Leitsatz
Werden von mehreren Geschädigten verschiedene Schadensersatzansprüche geltend gemacht, so liegt für den Anwalt, der die Geschädigten gemeinsam vertritt, nur eine Gebührenangelegenheit vor.
BGH, Beschl. v. 24.3.2016 – III ZB 116/15
1 Sachverhalt
Die Parteien streiten über die Berechnung der Anwaltsgebühren in einer Wildschadenssache.
Die Beklagten sind Landwirte und bewirtschaften jeweils Flächen in der Gemarkung W. Diese gehören zu dem Jagdbezirk, für welchen der Kläger als Pächter in dem mit der Jagdgenossenschaft abgeschlossenen Pachtvertrag die Verpflichtung zum Wildschadensersatz übernommen hat. In den Wintermonaten 2012/2013 waren auf einer Reihe von Flurstücken Schäden durch Rotwild und in geringem Umfang auch durch Schwarzwild entstanden. Die Beklagten meldeten die Schäden bei der zuständigen Verbandsgemeinde an. Daraufhin fand ein Ortstermin auf den betroffenen Flurstücken zur Schadensbesichtigung und -schätzung statt. Die Verbandsgemeinde erließ unter demselben Aktenzeichen gegen den Kläger bezüglich des Wildschadens des Beklagten zu 1) einen Vorbescheid über 8.721,58 EUR und bezüglich des Wildschadens des Beklagten zu 2) einen Vorbescheid über 5.915,90 EUR. Der Kläger erhob daraufhin gegen beide Beklagte gemeinsam Klage vor dem AG mit dem Ziel der Aufhebung der Vorbescheide und der Feststellung, dass er nicht verpflichtet sei, den Wildschaden zu ersetzen. Die Beklagten ließen sich im Verfahren von demselben Prozessbevollmächtigten vertreten. Die von ihnen in der Klageerwiderung beantragte Trennung in zwei Verfahren lehnte das AG ab. Hierfür bestehe "im Hinblick auf § 60 ZPO keine Veranlassung, weil die Ansprüche im Wesentlichen gleichartig sind und deshalb aus ökonomischen Gründen in einem Prozess geltend gemacht werden können". Das AG wies die Klage ab und setzte den Streitwert auf 14.637,48 EUR fest. Gegen das Urteil legte der Kläger Berufung ein. Im Berufungsverfahren schlossen die Parteien einen Vergleich. Danach verpflichtete sich der Kläger, 7.000,00 EUR an den Beklagten zu 1) und 4.500 EUR an den Beklagten zu 2) zu zahlen. Von den Kosten des Rechtsstreits sollten der Kläger 80 %, die Beklagten als Gesamtschuldner 20 % tragen.
Die Beklagten haben anschließend für beide Instanzen Anträge auf Kostenfestsetzung gestellt und hierbei jeweils getrennte Gebühren für den Beklagten zu 1) nach einem Streitwert von 8.721,58 EUR und für den Beklagten zu 2) nach einem Streitwert von 5.915,90 EUR geltend gemacht. Das AG (Rechtspflegerin) hat die vom Kläger an die Beklagten als Gesamtgläubiger zu ersetzenden Kosten auf 997,90 EUR für die 1. Instanz und auf 1.900,72 EUR für die 2. Instanz festgesetzt. Hierbei ist das AG davon ausgegangen, dass der Prozessbevollmächtigte der Beklagten i.S.d. § 15 Abs. 2 RVG in derselben Angelegenheit tätig geworden sei und die Gebühren deshalb nur einmal, insoweit aber gem. § 22 Abs. 1 RVG nach dem kumulierten Streitwert von 14.637,48 EUR angefallen seien. Die gegen diese Beschlüsse eingelegte Beschwerde hat das LG zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde der Beklagten.
2 Aus den Gründen
Die zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die Instanzgerichte sind rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass es sich bei der anwaltlichen Vertretung der Beklagten um dieselbe Angelegenheit handelt.
Nach § 7 Abs. 1, § 15 Abs. 2 RVG kann der Rechtsanwalt in derselben Angelegenheit die Gebühren nur einmal fordern, auch wenn er für mehrere Auftraggeber tätig wird. Bezieht sich die Angelegenheit auf mehrere Gegenstände, werden deren Werte zusammengerechnet (§ 22 Abs. 1 RVG).
Ob von einer oder mehreren Angelegenheiten auszugehen ist, lässt sich nicht allgemein, sondern nur im Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände beantworten, wobei insbesondere der Inhalt des erteilten Auftrags maßgeblich ist. Weisungsgemäß erbrachte anwaltliche Leistungen betreffen in der Regel dieselbe Angelegenheit, wenn zwischen ihnen ein innerer Zusammenhang besteht und sie sowohl inhaltlich als auch in der Zielrichtung so weitgehend übereinstimmen, dass von einem einheitlichen Rahmen anwaltlicher Tätigkeit gesprochen werden kann (vgl. nur Senat, Beschl. v. 17.12.2015 – III ZB 61/15, juris Rn 3 [= AGS 2016, 61]; BGH, Urt. v. 21.6.2011 – VI ZR 73/10, NJW 2011, 3167 Rn 9 ff. und v. 8.5.2014 – IX ZR 219/13, NJW 2014, 2126 Rn 14 [= AGS 2014, 263]). Hierbei setzt die Annahme einer Angelegenheit nicht voraus, dass der Anwalt nur eine Prüfungsaufgabe zu erfüllen hat. Von einem einheitlichen Rahmen kann vielmehr auch dann gesprochen werden, wenn der Anwalt verschiedene, in ihren Voraussetzungen voneinander abweichende Anspruchsgrundlagen zu prüfen oder mehrere getrennte Prüfungsaufgaben zu erfüllen hat. Die Angelegenheit ist dabei vom Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit abzugrenzen, der das konkrete Recht oder Rechtsverhältnis bezeichnet, auf das sich die anwaltliche Tätigkeit bezieht. Eine Angelegenheit kann insoweit mehrere Gegenstände umfassen. Es ist grundsätzlich ausreichend...