Leitsatz
Durch den bewilligenden Prozesskostenhilfebeschluss des Gerichts steht mit bindender Wirkung für das Kostenfestsetzungsverfahren (§ 48 Abs. 1 RVG) fest, dass die Klageerhebung nicht gegen die Verpflichtung zur kostensparenden Rechtsverfolgung verstößt. Hat das Arbeitsgericht der klagenden Partei für mehrere parallel geführte Verfahren jeweils Prozesskostenhilfe bewilligt, ist der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle an diese Bewilligung gebunden. Er kann diese Verfahren im Rahmen der Kostenfestsetzung nach § 55 RVG nicht unter Zusammenrechnung der Streitwerte wie ein Verfahren behandeln.
LAG Hamburg, Beschl. v. 26.5.2016 – 6 Ta 11/16
1 Sachverhalt
Die Prozessbevollmächtigte des Klägers wendet sich als Beschwerdeführerin in den Verfahren zu den Az. 13 Ca 309/13, 13 Ca 310/13, 13 Ca 311/13, 13 Ca 398/13 sowie 13 Ca 84/14 gegen die Festsetzung der ihr zu zahlenden Vergütung durch den Festsetzungsbeschluss gem. § 55 RVG.
Der Kläger wurde in allen arbeitsgerichtlichen Verfahren von der Beschwerdeführerin als Prozessbevollmächtigter anwaltlich vertreten. Er griff mit seiner am 13.9.2013 beim ArbG eingegangenen Klage zum Az. 13 Ca 309/13 eine Arbeitszeitweisung der Beklagten sowie die Aufforderung an, bei krankheitsbedingtem Fernbleiben vom Arbeitsplatz ab dem 1. Tag eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Arztes vorzulegen. Ferner forderte er die Überlassung einer Kopie seines Arbeitsvertrages. In zwei weiteren am 13.9.2013 eingeleiteten Verfahren zu den Az. 13 Ca 310/13 und 13 Ca 311/13 wandte sich der Kläger gegen die Wirksamkeit von Abmahnungen. Am 20.11.2013 erhob der Kläger eine neue Klage zum Az. 13 Ca 398/13, mit der er die Erteilung eines qualifizierten Zwischenzeugnisses verlangte. Mit seiner Klage v. März 2014 zum Az. 13 Ca 84/14 griff der Kläger eine fristgemäße, betriebsbedingte Kündigung der Beklagten an. Dem Kläger wurde in allen Verfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seiner Prozessbevollmächtigten bewilligt. Durch Vergleichsbeschluss des ArbG v. 27.5.2014 im Verfahren zum Az. 13 Ca 311/13 wurden neben diesem Verfahren auch die weiteren Verfahren zu den Az. 13 Ca 309/13, 13 Ca 310/13, 13 Ca 398/13 und 13 Ca 84/14 erledigt.
Die Prozessbevollmächtigte des Klägers stellte in allen Verfahren Vergütungsfestsetzungsanträge. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hörte die Prozessbevollmächtigte des Klägers zur beabsichtigten geänderten Kostenfestsetzung an. Sie wies darauf hin, dass durch die Einreichung der Klagen zu den Az. 13 Ca 309/13, 13 Ca 310/13 und 13 Ca 311/13 gegen den Grundsatz der prozesssparenden Prozessführung verstoßen worden sei. Es sei nicht ersichtlich, aus welchem Grund hier an einem Tag statt eines Verfahrens drei anhängig gemacht worden sein. Die Verfahren seien als ein Verfahren zusammenzuziehen und bei der Berechnung entsprechend zu behandeln. Als Gegenstandswert seien die addierten Werte der drei Verfahren zugrunde zu legen. Bei der Festsetzung zog die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, wie in der Anhörung angekündigt, die am 13.9.2013 beim ArbG Hamburg eingegangenen Verfahren zu den Az. 13 Ca 309/13, 13 Ca 310/13 und 13 Ca 311/13 zusammen und behandelte sie bei der Berechnung als ein Verfahren.
Gegen den Festsetzungsbeschluss wandte sich die Prozessbevollmächtigte des Klägers mit ihrer Erinnerung, der die Urkundsbeamtin nicht abhalf. Das ArbG wies die Erinnerung unter Zulassung des Rechtsmittels der Beschwerde zurück. Der daraufhin erhobenen Beschwerde hat das ArbG 2016 nicht abgeholfen und sie dem LAG zur Entscheidung vorgelegt.
2 Aus den Gründen
Die Beschwerde ist auch begründet. Die Prozessbevollmächtigte des Klägers kann verlangen, dass die Verfahren des ArbG zu den Az. 13 Ca 309/13, 13 Ca 310/13 und 13 Ca 311/13 getrennt abgerechnet und aus der Staatskasse vergütet werden.
a) Grundsätzlich gilt das Gebot der kostensparenden Prozessführung.
Dieses Gebot findet Ausdruck in der Vorschrift des § 91 Abs. 1 ZPO, die vorsieht, dass nur die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Kosten zu erstatten sind (vgl. hierzu etwa LAG Nürnberg 22.10.2015 – 2 Ta 118/15, juris Rn 20 [= AGS 2015, 578]). Sollen die Kosten für beigeordnete Rechtsanwälte aus öffentlichen Mitteln getragen werden, ist das Gebot, die Kosten der Prozessführung angemessen niedrig zu halten, in besonderem Maße zu beachten: Die Partei soll (nur) solche zumutbaren und kostensparenden Möglichkeiten der Prozessführung wahrnehmen, die sie auch nutzen würde, wenn sie wirtschaftlich leistungsfähig wäre, also die Prozesskosten einschließlich der Anwaltskosten "aus eigener Tasche" zahlen müsste (Hessisches LAG 15.10.2012 – 13 Ta 303/12, juris Rn 10; siehe auch BAG 17.2.2011 – 6 AZB 3/11, juris Rn 9).
b) Die Frage, ob ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur kostengünstigen Rechtsverfolgung vorliegt, ist aber nicht im Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 55 Abs. 1 RVG, sondern im Rahmen des Verfahrens über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu prüfen (LAG Nürnberg 22.10.2015 – 2 Ta 118/15, juris Rn 19 [= AGS 2015, 578]; Hes...