FamGKG §§ 42 Abs. 2, 45 Abs. 1 Nr. 1; FamGKG-KostVerz. Nrn. 1310, 1311; BGB § 1666; RVG §§ 22, 33
Leitsatz
Führt ein Verfahren über die elterliche Sorge zum teilweisen Entzug des Sorgerechts und zur Anordnung einer Ergänzungspflegschaft, so erhöht sich der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit um den Wert der Pflegschaftsanordnung.
OLG Frankfurt, Beschl. v. 23.6.2020 – 4 WF 97/20
1 Sachverhalt
Der Kindesvater hatte die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge für das gemeinsame Kind beantragt. Das FamG hatte nach Einholung eines kinderpsychiatrischen Sachverständigengutachtens und Anhörung der Eltern sowie des Kindes in demselben Termin der Kindesmutter nach §§ 1666, 1666a BGB die elterliche Sorge für das Kind mit dem Teilbereich "Regelung des Umgangs" entzogen und sie auf einen Ergänzungspfleger übertragen. Den Verfahrenswert hat das FamG gem. § 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG auf 3.000,00 EUR festgesetzt. Hiergegen hat der Verfahrensbevollmächtigte des Kindesvaters Beschwerde erhoben, mit der er geltend macht, aufgrund des Umfangs der Sache (Einholung eines Gutachtens) einerseits und der seiner Auffassung nach neben dem Sorgerechtsverfahren betriebenen Pflegschaftssache andererseits sei eine Erhöhung des Verfahrenswertes geboten, zumindest sei für die Anwaltsgebühren hinsichtlich der Anordnung der Ergänzungspflegschaft ein weiterer Wert festzusetzen. Das OLG hat die Beschwerde zurückgewiesen, die Sache jedoch an das FamG zur Festsetzung eines weiteren Wertes für die Anwaltsgebühren nach § 33 RVG hinsichtlich der Anordnung der Ergänzungspflegschaft zurückgegeben.
2 Aus den Gründen
Die von dem Verfahrensbevollmächtigten des Kindesvaters in eigenem Namen eingelegte Beschwerde ist nach § 32 Abs. 2 RVG zulässig, insbesondere auch statthaft, soweit er sich mit dem Rechtsmittel gegen die mit der angefochtenen Ausgangsentscheidung des FamG erfolgte, für die Bestimmung der Gerichtsgebühren maßgebliche Festsetzung des Verfahrenswerts auf 3.000,00 EUR wendet (vgl. § 1 Abs. 1 FamGKG; BeckOK KostR/Siede, 30. Ed. 1.6.2020, FamGKG § 1 Rn 4 und 5).
Allerdings bleibt dem Rechtsmittel insoweit auch im Lichte der Beschwerdebegründung der Erfolg versagt. Das FamG hat den Verfahrenswert in der vorliegenden Kindschaftssache zu Recht und mit zutreffender Begründung mit dem Regelbetrag des § 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG von 3.000,00 EUR bestimmt. Eine Abweichung ist nur veranlasst, wenn der Regelwert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig erscheint, § 45 Abs. 3 FamGKG. Nach Vorstellung des Gesetzgebers rechtfertigen u.a. besondere Schwierigkeit oder besonderer Umfang des Verfahrens eine Werterhöhung (BT-Drucks 16/6308, 306). Bei einfacher Sach- und Rechtslage oder bei geringem Einkommen eines Beteiligten ist dagegen auch eine Herabsetzung des Verfahrenswerts möglich. Eine Abweichung von dem für durchschnittliche Sorge- und Umgangsrechtsverfahren vorgesehenen Wert kommt nach der Gesetzessystematik daher nur ausnahmsweise dann in Betracht, wenn der Arbeitsaufwand des Gerichts und der Verfahrensbevollmächtigten so stark von dem eines durchschnittlichen Verfahrens abweicht, dass der nach § 45 Abs. 1 FamGKG vorgesehene Verfahrenswert aufgrund der atypischen Umstände des Einzelfalles zu unvertretbar hohen oder im Gegenteil unangemessen niedrigen Kosten bzw. Gebühren führen würde (vgl. KG FamRZ 2013, 723).
Nach diesen Grundsätzen ist eine Anhebung des Verfahrenswertes vorliegend nicht gerechtfertigt. Zwar hat das FamG in erster Instanz ein Sachverständigengutachten eingeholt, dessen Auswertung den Arbeitsaufwand für alle Verfahrensbeteiligten sicherlich erhöht hat. Dies alleine führt jedoch – auch im Hinblick darauf, dass insgesamt lediglich ein einziger Anhörungstermin durchgeführt wurde – nicht zu einer so bedeutenden Abweichung von dem in einem durchschnittlichen Sorge- oder Umgangsverfahren zu betreibenden Aufwand, dass die nach dem Verfahrenswert von 3.000,00 EUR anfallenden Gebühren bereits deshalb unvertretbar niedrig erschienen. Die teils vertretene Auffassung, bereits die Einholung eines Sachverständigengutachtens lasse regelmäßig die Erhöhung des Verfahrenswertes geboten erscheinen (vgl. OLG Celle NJW 2011, 1373 [= AGS 2011, 200]), teilt der erkennende Senat daher nicht (ebenso OLG Koblenz FamRZ 2015, 1751 [LS]; OLG Düsseldorf FamRZ 2015, 953 [LS], OLG Hamm FamRZ 2012, 1971; Schneider NZFam 2015, 624). Zudem sprechen nach der Vorstellung des Gesetzgebers (s.o.) die schlechten Einkommensverhältnisse des Kindesvaters, dem hier ratenfreie Verfahrenskostenhilfe bewilligt wurde, gegen eine Erhöhung des Verfahrenswertes.
Auch der vom Beschwerdeführer angeführte Umstand, dass das FamG im Rahmen des Sorgeverfahrens nicht nur Ergänzungspflegschaft angeordnet, sondern auch den Pfleger ausgewählt hat, führt nicht zu einer Erhöhung des Verfahrenswerts, zumindest nicht, soweit dieser für die Höhe der Gerichtskosten relevant ist. Allerdings ist der Beschwerde zuzugeben, dass die Anordnung der Ergänzungspflegschaft und die Auswahl des Pflegers nach der Systematik des Gesetzes g...