FamFG § 113 Abs. 1 S. 2 ZPO § 114
Leitsatz
Die unterbliebene Erklärung des anwaltlich vertretenen Antragsgegners zur Sache im Verfahrenskostenhilfeverfahren des Antragstellers begründet keine Mutwilligkeit des Vorgehens.
OLG Oldenburg, Beschl. v. 25.4.2012 – 3 WF 98/12
1 Aus den Gründen
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das AG dem von Anfang an anwaltlich vertretenen Antragsgegner Verfahrenskostenhilfe für die Verteidigung gegen die Inanspruchnahme auf Unterhalt mit der Begründung versagt, dass dieser sich im Verfahrenskostenhilfeverfahren der Antragstellerin nicht zur Sache geäußert habe. Dies begründe die Mutwilligkeit seines Vorgehens i.S.v. § 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 114 ZPO.
Die sofortige Beschwerde ist gem. § 113 FamFG, §§ 127, 567 ff. ZPO zulässig, insbesondere fristgemäß eingelegt worden.
Das Rechtsmittel ist begründet. Dem Antragsgegner ist keine Mutwilligkeit i.S.v. § 114 ZPO zur Last zu legen.
Mutwilligkeit liegt vor, wenn ein verständiger, begüterter Beteiligter seine Rechte nicht in gleicher Weise wie der bedürftige Beteiligte verfolgen würde (vgl. Geimer, in: Zöller, 29. Aufl., § 114 Rn 30 m.w.Nachw.).
Die Rechtsauffassung des AG wird zum Teil in der obergerichtlichen Rspr. geteilt (vgl. (u.a.) OLG Oldenburg FamRZ 2002, 1712; OLG Köln OLGR 2009, 452; OLG Brandenburg FamRZ 2008, 70; 2006, 349; ebenso Stein/Jonas, 22. Aufl., § 114 Rn 36). Eine verständige, ihre finanziellen Interessen wahrende Partei würde nach dieser Ansicht die ihr gem. § 118 Abs. 1 S. 1 ZPO einzuräumende Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem Verfahrenskostenhilfegesuch des Antragstellers auch wahrnehmen. Denn bei einer solchen Ausgangslage sei nicht zu erwarten, dass aus einem obsiegenden Urteil etwaige Kostenerstattungsansprüche gegenüber dem bedürftigen Antragsteller zu realisieren seien. Mit einer fristgerecht eingereichten Erwiderung könne der verständige, begüterte Beteiligte daher verhindern, selbst mit Kosten eines unnötigen Verfahrens belastet zu werden (OLG Oldenburg a.a.O.). Zudem werde so auch vermieden, dass der Staat die Finanzierung des Verfahrens trage und der Beteiligte als Teil der Allgemeinheit dadurch mittelbar an den Kosten beteiligt werde (OLG Brandenburg a.a.O.).
Nach a.A. begründet das Unterlassen einer Stellungnahme im Verfahrenskostenhilfeverfahren keine Mutwilligkeit der Rechtsverteidigung des Antragsgegners (vgl. OLG Oldenburg FamRZ 2009, 895 (für den nicht anwaltlich vertretenen Beteiligten); OLG Köln MDR 2011, 259 [= AGS 2010, 611]; OLG Brandenburg FamRZ 2010, 142; OLG Hamm FamRZ 2008, 1264; OLG Schleswig OLGR 2006, 501; 2005, 808; OLG Karlsruhe FamRZ 2002, 1132; ebenso im Schrifttum Geimer, a.a.O., Rn 34a; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, 70. Aufl., § 114 Rn 117, "Klageerwiderung"; Nickel, MDR 2008, 65; Gottwald, FamRZ 2008, 71; Fischer, MDR 2006, 661).
Der Senat folgt der zweitgenannten Ansicht.
Dem Antragsgegner wird gem. § 118 Abs. 1 S. 1 ZPO als Ausprägung des Grundsatzes der Gewährung rechtlichen Gehörs gem. Art. 103 Abs. 1 GG lediglich Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Aus dieser Bestimmung folgt nicht, dass der Antragsgegner zur Äußerung verpflichtet wäre. Da eine derartige Obliegenheit auch nicht an anderer Stelle des Gesetzes normiert ist, erscheint es als nicht vertretbar, das ausdrücklich – zu seinen Gunsten – normierte (bloße) Recht zur Äußerung aufgrund von Erwägungen zum Begriff der Mutwilligkeit zu einer Verpflichtung zur Erklärung zu verdichten (vgl. Fischer, a.a.O.), mit der Folge, dass sich das Nichtgebrauchmachen von einem Recht zu seinem Nachteil (und nicht nur zum Vorteil des Antragstellers) auswirken würde.
Die Argumentation der Gegenansicht mit der durch Abgabe einer Stellungnahme im Verfahrenskostenhilfeverfahren des Antragstellers vermeidbaren Kostenbelastung des verständigen, begüterten Beteiligten – anstelle des bedürftigen Antragsgegners – überzeugt im Ergebnis nicht. Richtig ist allerdings, dass der nicht bedürftige Gegner durch eine zur Ablehnung des Verfahrenskostenhilfegesuchs des Antragstellers führende Äußerung wegen § 118 Abs. 1 S. 4 ZPO (nur) mit einer Gebühr (Nr. 3335 VV) belastet würde, während er bei Durchführung des Verfahrens 2,5 Gebühren zu tragen hätte. Weil der prozessuale Kostenerstattungsanspruch gegen den bedürftigen Antragsteller als nicht durchsetzbar angesehen wird, entspricht es nach dieser Ansicht aus der Perspektive eines leistungsfähigen Antragsgegners der Vernunft, sich bereits im Verfahrenskostenhilfeverfahren zur Sache zu erklären.
Dabei wird jedoch zweierlei übersehen: Zum einen hat Fischer (ebd.) zutreffend darauf verwiesen, dass die Nichtdurchsetzbarkeit des Kostenerstattungsanspruch gegen die bedürftige Partei sich nicht von selbst versteht. Ein entsprechender Erfahrungssatz kann nicht aufgestellt werden. Der Kostenerstattungsanspruch könnte von dem bedürftigen Beteiligten freiwillig erfüllt werden, etwa durch Beschaffung der Mittel von dritter Seite. Zu berücksichtigen ist weiter, dass im Verfahrenskostenhilfeverfahren außer Betracht bleibendes Schonvermögen gem. ...