Leitsatz
Im Fall einer wirksamen Abtretung der Vergütungsforderung gegenüber der Staats-/Landeskasse des beigeordneten Rechtsanwalts an eine Abrechnungsgesellschaft bzw. private anwaltliche Verrechnungsstelle fehlt dem Rechtsanwalt die Prozessführungsbefugnis und damit die Erinnerungs- und Beschwerdebefugnis, so dass der Rechtsbehelf des Rechtsanwalts gegen eine Vergütungsfestsetzung unzulässig ist.
LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 3.3.2016 – L 9 SO 462/14 B
1 Sachverhalt
Der im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt hat seine bestehenden und künftig entstehenden Vergütungsforderungen gegen die Staats-/Landeskasse an eine Abrechnungsgesellschaft/private anwaltliche Verrechnungsstelle (im Folgenden: Verrechnungsstelle) abgetreten.
Die Verrechnungsstelle beantragte vor dem SG unter Beifügung der ordnungsgemäßen Abtretungserklärung und Mitteilung der ausdrücklichen Einwilligung der Mandantschaft in die Abtretung die Festsetzung der Vergütung gegen die Landeskasse.
Der Abtretungserklärung nach sei die Verrechnungsstelle zur Geltendmachung der Vergütungsansprüche im eigenen Namen berechtigt; der Rechtsanwalt behalte im Innenverhältnis das Verfügungsrecht über die Forderung, Entscheide über die Berechnung der Vergütungsforderung sowie die Einleitung des gerichtlichen Einzugsverfahrens.
Die Vergütung wurde unter Gebührenkürzung festgesetzt und zur Anweisung gebracht.
Sodann legte der beigeordnete Rechtsanwalt gegen die Vergütungsfestsetzung des Urkundsbeamten des SG Erinnerung und im Weiteren Beschwerde gegen die im erstinstanzlichen Erinnerungsverfahren ergangene Entscheidung ein.
Das Beschwerdegericht hat die Beschwerde des Rechtsanwalts als unzulässig verworfen, da es bereits dem Erinnerungsführer an der Prozessführungsbefugnis fehle.
2 Aus den Gründen
Die Beschwerde des Erinnerungsführers ist – mangels Prozessführungsbefugnis für die vorliegende Beschwerde und auch schon für das Erinnerungsverfahren – unzulässig.
"Die Prozessführungsbefugnis ist von der Aktivlegitimation oder auch Sachbefugnis zu unterscheiden. Erstere ist die Berechtigung, einen Prozess als richtige Partei bzw. als richtiger Beteiligter im eigenen Namen zu führen, also – hier – als richtiger Erinnerungsführer/Beschwerdeführer (aktive Prozessführungsbefugnis) tätig zu werden (vgl. BSG, Urt. v. 23.5.2012 – B 14 AS 156/11 R, juris Rn 12 m.w.N.; vgl. auch BSG, Urt. v. 24.9.2002 – B 3 P 14/01 R, juris Rn 16 m.w.N.). Die Prozessführungsbefugnis setzt mit anderen Worten voraus, dass der Erinnerungsführer prozessual berechtigt ist, im eigenen Namen (also nicht als Vertreter eines anderen) den von ihm geltend gemachten Anspruch alleine (als alleiniger potentieller Rechtsinhaber) geltend zu machen (vgl. LSG Sachsen, Urt. v. 9.4.2015 – L 3 AS 1009/14, juris Rn 30). Sie kann fehlen, wenn jemand ein Recht im eigenen Namen geltend macht, das nicht ihm oder ihm nur gemeinsam mit anderen zusteht (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.11.2014 – 6 CN 1/13, juris Rn 26; vgl. auch BGH, Urt. v. 16.5.2013 – I ZR 28/12, juris Rn 18; siehe auch Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, Vor § 51 Rn 15)."
Die Aktivlegitimation fällt in der Regel mit der Prozessführungsbefugnis zusammen, es sei denn, Rechte eines Dritten können in zulässiger Prozessstandschaft verfolgt werden, nämlich in Folge einer Ermächtigung kraft Gesetzes (gesetzliche Prozessstandschaft) oder durch Einverständniserklärung des materiell Berechtigten.
Dem Erinnerungsführer fehlt durch eine wirksame Abtretung der Forderung die Prozessführungsbefugnis, zumal er nicht behauptet und schon gar nicht belegt, dass er gleichwohl ermächtigt sei, im Wege einer Prozessstandschaft eine fremde Forderung in eigenem Namen geltend zu machen (hierzu und insbesondere zur Notwendigkeit der "Ausdrücklichkeit" auch Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 54 Rn 11a, 11b; Böttiger, in: Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl. 2014, § 54 Rn 53 f.). Rechtsgrundlage für die Forderungsabtretung ist vorliegend nicht § 53 SGB I, sondern § 398 BGB.
Eine Rück-Abtretungsvereinbarung oder eine ähnliche Erklärung zwischen der Verrechnungsstelle und dem beigeordneten Rechtsanwalt liegt nicht vor.
Auch wenn der beigeordnete Rechtsanwalt im Innenverhältnis das Verfügungsrecht über die Forderung behalte, sei dies nach Ansicht des Gerichts unerheblich.
3 Anmerkung
Die Entscheidung des Beschwerdegerichts hinsichtlich der fehlenden Prozessführungsbefugnis ist zutreffend, sofern man von einer wirksamen Abtretung ausgeht. Demnach ist nur die Verrechnungsstelle rechtsbehelfsberechtigt.
Nicht angesprochen oder geprüft wurde hingegen gerade die Wirksamkeit der Abtretung der Vergütungsforderung.
Der Beschluss des Beschwerdegerichts stellt lediglich auf die Abtretungserklärung ab und vernachlässigt dabei offenkundig, dass bei einer Abtretung der anwaltlichen Vergütungsforderung an einen anderen als einen Rechtsanwalt nach § 49b Abs. 4 S. 2 BRAO eine ausdrückliche und schriftliche Einwilligungserklärung der Mandantschaft in die Abtretung vorliegen muss (Stichwort: Versch...