Die Strafkammer hat zu Unrecht eine Terminsgebühr entsprechend den Nrn. 4102, 4103 VV festgesetzt. Für die Teilnahme an dem nach § 202a StPO durchgeführten Erörterungstermin steht dem Pflichtverteidiger eine gesonderte Gebühr nicht zu.
1. Auf eine unmittelbare Anwendung der Nrn. 4102, 4103 VV kann die Festsetzung einer Terminsgebühr für die Teilnahme an dem Erörterungstermin nicht gestützt werden. In Betracht kämen allenfalls die Nrn. 1 (richterliche Vernehmungen und Augenscheinseinnahmen) u. 3 (Termine außerhalb der Hauptverhandlung, in denen über Untersuchungshaft oder Unterbringung verhandelt wird). Aber auch deren Voraussetzungen liegen ersichtlich nicht vor.
2. Eine ergänzende Auslegung oder eine entsprechende Anwendung der Gebührentatbestände Nr. 4102 Nrn. 1 u. 3 VV scheiden ebenso aus.
a) Hierzu ermangelt es bereits einer planwidrigen Regelungslücke.
aa) Zwar trat § 202a StPO erst mit dem Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren vom 29.7.2009 in Kraft und damit nach der Neuregelung des RVG vom 5.5.2004. Damit wurde das außerhalb der Hauptverhandlung geführte Verständigungsgespräch aber nur kodifiziert; es war in der Praxis bereits üblich und Gegenstand einer Vielzahl von Entscheidungen (vgl. nur BGH NJW 1997, 2691; 1998, 86; 2004, 3426; 2004, 2536).
Es ist nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber bei der umfassenden Novellierung des RVG, bei der die außerhalb der Hauptverhandlung geleisteten Verteidigungsbemühungen bedacht und ausdrücklich aufgewertet wurden, versehentlich unterlassen hat, die Erörterungen und Absprachen einem gesonderten Vergütungstatbestand zuzuführen (so auch OLG Saarbrücken, Beschl. v. 8.8.2011 – 1 Ws 89/11 – bei Burhoff online). Dies gilt umso mehr als die den Gebührentatbeständen der Nr. 4102 VV unterfallenden Tätigkeiten unter der Geltung der BRAGO nicht gesondert vergütet waren (vgl. BT-Drucks 15/1971, S. 222), der Gesetzgeber sich also mit der Vergütung der außerhalb der Hauptverhandlung erbrachten Verteidigungsleistungen ausdrücklich befasst und sie – dezidiert – geregelt hat.
Unwahrscheinlich ist auch, dass der Gesetzgeber – wie das AG Freiburg (RVGreport 2011, 92) mutmaßt – bei der Einführung des Gesetzes zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren vergütungsrechtliche Folgen unbeabsichtigt unberücksichtigt gelassen hat. Der Gesetzgeber bedenkt bei Gesetzesänderungen regelmäßig die Auswirkungen auf das Vergütungsrecht und veranlasst Anpassungen des Vergütungsverzeichnisses. So enthält z.B. das Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung v. 23.7.2004 (BGBl I 2004, Nr. 39, S. 1840) eine Änderung des RVG; durch Art. 7 des Gesetzes wurde die Vorbem. 4.1 Abs. 1 VV so geändert, dass auch im Verfahren über die im Urteil vorbehaltene Sicherungsverwahrung und im Verfahren über die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung Gebühren des Verteidigers nach dem RVG anfallen. Noch anschaulicher wird die Umsicht, die der Gesetzgeber in Bezug auf die Folgen seiner Gesetzgebung für das anwaltliche Vergütungsrecht aufbringt, am Beispiel des Opferrechtsreformgesetzes v. m 24.6.2004 (BGBl I 2004, Nr. 31, S. 1357), mit dessen Art. 4 sogar für die Beschwerde gegen einen zurückweisenden Adhäsionsantrag (§ 406 Abs. 5 S. 2 StPO) ein eigener Gebührentatbestand (Nr. 4145 VV) geschaffen wurde.
bb) Nicht überzeugen kann die Argumentation des Beschwerdegegners, der von der Bedeutung, die der Gesetzgeber dem Erörterungstermin beigemessen hat, auf das Erfordernis eines gesonderten Vergütungstatbestands schließt (so auch AG Freiburg a.a.O.). Zutreffend ist, dass die Erörterung nach § 202a StPO häufig der Vorbereitung einer Verständigung nach § 257c StPO dient und damit auch rechtspolitisch bedeutungsvoll ist. Dass der Gesetzgeber aber trotz der Wichtigkeit, die er der Regelung der Verständigung im Strafverfahren offenkundig zugeschrieben hat (vgl. BT-Drucks 16/12310), auf die Einführung eines Vergütungstatbestands verzichtet hat, legt gerade nahe, dass er die Erörterung nicht gesondert vergütet wissen wollte.
cc) Als Argument für eine planwidrige Regelungslücke könnte es angesehen werden, wenn dem Verteidiger durch die Teilnahme an dem Erörterungstermin im Sinne eines Sonderopfers ein hoher Aufwand entstünde, der keine Kompensation erführe. Ein derartiges Missverhältnis besteht aber nicht. Denn die durch den Verteidiger erbrachten Bemühungen werden durch die Verfahrensgebühr für den ersten Rechtszug nach Nr. 4112 VV abgegolten (vgl. Senat, Beschl. v. 8.8.2011 – (1) 2 StE 6/10-4 (6/10); KG RVGreport 2006, 151 [für das alte Recht]). Diese ebenfalls 2004 neu eingeführte Gebühr erfasst alle anwaltlichen Tätigkeiten, soweit hierfür keine besonderen Gebühren vorgesehen sind (vgl. BT-Drucks 15/1971, S. 220). Darunter fallen auch Besprechungen mit den Verfahrensbeteiligten (vgl. Burhoff, in: Gerold/Schmidt, RVG 19. Aufl., Vorbem. 4 Rn 12). Der Pflichtverteidiger, der erschwerende Umstände nicht über eine Rahmengebühr geltend machen kann, kann gegebenenfalls eine Pauschgebü...