Leitsatz

  1. Der Rechtsschutzversicherer ist verpflichtet, auch die Kosten der Prüfung für die Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels zu übernehmen.
  2. Der Antrag auf Deckungsschutz kann auch nachträglich gestellt werden.

AG Saarbrücken, Urt. v. 10.3.2016 – 121 C 374/15 (13)

1 Sachverhalt

Der Kläger hatte, nachdem sein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung durch Urt. v. 8.5.2015 zurückgewiesen worden war, seinen Prozessbevollmächtigten mit der Prüfung der Aussicht eines Rechtsmittels dagegen beauftragt. Zur Einlegung des Rechtsmittels kam es aber nicht mehr, da der Rechtsanwalt zum Ergebnis kam, dass dieses keine Aussicht auf Erfolg habe. Daraufhin hat der Rechtsanwalt seine Rechnung für die Prüfungstätigkeit beim Rechtsschutzversicherer des Klägers eingereicht. Dieser verweigerte jedoch den Ausgleich der Rechnung. Die daraufhin erhobene Klage hatte Erfolg.

2 Aus den Gründen

1. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Leistung gegen die Beklagte aus dem zwischen den Parteien bestehenden Rechtsschutzversicherungsvertrag zu.

a) Hiernach ist die Beklagte verpflichtet, die gesetzliche Vergütung eines zur Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers tätigen Rechtsanwalts zu tragen (§§ 1, 2 ARB 1975/2008).

(1) Vorliegend hat der Kläger, nachdem das einstweilige Verfügungsverfahren vor dem LG für ihn mit einer Zurückweisung seines Antrags durch Urteil geendet hatte, seinen Prozessbevollmächtigten mit der Prüfung der Aussicht eines Rechtsmittels, d.h. mit der Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen beauftragt. … (wird ausgeführt) …

(2) Der Prüfungsauftrag hinsichtlich der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels stellt, da die erste Instanz mit dem Urt. v. 8.5.2015 beendet war, eine eigene Angelegenheit dar.

b) Die Beklagte ist auch nicht aufgrund Obliegenheitsverletzung des Klägers nach § 15 Abs. 1b) cc), Abs. 2 der ARB 1975/2008 von ihrer Leistungspflicht freigeworden.

Denn zwar sind hiernach Maßnahmen, die Kosten auslösen, mit dem Versicherer abzustimmen. Eine vorherige Abstimmung des Klägers mit der Versicherung ist unstreitig nicht erfolgt.

Vorliegend steht allerdings fest, dass die Verletzung dieser Pflicht weder für den Eintritt noch die Feststellung des Rechtsschutzfalles bzw. den Umfang der Versicherungsleistung ursächlich war. Denn die Beklagte hätte die Kosten für die Prüfung, ob eine Berufung Aussicht auf Erfolg bietet, auch wenn der Kläger dies ihr vor Beauftragung seines Rechtsanwalts mitgeteilt hätte, jedenfalls tragen müssen. Mit einer Einschätzung der Beklagten über die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels hätte der Kläger sich nicht zufrieden geben müssen. Dies folgt auch im Umkehrausschluss aus § 17 der ARB. Hiernach kann der Versicherer zwar, wenn er der Auffassung ist, dass die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder nicht nötig erscheint, seine Leistungspflicht verneinen. Ist dies der Fall und der Versicherungsnehmer anderer Auffassung, so kann der Versicherungsnehmer den für ihn tätigen oder noch zu beauftragenden Rechtsanwalt auf Kosten des Versicherers veranlassen, dem Versicherer gegenüber eine begründete Stellungnahme abzugeben. Hieraus folgt, dass die Beklagte zwar berechtigt ist, ihre Leistungspflicht zu verneinen, diese Verneinung sich aber gerade nicht auf die Prüfung der Erfolgsaussichten durch einen Rechtsanwalt erstreckt; die Kosten hierfür sind vom Versicherer jedenfalls zu tragen.

Mitgeteilt von RA und FAVerkR Ingo Witte, St. Ingbert

3 Anmerkung

Die Entscheidung ist in jeder Hinsicht zutreffend.

Die Vergütung des Anwalts für die Prüfung der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels richtet sich nach den Nrn. 2100 ff. VV. Dem Anwalt darf allerdings noch kein unbedingter Prozessauftrag für das Rechtsmittelverfahren erteilt worden sein (arg e Vorbem. 3 Abs. 1 VV). Anderenfalls wird seine Tätigkeit durch die entsprechende Verfahrensgebühr des Rechtsmittelverfahrens erfasst, die auch eine Prüfung mit abgilt (Vorbem. 3 Abs. 2 VV; § 19 Abs. 1 S. 1 RVG).

Anzuwenden sind die Gebühren auch dann, wenn der Mandant bereits den Auftrag zum Rechtsmittel für den Fall erteilt hatte, dass der Anwalt zu dem Ergebnis komme, es bestehe Aussicht auf Erfolg. Insoweit liegt nur ein bedingter Rechtsmittelauftrag vor, der gem. § 158 Abs. 1 BGB erst mit dem Eintritt der Bedingung (positives Prüfungsergebnis) wirksam wird.[1] Soweit der Anwalt vom Rechtsmittel abrät, kommt mangels Bedingungseintritts der Rechtsmittelauftrag nicht zu Stande, so dass es bei der (anrechnungsfreien) Vergütung nach den Nrn. 2100 ff. VV verbleibt. Kommt der Anwalt dagegen zu einem positiven Prüfungsergebnis, wird der Rechtsmittelauftrag wirksam, so dass hierdurch die Verfahrensgebühr des jeweiligen Rechtsmittels entsteht. Die Prüfungsgebühr ist dann auf die Gebühr des Rechtsmittelverfahrens anzurechnen.

Ob der mit der Prüfung beauftragte Anwalt im vorangegangenen Verfahren bereits als Verfahrensbevollmächtigter beauftragt war, ist – anders als noch in § 20 Abs. 2 BRAGO – unerheblich. Die Gebühren nach den Nrn. 2100 f...

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