Die wunderbare Erträglichkeit des Selbstverständlichen (frei nach Milan Kundera):
Bedarf eine gerichtliche Entscheidung, die Selbstverständlichkeiten enthält, einer Veröffentlichung und, wenn ja, bedürfen solche Urteile noch einer Anmerkung oder einer Kommentierung?
Die erste Frage lässt sich sicherlich mit einem eindeutigen "Ja" beantworten. Die Kreativität von Mandanten, mit der sie im Nachhinein die von ihnen abgeschlossenen Vergütungsvereinbarungen angreifen, scheint mittlerweile grenzenlos zu sein. Rechtsanwälte, die ein solches Verhalten unterstützen, lassen sich auch immer wieder finden, wenngleich nicht unbedingt unter Gebührenrechtsexperten.
Und das eine oder andere Gericht scheint nach wie vor eine besondere Freude daran zu haben, Anwälten im Nachhinein ihren – meistens – wohl verdienten und versprochenen Lohn zu nehmen oder zu reduzieren. Und in einer solchen Atmosphäre lohnt es sich wieder und immer wieder, gute und wohl begründete Entscheidungen zum Recht der Vergütungsvereinbarung zu veröffentlichen, damit sich der eine oder andere Mandant (und auch sein Rechtsanwalt) an den Grundsatz "pacta sunt servanda" erinnert.
Aber auch der zweite Teil der Frage ist positiv mit einem deutlichen Ja zu beantworten. Gerade derartige Gerichtsentscheidungen mit ihrer Bestätigung des eigentlich Selbstverständlichen sind bestens dazu geeignet, eine Abgrenzung zu solchen Fallgestaltungen aufzuzeigen, in denen Rechtsanwälte mit schlichtweg fehlerhaften Vergütungsvereinbarungen gearbeitet, ihre Mandanten verwirrt oder überzogenen und nicht nachgewiesenen Zeitaufwand abgerechnet haben.
Eine Veröffentlichung und eine Anmerkung verdient die Entscheidung allein deshalb, weil man mit einer gewissen Fassungslosigkeit zur Kenntnis nehmen muss, wie hier in erster Instanz seitens der Mandantenvertreter argumentiert und dies vom LG Memmingen auch noch akzeptiert wurde.
Dass es heutzutage allen Ernstes noch einer obergerichtlichen Feststellung bedarf, dass eine anwaltliche Vergütung nicht als sittenwidrig und nichtig anzusehen ist, wenn die gesetzlichen Gebühren gerade einmal um das 3,2-Fache überschritten wurden, ist schon recht erstaunlich.
Eine solche Auffassung kann eigentlich nur von dem und vor dem zum Besten gegeben werden, der die letzten Jahre der Diskussion um anwaltliche Vergütungsvereinbarungen buchstäblich verschlafen hat. Man schämt sich ja fast, alte und ältere Entscheidungen zu zitieren, in denen das Vielfache der hier vereinbarten Vergütung von der Rspr. problemlos "durchgewinkt" wurde. Man schämt sich ja fast, an die lang anhaltende Diskussion über die Entscheidung des BGH zu erinnern, mit der zur Empörung vieler einer weitreichenden Beschränkung der gesetzlichen Vergütung auf das 5-Fache das Wort geredet wurde, eine Entscheidung, die das BVerfG längst kassiert hat und die auch vom BGH korrigiert bzw. relativiert wurde.
Sowohl die Diskussion über die Entscheidung des BGH vom 27.1.2005 als auch die anschließend ergangenen Entscheidungen waren nun wirklich in jeder juristischen Fachzeitschrift nachzulesen und hätten eigentlich bei der Beratung der Mandanten berücksichtigt werden können.
Jedenfalls war und ist es in Kenntnis der neuen Rspr. eigentlich kaum noch möglich, das eher bescheidene Überschreiten der gesetzlichen Gebühren ernsthaft in Frage zu stellen.
Und dass man abweichend vom möglicherweise tatsächlich realistischen Gegenstandswert eines Verfahrens einen der Abrechnung zugrunde zu legenden Mindestgegenstandswert frei vereinbaren kann, ist eigentlich auch nicht unbedingt eine Sensation, die einem die juristische Fachliteratur aufmerksam studierenden Anwalt verborgen bleiben muss.
Insoweit wundert es sogar ein wenig, dass das OLG München es für erforderlich hält, den schließlich frei vereinbarten Gegenstandswert damit rechtfertigen zu müssen, dass sich schließlich sogar das Gesamtvolumen des Werkvertrages auf eben diese Summe belaufen habe.
Dies ist völlig gleichgültig, da sich die Beteiligten und klagenden Rechtsanwälte mit ihrer Vergütungsvereinbarung von der gesetzlichen Abrechnung – zulässigerweise – verabschieden wollten.
Dass die Kombination eines vereinbarten Mindestgegenstandswertes zu höheren Gebühren führt als jene, die sich aus dem gerichtlich festgestellten Gegenstandswert ergeben, ist also nicht nur eine Selbstverständlichkeit, sondern geradezu Sinn und Zweck der Vergütungsvereinbarung gewesen!
Im Übrigen hatte das OLG München dann auch noch Veranlassung, die weitere Selbstverständlichkeit zum Ausdruck zu bringen, dass eine vereinbarte Vergütung nur dann als unangemessen hoch herabzusetzen ist, wenn das Verhältnis zu den gesetzlichen Gebühren nicht mehr stimmt, und nicht etwa schon dann, wenn die Mandanten – im Nachhinein – mit den Leistungen ihrer Anwälte nicht zufrieden waren. Zwar kann der Erfolg der anwaltlichen Tätigkeit mit berücksichtigt werden, wenn es um die Frage der Angemessenheit der vereinbarten Vergütung geht, wie der BGH zutreffend festgestellt hat, hier ist aber ein Misserfolg ganz ...