Leitsatz
Der Streitwert einer Klage, die auf Feststellung der widerrufsbedingten Beendigung eines Darlehensvertrags gerichtet ist, verändert sich nicht dadurch, dass der Darlehensnehmer im Laufe des Rechtsstreits weiterhin Darlehensraten zahlt.
KG, Beschl. v. 4.5.2016 – 26 W 18/16
1 Aus den Gründen
In der Sache hat die sofortige Beschwerde keinen Erfolg.
Denn das LG hat im Ergebnis zu Recht die im Laufe des Rechtsstreits von den Klägern an die Beklagte geleisteten Darlehensraten nicht streitwerterhöhend berücksichtigt. Dies ergibt sich aus Folgendem:
a) Der Wert von Klageanträgen, mit denen die Feststellung einer widerrufsbedingten Beendigung eines zwischen den Parteien geschlossenen Darlehensvertrages begehrt wird, richtet sich nach der Rspr. des BGH nach der Höhe der Forderung, die die Klagepartei gem. §§ 346 ff. BGB in Folge des Widerrufs beanspruchen zu können meint (BGH, Beschl. v. 4.3.2016 – XI ZR 39/15, Rn 2 zit. nach juris; BGH, Beschl. v. 12.1.2016 – XI ZR 366/15, Rn 6 ff. zit. nach juris [= AGS 2016, 182]).
b) Hinsichtlich der Frage, auf welchen Zeitpunkt bei der Bestimmung der Höhe der genannten Forderung abzustellen hat, ist der Rspr. des BGH nichts zu entnehmen; auch eine diesbezügliche obergerichtliche Rspr. ist nicht zu erkennen. Der Senat hält dafür, dass insofern gem. § 40 GKG auf den Zeitpunkt der Klageeinreichung abzustellen ist.
Denn nach dieser Vorschrift ist für eine Wertberechnung der Zeitpunkt der den Streitgegenstand betreffenden Antragstellung maßgebend, welche den Rechtszug einleitet. Der Streitgegenstand ist vorliegend das Feststellungsbegehren, nicht aber der – wirtschaftlich gegebenenfalls dahinter stehende und zu Zwecken der Bewertung des Feststellungsbegehrens herangezogene – Anspruch aus §§ 346 ff. BGB. Folglich führt eine im Laufe des Rechtsstreit erbrachte, weitere Zahlung von Darlehensraten und eine demgemäße Veränderung der Höhe des Anspruchs aus §§ 346 ff. BGB nicht zu einer Veränderung des Streitgegenstandes. Denn der Streitgegenstand wird nach gefestigter Rspr. bestimmt durch den Antrag und den ihm zugrunde liegenden Lebenssachverhalt (vgl. Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, Einleitung Rn 83 m. Rechtsprechungsnachweisen). Die weitere Zahlung von Darlehensraten verändert den Feststellungsantrag nicht; denn dieser ist unverändert auf die Feststellung der widerrufsbedingten Beendigung des Darlehensvertrages gerichtet. Ebensowenig verändert die weitere Zahlung von Darlehensraten den dem Antrag zugrunde liegenden Lebenssachverhalt; denn für die Wirksamkeit des Widerrufs und die Beendigung des Darlehensvertrages ist der Umstand, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe Darlehensraten gezahlt wurden, unerheblich.
c) Da die Zahlung von Darlehensraten lediglich für die Frage der Bewertung von Bedeutung ist, nicht aber für die Frage des Streitgegenstandes, war gem. § 40 GKG auch kein sog. Stufenstreitwert dergestalt festzusetzen, dass für die Berechnung der anwaltlichen Terminsgebühren ein anderer, höherer Wert festzusetzen war als für die Berechnung der Gerichtsgebühren und der anwaltlichen Verfahrensgebühren.
2 Anmerkung
Die Entscheidung ist insoweit zutreffend, als weitere Zahlungen nach Anhängigkeit gem. § 40 GKG den Streitwert nicht mehr beeinflussen können.
Fraglich ist aber, ob auch die Raten zu bewerten sind, die zwischen Widerruf und Anhängigkeit noch gezahlt werden.
Liest man die Entscheidung des BGH genau, so stellt man fest, dass er auf die Ansprüche des Klägers abstellt, die sich aus den §§ 346 ff. BGB ergeben, nämlich die Ansprüche auf Rückzahlung seiner bereits geleisteten Darlehensraten, und zwar zum Zeitpunkt des Widerrufs. Mit Widerruf des Darlehens entstehen die vorgenannten Ansprüche.
Zahlt der Darlehensnehmer aber auch nach Widerruf unter Vorbehalt weiterhin Raten, weil er nicht die außerordentliche Kündigung seines Darlehensvertrages riskieren will, falls der Widerruf nicht greift, so zahlt er diese Raten aus seiner Sicht ohne Rechtsgrund, weil seiner Auffassung nach der Vertrag ja nicht mehr besteht. Aus seiner Sicht ergeben sich daher auch keine Rückzahlungsansprüche nach den §§ 346 ff. BGB, sondern Rückzahlungsansprüche nach den §§ 812 ff. BGB. Auf diese Ansprüche hat der BGH aber bei der Streitwertbemessung nicht abgestellt.
Wenn man also die Rechtsprechung des BGH genau nimmt, dann dürften nur die bis zum Widerruf gezahlten Raten zu berücksichtigen sein und nicht die weiteren Raten zwischen Widerruf und Klageerhebung.
Häufig wird sich hier allerdings noch nicht einmal ein Gebührensprung ergeben, da in der Regel zeitnah nach Widerruf auch die Klage eingereicht wird.
Norbert Schneider
AGS 7/2016, S. 335