 45. Aufl., Rdn. 19 zu 7003-7006 VV). Dafür, dass für die Berechnung der Reisekosten grundsätzlich der Kanzlei- und nicht der Wohnsitz maßgeblich ist, spricht zudem, dass die Kanzlei der Mittelpunkt seiner beruflichen Tätigkeit ist; wenn der Rechtsanwalt allerdings von seinem näher am Gerichtsort gelegenen Wohnsitz zum Gerichtstermin fährt, kann er lediglich die gefahrene (kürzere) Strecke abrechnen, da nur tatsächlich angefallene Auslagen geltend gemacht werden können.
Ausgehend von diesem Maßstab, der sich neben der Systematik der Auslagenerstattung auch aus dem - allgemein für das Kostenrecht und über § 46 Abs. 1 RVG auch konkret für die Reisekostenvergütung geltenden - Grundsatz der Kostensparsamkeit ergibt, stehen dem Beschwerdeführer lediglich die (Reise-) Kosten für die Strecke zwischen seiner Kanzlei in Pforzheim und dem Gerichtsort Mannheim zu. Entgegen der Auffassung der Beschwerde wird damit von dem Pflichtverteidiger weder verlangt, dass er je nach Gericht seinen Wohnort ändert, noch dass er vor Verhandlungstagen in seiner Kanzlei übernachtet. Dem Rechtsanwalt steht es weiterhin vollkommen frei, Wohn- und Kanzleisitz in unterschiedlichen - gegebenenfalls weit voneinander entfernten - Gemeinden zu nehmen und von seinem Wohnsitz aus direkt zum Gerichtstermi...