ZPO § 91 Abs. 2 S. 1; RVG VV Nrn. 7003 ff.
Leitsatz
Ist die Hinzuziehung eines auswärtigen Rechtsanwalts zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig i.S.v. § 91 Abs. 2 S. 1, 2. Hs. ZPO, führt dies lediglich dazu, dass die Mehrkosten, die gegenüber der Beauftragung von bezirksansässigen Prozessbevollmächtigten entstanden sind, nicht zu erstatten sind. Tatsächlich angefallene Reisekosten des auswärtigen Rechtsanwalts sind deshalb insoweit erstattungsfähig, als sie auch dann entstanden wären, wenn die obsiegende Partei einen Rechtsanwalt mit Niederlassung am weitest entfernt gelegenen Ort innerhalb des Gerichtsbezirks beauftragt hätte.
BGH, Beschl. v. 9.5.2018 – I ZB 62/17
1 Sachverhalt
Der Kläger ist ein in Düsseldorf ansässiger Verband, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben es gehört, die gewerblichen Interessen seiner Mitglieder zu wahren und im Zusammenwirken mit den zuständigen Stellen der Rechtspflege den lauteren Wettbewerb zu fördern. Er beauftragte in einem wettbewerbsrechtlichen Streit mit der Beklagten eine Düsseldorfer Rechtsanwältin, die für ihn den Rechtsstreit vor dem LG und dem OLG Frankfurt am Main führte. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht erkannte die Beklagte den Unterlassungsanspruch an. In dem daraufhin ergangenen Anerkenntnisurteil wurden der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.
Im Kostenfestsetzungsverfahren hat der Kläger beantragt, die Reisekosten seiner Düsseldorfer Prozessbevollmächtigten zum Verhandlungstermin in Frankfurt sowie Abwesenheitsgeld, hilfsweise die tatsächlich angefallenen Reisekosten bis zur höchstmöglichen Entfernung im LG- bzw. OLG-Bezirk Frankfurt am Main festzusetzen. Das LG hat dem Hauptantrag entsprochen. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten hat das OLG den Kostenfestsetzungsbeschluss aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das LG zurückverwiesen. Das LG hat die Reisekosten daraufhin im Kostenfestsetzungsbeschluss abgesetzt; fiktive Reisekosten seien nicht zu berücksichtigen. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Klägers ist ohne Erfolg geblieben.
Hiergegen richtet sich die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde des Klägers, mit der er seinen Hilfsantrag aus dem Kostenfestsetzungsverfahren weiter verfolgt.
2 Aus den Gründen
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO) und auch im Übrigen zulässig. In der Sache hat sie ebenfalls Erfolg. Die Beurteilung des Beschwerdegerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Gem. § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO sind Reisekosten eines Rechtsanwalts der obsiegenden Partei, der nicht im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, nur insoweit zu erstatten, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Bei der Prüfung der Notwendigkeit einer bestimmten Maßnahme ist eine typisierende Betrachtungsweise geboten. Denn der Gerechtigkeitsgewinn, der bei einer übermäßig differenzierenden Betrachtung im Einzelfall zu erzielen ist, steht in keinem Verhältnis zu den sich einstellenden Nachteilen, wenn in nahezu jedem Einzelfall darüber gestritten werden kann, ob die Kosten einer bestimmten Rechtsverfolgungs- oder Rechtsverteidigungsmaßnahme zu erstatten sind oder nicht (BGH, Beschl. v. 12.9.2013 – I ZB 40/13, juris Rn 5 m.w.N.; Beschl. v. 27.2.2018 – II ZB 23/16, WM 2018, 727 Rn 10).
Um notwendige Kosten einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung handelt es sich im Allgemeinen, wenn eine vor einem auswärtigen Gericht klagende oder verklagte Partei einen an ihrem Wohn- oder Geschäftsort ansässigen Rechtsanwalt mit ihrer Vertretung beauftragt. Eine Ausnahme besteht indessen, wenn schon im Zeitpunkt der Beauftragung des Rechtsanwalts feststeht, dass ein eingehendes Mandantengespräch für die Prozessführung nicht erforderlich sein wird (BGH, Beschl. v. 2.10.2008 – I ZB 96/07, GRUR 2009, 191 Rn 7 = WRP 2009, 67 – Auswärtiger Rechtsanwalt VII, m.w.N. [= AGS 2009, 304]). Das ist unter anderem regelmäßig dann der Fall, wenn es sich bei der fraglichen Partei – wie hier – um einen rechtsfähigen Verband zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen (§ 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG) handelt (BGH GRUR 2009, 191 Rn 8 f. – Auswärtiger Rechtsanwalt VII, m.w.N.).
Mit Recht hat das Beschwerdegericht danach in seinem auf die sofortige Beschwerde der Beklagten ergangenen Beschluss angenommen, dass es für den Kläger nicht notwendig war, mit der Verfolgung eines Wettbewerbsverstoßes (§ 3 UWG) eine Rechtsanwältin zu beauftragen, die nicht im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist. Ihre tatsächlichen Reisekosten zu den Prozessgerichten sind deshalb keine notwendigen Kosten einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung (vgl. BGH, Beschl. v. 21.9.2005 – IV ZB 11/04, NJW 2006, 301, 303 [= AGS 2006, 148]; BGH GRUR 2009, 191 Rn 9 – Auswärtiger Rechtsanwalt VII; BGH, Beschl. v. 12.12.2012 – IV ZB 18/12, NJW-RR 2013, 242 Rn 14). Dementsprechend verfolgt der Kläger mit seiner ...