Leitsatz
Die Kosten eines außerhalb des Gerichtsbezirks ansässigen Anwalts für die Anreise zum Gerichtsort sind nicht in Höhe der (fiktiven) Kosten für eine Anreise vom am weitesten entfernten Ort innerhalb des Gerichtsbezirks, sondern grundsätzlich nur in Höhe der (fiktiven) Kosten erstattungsfähig, die einem am Sitz der Partei ansässigen Anwalt für eine solche Anreise entstanden wären.
OLG Frankfurt, Beschl. v. 16.11.2015 – 6 W 100/15
1 Aus den Gründen
Die nach der Teilabhilfeentscheidung weiterverfolgte Beschwerde ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Wie die Rechtspflegerin zutreffend angenommen hat, sind die einem außerhalb des Gerichtsbezirks ansässigen Prozessbevollmächtigten entstandenen Kosten für die Anreise zum Prozessgericht grundsätzlich nur in Höhe der (fiktiven) Kosten für die Anreise vom Sitz der Partei erstattungsfähig. Dies entspricht der ständigen Rspr. insbesondere auch des I. Zivilsenats des BGH (vgl. etwa BGH MDR 2012, 191 – Rechtsanwalt an einem dritten Ort, juris Rn 9) sowie des erkennenden Senats (vgl. zuletzt Beschl. v. 26.5.2015 – 6 W 39/15, juris Rn 3).
Soweit einzelne Gerichte (vgl. LG Düsseldorf NJW 2015, 2670 [OLG Celle v. 22.6.2015 – 2 W 150/15 [= AGS 2015, 442]]; OLG Frankfurt a.M., 25. Zivilsenat, Beschl. v. 23.3.2015 – 25 W 17/15) demgegenüber die Auffassung vertreten, in einem solchen Fall seien die Reisekosten zumindest in Höhe der (fiktiven) Kosten für eine Anreise vom am weitesten entfernten Ort innerhalb des Gerichtsbezirks erstattungsfähig, vermag dies aus den vom OLG Celle in der Entscheidung NJW 2015, 386 im Einzelnen dargelegten Gründen nicht zu überzeugen. Die Vorschrift des § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO regelt die Erstattungsfähigkeit der Reisekosten eines im Gerichtsbezirk ansässigen Rechtsanwalts und ist daher auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Aus der genannten Vorschrift kann auch unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit oder der Gleichbehandlung kein Schluss darauf gezogen werden, dass die einem außerhalb des Gerichtsbezirks ansässigen Rechtsanwalt entstandenen Reisekosten in jedenfalls der gleichen Höhe erstattungsfähig sein müssen wie einem am Rand des Gerichtsbezirks ansässigen Anwalt. Wie das OLG Celle überzeugend ausgeführt hat (a.a.O., Rn 13), soll § 92 Abs. 2 S. 1 ZPO lediglich die im Gerichtsbezirk ansässigen Anwälte hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit ihrer Reisekosten zum Gerichtsort gleichstellen. Für die Erstreckung dieser Gleichstellung auf nicht im Gerichtsbezirk ansässige Anwälte besteht nach dem Inhalt der Regelung kein Anlass.
Eine Übertragung der Sache auf den Senat in der nach § 115 GVG vorgesehenen Besetzung (§ 538 S. 2 ZPO) ist ebenso wenig veranlasst wie eine Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 574 Abs. 2 ZPO). Ungeachtet der dargestellten abweichenden Auffassung einzelner Gerichte besteht nach der Rspr. des BGH kein Zweifel daran (vgl. auch hierzu OLG Celle a.a.O., Rn 9), dass in Fällen der vorliegenden Art die Erstattung von Reisekosten über die Höhe der fiktiven Kosten für die Anreise vom Sitz der Partei hinaus nicht in Betracht kommt. Wenn die bisherigen Entscheidungen des BGH keine ausdrücklichen Ausführungen zu der dargestellten Gegenauffassung enthalten, beruht dies mit Sicherheit nicht darauf, dass der BGH die Vorschrift des § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO etwa bisher gar nicht zur Kenntnis genommen oder deren mögliche Bedeutung für die Beurteilung der hier zu beurteilenden Frage nicht in Betracht gezogen hätte. Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass der BGH der Vorschrift eine solche Bedeutung gerade nicht beimisst.
2 Anmerkung
Die Entscheidung ist in der Sache falsch. Zu Recht geht die ganz überwiegende Rechtsprechung davon aus, dass die Reisekosten eines Anwalts außerhalb des Gerichtsbezirks bis zur höchstmöglichen Entfernung innerhalb des Gerichtsbezirks erstattungsfähig sind:
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AG Kiel, Beschl. v. 14.2.2013 – 59 F 12/11 |
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AG Marbach am Neckar, Beschl. v. 6.11.2013 – 3 C 32/12 |
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LG Düsseldorf, Beschl. v. 18.12.2014 – 6 O 455/11 |
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OLG Schleswig, Beschl. v. 24.7.2015 – 9 W 26/15 |
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OLG Köln, Beschl. v. 25.11.2015 – 17 W 247/15 |
Entgegen der Auffassung des OLG Frankfurt hat der BGH diese Rechtsfrage nicht entschieden. Als Rechtsbeschwerdegericht ist der BGH nur dazu berufen, eine angefochtene Entscheidung im Rahmen der Rechtsbeschwerdebegründung zu überprüfen. Im dem zugrunde liegenden Verfahren war aber mit der Rechtsbeschwerde nur die Frage der Notwendigkeit zur Entscheidung gestellt worden, nicht die Frage des Umfangs. Abgesehen davon waren zur höchstmöglichen Entfernung innerhalb des Gerichtsbezirks keine Tatsachen vorgetragen worden, so dass der BGH als reines Rechtsbeschwerdegericht hier ohnehin keine Feststellungen hätte treffen können.
Die zutreffende Rechtsprechung – insbesondere des LG Düsseldorf und des OLG Schleswig – weist zu Recht darauf hin, dass anderenfalls in mehrfacher Hinsicht eine Ungleichbehandlung erfolgen würde. So ist es nicht nachzuvollziehen, dass ein Anwalt, dessen Kanzlei 100 km vom Gericht entfernt, aber noch im Geric...