Die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Klägers ist statthaft (§ 33 Abs. 3 S. 1 RVG); sie ist form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 33 Abs. 3 S. 3 RVG) und auch im Übrigen zulässig und begründet. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers kann die Festsetzung des Wertes des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit für die Verhandlung über die nicht rechtshängig gewesenen Schadensersatzansprüche der Beklagten verlangen (1.). Der Gegenstandswert beträgt 92.386,18 EUR (2.).
1. Im Streitfall ist (ausnahmsweise) Raum für eine Wertfestsetzung gem. § 33 Abs. 1 RVG neben einer Festsetzung gem. § 63 Abs. 2 GKG.
a) Grundsätzlich bindet § 32 Abs. 1 RVG die Gebühren des Rechtsanwalts an den für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert. Diese Bindung bleibt auch bei einer zum Wegfall der Gerichtsgebühren führenden Beendigung des Rechtsstreits (beispielsweise durch Vergleich oder Klagerücknahme vor streitiger Verhandlung) bestehen. Denn auch in einem solchen Fall ist eine Wertfestsetzung nach § 63 Abs. 2 GKG vorzunehmen (erkennende Kammer 25.7.2011 – 5 Ta 77/11, juris Rn 27) und damit nach § 32 RVG auch für die Gebühren des Rechtsanwalts bindend (vgl. Hartmann, KostG, 45. Aufl., § 32 RVG Rn 3). Ein Wertfestsetzungsverfahren gem. § 33 RVG kommt daneben nicht in Betracht, denn die Wertfestsetzung nach § 33 Abs. 1 RVG für die Rechtsanwaltsgebühren ist gegenüber der Wertfestsetzung gem. § 32 Abs. 2 RVG subsidiär (Hartmann, KostG, 45. Aufl., § 33 RVG Rn 3). Dem Rechtsanwalt steht kein Wahlrecht zwischen dem Antrag nach § 32 Abs. 2 S. 1 RVG i.V.m. § 63 Abs. 2 GKG und dem Antrag nach § 33 Abs. 1 RVG zu. Nach § 23 Abs. 1 S. 1 RVG richtet sich der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit im gerichtlichen Verfahren nach den für die Gerichtsgebühren maßgeblichen Vorschriften und § 32 Abs. 1 RVG ordnet die Maßgeblichkeit der zu den Gerichtsgebühren getroffenen Wertfestsetzung für die Gebühren des Rechtsanwalts an. Zur Sicherstellung dieses vom Gesetzgeber angeordneten Gleichlaufs der Berechnung von Gerichtsgebühren auslösendem Streitwert und vergütungsrechtlichem Gegenstandswert kann der Rechtsanwalt nach § 32 Abs. 2 S. 1 RVG aus eigenem Recht die Festsetzung des Werts beantragen und Rechtsmittel gegen eine vorgenommene Wertfestsetzung einlegen. § 33 Abs. 1 RVG ermöglicht einen auf diese Vorschrift gestützten Antrag nur, wenn sich die Gebühren für die anwaltliche Tätigkeit in einem gerichtlichen Verfahren nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert berechnen oder eine Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren im gerichtlichen Verfahren fehlt (BGH 25.9.2008 – VII ZB 99/07, juris Rn 18; Gerold/Schmidt-Mayer, RVG, 22. Aufl., § 33 RVG Rn 4).
Von letzterem kann nur ausgegangen werden, wenn die Verfahrensnormen weder eine Erhebung von Gerichtsgebühren noch eine Regelung überhaupt vorsehen. Dann kann eine Bindung der Gebühren des Rechtsanwalts an den für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert nach § 32 Abs. 1 GKG nicht eintreten und ist eine Festsetzung gem. § 33 Abs. 1 RVG möglich, weil die Gegenstände und damit auch die Gegenstandswerte der gerichtlichen und der anwaltlichen Tätigkeit sich nicht decken (vgl. Gerold/Schmidt-Mayer, 22. Aufl., § 33 RVG Rn 3; Hartmann, KostG, 45. Aufl., § 33 RVG Rn 4 f.).
b) Dies ist hier betreffend die Schadensersatzansprüche der Beklagten der Fall. Denn die allgemeinen Wertvorschriften des GKG und der ZPO sehen eine Festsetzung gem. § 63 Abs. 2 GKG im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren für Gegenstände, die, ohne rechtshängig geworden zu sein, vor Gericht nur zum Zwecke der Einigung verhandelt worden sind, ohne dass es aber zu einem Vergleichsabschluss gekommen ist, nicht vor.
aa) Die erkennende Kammer – und ihr folgend das ArbG – hat bislang angenommen, eine Festsetzung gem. § 33 RVG komme nur in Betracht, wenn der zu bewertende Gegenstand bei Gericht anhängig gewesen sei (25.7.2011 – 5 Ta 77/11, juris Rn 36).
bb) Daran wird nach erneuter Überprüfung nicht länger festgehalten.
(1) § 33 Abs. 1 RVG erfordert die Tätigkeit "in einem gerichtlichen Verfahren" (so auch die identische Formulierung in Vorbem. 3 Abs. 1 S. 1 VV). Dabei kommt es nicht auf die prozessuale Stellung an, die der Rechtsanwalt in dem Verfahren eingenommen hat; ebenso wenig darauf, ob er gegenüber dem Gericht nach außen hin tätig geworden ist (Gerold/Schmidt-Mayer, RVG, 22. Aufl., § 33 RVG Rn 5; Riedel/Sußbauer/Fraunholz, RVG, 9. Aufl., § 33 RVG Rn 2; Hartmann, KostG, 45. Aufl., § 33 RVG Rn 3).
(2) Soweit jedoch verlangt wird, der zu bewertende Gegenstand müsse aber bei Gericht anhängig geworden sein, sonst komme ein Wertfestsetzungsverfahren gem. § 33 RVG nicht in Betracht (Gerold/Schmidt-Mayer, § 33 RVG Rn 5; Riedel/Sußbauer/Fraunholz, § 33 Rn 2, § 32 Rn 8; Hartmann, § 33 RVG Rn 3), und dieses Erfordernis überhaupt mit einer Begründung versehen wird, begnügt sich diese mit einem Hinweis auf die Nr. 3101 Nr. 1 VV (in der Konstellation: Vorbereitung einer Klage, die nicht eingereicht worden ist) und der Schlussfolgerung, in all d...