Leitsatz
Im Falle der Schadensregulierung nach einem wirtschaftlichen Totalschaden ist ein vom Geschädigten erzielter Restwert nicht beim Gegenstandswert (Erledigungswert) der zu ersetzenden Anwaltskosten in Abzug zu bringen.
AG Eschwege, Urt. v. 9.6.2016 – 2 C 143/16 (40)
1 Sachverhalt
Der Kläger war in einen Verkehrsunfall verwickelt, bei dem sein Fahrzeug wirtschaftlichen Totalschaden erlitten hatte Der eintrittspflichtige Haftpflichtversicherer des Unfallgegners leistete daraufhin Schadensersatz in Höhe des Wiederbeschaffungswerts abzüglich des vom Kläger für das Unfallwrack erzielten Restwerts. Hiernach beantragte der Kläger noch den Ersatz seiner Anwaltskosten, berechnet nach dem vollen Wiederbeschaffungswert ohne Abzug des Restwerts. Der Versicherer zog dagegen den Restwert bei Ermittlung des Gegenstandswerts ab. Die Klage auf den offenen Differenzbetrag hatte Erfolg.
2 Aus den Gründen
Die Klage ist zulässig und begründet. Die Klägerhaben gegen den Beklagten aus abgetretenem Recht einen Anspruch auf Ausgleich restlicher Rechtsanwaltsgebühren aus einer von den Klägern vorgenommenen Schadensregulierung. Für die Berechnung des Gegenstandswertes für die Inansatzbringung der Geschäftsgebühr ist die Klägerin zu Recht von einem Betrag in Höhe von 29.752,96 EUR ausgegangen. Zutreffend hat die Klägerin hierbei die Gesamtentschädigung in Höhe von 20.152,96 EUR – Schmerzensgeld und sonstige Schadensersatzansprüche – welche der Beklagte geleistet hat, sowie den in Abzug gebrachten Restwert von 9.600,00 EUR addiert. Die Richtigkeit dieses Vorgehens ergibt sich aus dem Gesetz (im Folgenden zitiert nach Doetsch, zfs 2013, 490). Gem. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB steht dem Geschädigten bei der Beschädigung einer Sache ein Ersatzanspruch zu. Anstatt einer Naturalrestitution kann der Geschädigte auch Ersatz in Geld verlangen. Es ist insoweit Ersatz zu leisten, als der Geldbetrag zu zahlen ist, der zur Wiederherstellung des Zustands notwendig ist, der ohne das schädigende Ereignis bestünde. Auf diese Weise wird ein Schadensausgleich ermöglicht, ohne dass der Geschädigte das verletzte Rechtsgut dem Schädiger zum Zwecke der Naturalrestitution anvertrauen muss. Zu Recht verweist die Klägerin darauf, dass der Geschädigte die beschädigte bzw. zerstörte Sache, wenn diese noch einen Restwert hat, dem Schädiger nach Zahlung des Wiederbeschaffungswertes herausgeben muss oder sich den Restwert der Sache, wenn er diese behalten will, anrechnen lassen muss. Wenn der Geschädigte statt der Naturalrestitution eine Geldentschädigung verlangt, muss er den vollen Schadensersatzbetrag verlangen können. Nach vollständigem Ausgleich des ursprünglichen Wertes der Sache hat der Schädiger dann einen Anspruch auf Herausgabe der Sache zum Zweck der Verwertung. Für die Höhe des Gegenstandswertes macht es deshalb keinen Unterschied, ob der Geschädigte die beschädigte Sache und den Restwert im eigenen Vermögen behält oder den vollen Geldbetrag verlangt und die beschädigte Sache dem Schädiger herausgibt. Das Wahlrecht des Geschädigten nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB hinsichtlich der Art und Weise der Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands bedeutet, dass auf den Schaden zum Zeitpunkt des Unfalls abzustellen ist, also im Falle eines Totalschadens auf den Wiederbeschaffungswert ohne Berücksichtigung des Restwertes.
Der Beklagte kann deshalb mit seiner Ansicht keinen Erfolg haben, der Restwert des Fahrzeugs müsse dem Schadensersatzanspruch als schadensmindernde Position entgegengehalten werden und die bereits geleistete Zahlung decke den in Rede stehenden Ersatzanspruch des Zedenten vollständig ab.
Der Einholung einer Stellungnahme der Rechtsanwaltskammer bedurfte es nicht, da es grundsätzlich zu den ureigenen Aufgaben des Gerichts gehört, rechtliche Aspekte zu prüfen und zu würdigen. Es handelt sich hier auch nicht um eine so spezielle Rechtsfrage, dass ausnahmsweise erforderlich gewesen wäre, auf die besondere Kompetenz der Rechtsanwaltskammer in Fragen des anwaltlichen Gebührenrechts zurückzugreifen.
Der Anspruch des Zedenten ist durch die Abtretungserklärung, die von der Klägerin angenommen wurde, auf die Klägerin übergegangen.
Mitgeteilt von RA, FAArbR u. FAVerkR Dirk Osthoff, Kassel
AGS 7/2016, S. 366 - 367