Hinsichtlich der Thematik "Angelegenheit" gab es die vergangenen Jahre ebenfalls kaum Entscheidungen. Diese brauchte es auch nicht, da die Rechtslage hier völlig ungeklärt ist. Ist es (wie früher vertreten) eine, sind es zwei oder sind es maximal vier Angelegenheiten? Eine Lösung fällt hier – je nach Gericht – anders aus. Die Reform des Beratungshilferechts hat es (leider) unterlassen, hier für Klarstellung zu sorgen. Folglich bleibt alles beim Alten: jedes Gericht entwickelt seine eigene Rspr. hierzu, insbesondere, da obergerichtliche Entscheidungen im Verhältnis zur Bedeutung der Sache (einmal Gebühren oder mehrfach?) nur rar vorhanden sind.

Das AG Syke[83] vertrat zumindest die Ansicht, wonach Trennungsfolgen und Scheidungsfolgen unterschiedliche Angelegenheiten darstellen. Aus den Gründen der Entscheidung ist zudem zu entnehmen, dass hinsichtlich der finanziellen Auswirkungen der Trennung und Scheidung weitere BerH bewilligt wurde. Das Gericht – mehr lässt sich der Entscheidung nicht entnehmen – vertritt daher mindestens drei Angelegenheiten.

Ebenfalls zum Familienrecht entschieden hat das OLG München[84] und seine Rechtsansicht, wonach der familienrechtliche Komplex aus vier Angelegenheiten besteht (Scheidung, persönliches Verhältnis zu den Kindern, Ehewohnung und Hausrat sowie finanzielle Auswirkungen von Trennung und Scheidung), bekräftigt.

Das AG Oldenburg[85] sah zumindest eine Differenzierung zwischen Scheidungsfolgesachen und einer Gewaltschutzsache, vertrat in seiner Entscheidung im Grundsatz aber auch wie das OLG München vier Angelegenheiten.

Ebenfalls vier Angelegenheiten in Familiensachen nahm das AG Pforzheim in seiner Entscheidung v. 5.10.2014 an.[86] Das Gericht hatte – in einem lesenswerten Beschluss – Bedenken dahingehend geäußert, im Hinblick auf den zum Teil umfassenden Beratungsbedarf sämtliche Problembereiche, welche im Zusammenhang mit einer Trennung und Scheidung von Ehegatten zu erörtern sind, als eine Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne zu betrachten. § 16 Nr. 4 RVG finde daneben im Beratungshilferecht keine bestimmende Anwendung (da nicht gerichtliches Verfahren, sondern außergerichtliche Beratung). Gleichwohl soll nach Ansicht des Gerichts auch nicht die Beratung zu jedem Gegenstand eine eigene Gebühr auslösen. Vielmehr seien es tatsächlich der h.M. folgend (s.o.) vier Angelegenheiten.

Nach Ansicht des AG Ettlingen[87] bilden die Sachverhalte "Abwehr Darlehensforderung" einerseits und "Freistellungsanspruch des Ehemanns" andererseits nur eine Angelegenheit. Dem Sachverhalt lag ein gemeinsames (streitiges) Darlehen beider Ehepartner zu Grunde. Das Gericht sah hier die maßgeblichen Kriterien (Gleichzeitigkeit, Gleichartigkeit und innerer Sachzusammenhang) als erfüllt an.

Das OLG Frankfurt[88] hat sich in einer weiteren Entscheidung mit der Frage der Angelegenheiten in der BerH zu befassen gehabt und dabei nahezu "mustergültig" wie folgt dazu ausgeführt:

 
Hinweis

"Der weder im BerHG noch im RVG gesetzlich bestimmte Begriff der “Angelegenheiten‘ ist vielmehr i.S.d. Beratungshilferechts (§ 2 Abs. 2 S. 1 BerHG) unter Berücksichtigung der Wertungen des RVG (vgl. § 44 RVG) zu bestimmen (Dürbeck, in: Büttner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/Dürbeck, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe, 7. Aufl. 2014, Rn 1012). Er ist aus verfassungsrechtlicher Sicht wegen der vergleichsweise niedrigen Gebühren nicht zu eng zu fassen (BVerfG FuR 2002, 187). Gleichwohl ist er nicht identisch mit dem Gegenstandsbegriff des § 22 RVG, der sich auf das jeweilige Rechtsverhältnis, das der anwaltlichen Tätigkeit zugrunde liegt, bezieht (BGH AnwBl 1976, 337; JurBüro 1984, 537), so dass trotz verschiedener mehrerer Gegenstände anwaltlicher Tätigkeit beratungshilferechtlich nur eine Angelegenheit vorliegen kann (vgl. Lissner/Dietrich/Eilzer/Germann/Kessel, Rn 217). Entgegen der Ansicht der Beschwerde begründen dabei mehrere anwaltliche Schreiben an verschiedene Adressaten nicht allein verschiedene Angelegenheiten i.S.d. BerHG, insbesondere nicht, wenn sie in einem inneren Zusammenhang stehen (vgl. LG Koblenz Rpfleger 1996, 116; 1999, 30). Eine eigenständige Angelegenheit i.S.d. BerHG liegt trotz mehrerer Gegenstände insbesondere dann vor, wenn ein gleichzeitiger Auftrag vorliegt, die Verfahrensgegenstände ein gleichartiges Verfahren mit gleichem Rahmen betreffen und ein zeitlicher und sachlicher Zusammenhang in der Bearbeitung besteht (BVerfG NJW 2002, 439; OLG Hamm FamRZ 2005, 532)."

Im konkreten Fall gab das Gericht zu erkennen, dass u.U. bereits die Sachverhalte "Asylverfahren" und "AufenthG" als eine Angelegenheit anzunehmen sind. Ein Duldungsantrag und ein in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang gestellter Aufenthaltsgestattungsantrag nach dem AufenthG bilden jedenfalls eine Angelegenheit, ebenso wie ein gestellter Asylantrag und der gegenüber dem Regierungspräsidium gestellte Zuweisungsantrag nach dem AsylVfG.

[83] AG Syke, Beschl. v. 30.4.2015 – 23 II 286/15.
[84] OLG München, Beschl. v. 26.2.2015 – 11 WF...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?