Leitsatz (amtlich)
Anwendung des Regelstreitwertes nach §45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG für Kindschaftssache
Normenkette
BGB § 1666; FamGKG § 42 Abs. 2., § 45 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
AG Groß-Gerau (Beschluss vom 03.04.2020; Aktenzeichen 75 F 939/18) |
Tenor
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen, soweit der Beschwerdeführer die Festsetzung des Verfahrenswerts für die Bemessung der Gerichtsgebühren auf 3.000 EUR angreift. Soweit der Beschwerdeführer mit der Beschwerdebegründung erstmals die Festsetzung des Werts des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit nach § 33 Abs. 1 RVG beantragt, wird die Sache zur Bescheidung des Antrags unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts an das Familiengericht zurückverwiesen.
Gründe
I. In dem mit Antrag des Kindesvaters auf Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge für seinen leiblichen Sohn eingeleiteten Verfahren holte das Familiengericht ein kinderpsychiatrisches Sachverständigengutachten ein und hörte Eltern und Kind anschließend in einem (einzigen) Termin an. Mit Beschluss vom 03.04.2020 entzog das Familiengericht der Kindesmutter nach §§ 1666, 1666a BGB die elterliche Sorge für das Kind mit dem Teilbereich "Regelung des Umgangs", übertrug sie auf einen Ergänzungspfleger und setzte den Verfahrenswert unter Nennung des § 45 FamGKG auf 3.000 EUR fest.
Hiergegen wendet sich der Verfahrensbevollmächtigte des Kindesvaters mit der Wertbeschwerde, mit der er geltend macht, aufgrund des Umfangs der Sache (Einholung eines Gutachtens) einerseits und der seiner Auffassung nach neben dem Sorgerechtsverfahren betriebenen Vormundschaftssache andererseits sei eine Erhöhung des Verfahrenswertes geboten.
II. Die von dem Verfahrensbevollmächtigten des Kindesvaters in eigenem Namen eingelegte Beschwerde ist nach § 32 Abs. 2 RVG zulässig, insbesondere auch statthaft, soweit er sich mit dem Rechtsmittel gegen die mit der angefochtenen Ausgangsentscheidung des Familiengerichts erfolgte, für die Bestimmung der Gerichtsgebühren maßgebliche Festsetzung des Verfahrenswerts auf 3.000 EUR wendet (vgl. § 1 Abs. 1 FamGKG; BeckOK KostR/Siede, 30. Ed. 1.6.2020, FamGKG § 1 Rn. 4 und 5).
Allerdings bleibt dem Rechtsmittel insoweit auch im Lichte der Beschwerdebegründung der Erfolg versagt. Das Familiengericht hat den Verfahrenswert in der vorliegenden Kindschaftssache zu Recht und mit zutreffender Begründung mit dem Regelbetrag des § 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG von 3.000 EUR bestimmt. Eine Abweichung ist nur veranlasst, wenn der Regelwert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig erscheint, § 45 Abs. 3 FamGKG. Nach Vorstellung des Gesetzgebers rechtfertigen u.a. besondere Schwierigkeit oder besonderer Umfang des Verfahrens eine Werterhöhung (BT-Drucks. 16/6308, 306). Bei einfacher Sach- und Rechtslage oder bei geringem Einkommen eines Beteiligten ist dagegen auch eine Herabsetzung des Verfahrenswerts möglich. Eine Abweichung von dem für durchschnittliche Sorge- und Umgangsrechtsverfahren vorgesehenen Wert kommt nach der Gesetzessystematik daher nur ausnahmsweise dann in Betracht, wenn der Arbeitsaufwand des Gerichts und der Verfahrensbevollmächtigten so stark von dem eines durchschnittlichen Verfahrens abweicht, dass der nach § 45 Abs. 1 FamGKG vorgesehene Verfahrenswert aufgrund der atypischen Umstände des Einzelfalles zu unvertretbar hohen oder im Gegenteil unangemessen niedrigen Kosten bzw. Gebühren führen würde (vgl. KG FamRZ 2013, 723).
Nach diesen Grundsätzen ist eine Anhebung des Verfahrenswertes vorliegend nicht gerechtfertigt. Zwar hat das Familiengericht in erster Instanz ein Sachverständigengutachten eingeholt, dessen Auswertung den Arbeitsaufwand für alle Verfahrensbeteiligten sicherlich erhöht hat. Dies alleine führt jedoch - auch im Hinblick darauf, dass insgesamt lediglich ein einziger Anhörungstermin durchgeführt wurde - nicht zu einer so bedeutenden Abweichung von dem in einem durchschnittlichen Sorge- oder Umgangsverfahren zu betreibenden Aufwand, dass die nach dem Verfahrenswert von 3.000 EUR anfallenden Gebühren bereits deshalb unvertretbar niedrig erschienen. Die teils vertretene Auffassung, bereits die Einholung eines Sachverständigengutachtens lasse regelmäßig die Erhöhung des Verfahrenswertes geboten erscheinen (vgl. OLG Celle NJW 2011, 1373), teilt der erkennende Senat daher nicht (ebenso OLG Koblenz FamRZ 2015, 1751 [LS]; OLG Düsseldorf FamRZ 2015, 953 [LS], OLG Hamm FamRZ 2012, 1971; Schneider NZFam 2015, 624). Zudem sprechen nach der Vorstellung des Gesetzgebers (s. o.) die schlechten Einkommensverhältnisse des Kindesvaters, dem hier ratenfreie Verfahrenskostenhilfe bewilligt wurde, gegen eine Erhöhung des Verfahrenswertes.
Auch der vom Beschwerdeführer angeführte Umstand, dass das Familiengericht im Rahmen des Sorgeverfahrens nicht nur Ergänzungspflegschaft angeordnet, sondern auch den Pfleger ausgewählt hat, führt nicht zu einer Erhöhung des Verfahrenswerts, zumindest nicht, soweit dieser für die Höhe der Gerichtskoste...