RVG VV Nrn. 1008, 3106; RVG § 14
Leitsatz
- Bei Anwendung der Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 VV ist zunächst der Betragsrahmen der (erhöhten) Verfahrensgebühr festzulegen und dann aus diesem erhöhten Rahmen für den Einzelfall eine angemessene Gebühr unter Berücksichtigung der Maßstäbe des § 14 Abs. 1 RVG zu bilden.
- Eine Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV entsteht auch in den Fällen (in jedem der Verfahren), in denen mehrere nicht förmlich verbundene Verfahren in einem einheitlichen (Gesamt-)Termin in Anwesenheit des zu jedem Verfahren vertretungsbereiten Rechtsanwalts aufgerufen wurden und in denen gebührenrechtlich nicht dieselbe Angelegenheit in Rede steht (gebührenrechtlich nicht dieselbe Angelegenheit i.S.d. § 15 Abs. 2 RVG, vgl. Beschl. d. Senats v. 27.6.2019 – L 10 SF 4412/18 E-B).
LSG Baden-Württemberg, Beschl. v. 9.4.2020 – L 10 SF 4170/18 E-B
1 Sachverhalt
Mit seiner Beschwerde begehrt der Erinnerungsführer eine Vergütung nach dem RVG für seine Tätigkeit als beigeordneter Rechtsanwalt in dem Hauptsacheverfahren S 15 AS 3601/16 beim SG im Rahmen der Prozesskostenhilfe (PKH).
Der Erinnerungsführer vertrat vier Kläger (als Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft) in jeweils verschiedenen Klageverfahren vor dem SG (u.a. die nachfolgend genannten), wobei er den Klägern jeweils nach dem Recht der PKH beigeordnet war.
In dem Verfahren S 15 AS 3600/16 ging es um höhere Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) betreffend den Leistungszeitraum v. 1.8.2015 bis 31.1.2016 (vgl. Widerspruchsbescheid v. 26.10.2016 – W 1352/15). Im Streit standen die Höhe der Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung (Angemessenheit der Kaltmiete, Nichtberücksichtigung von Heizkosten, Nichtberücksichtigung von Abfallgebühren, keine Gewährung eines zusätzlichen Mehrbedarfs wegen dezentraler Warmwasseraufbereitung) sowie die Absetzbeträge im Rahmen der Einkommensanrechnung, namentlich die Nichtberücksichtigung einer Versicherungspauschale wegen einer privaten Unfallversicherung der klagenden beiden Kinder sowie von Kinderbetreuungskosten.
In dem weiteren Klageverfahren S 15 AS 3602/16 (s. dazu das Beschwerdeverfahren L 10 SF 4380/18 E-B) begehrten die Kläger auch für den nachfolgenden Leistungszeitraum v. 1.2.2016 bis 31.7.2016 (vgl. Widerspruchsbescheid v. 26.10.2016 – W 412/16) höhere SGB II-Leistungen, wobei wiederum eine höhere Kaltmiete, der Warmwasseraufbereitungsmehrbedarf und – wegen der privaten Unfallversicherung – die Berücksichtigung der Versicherungspauschale im Streit standen.
In dem vorliegend in Rede stehenden Verfahren S 15 AS 3601/16 machten die Kläger wiederum höhere Leistungen nach dem SGB II geltend, dieses Mal für den Leistungszeitraum v. 1.8.2016 bis 31.12.2016 (vgl. Widerspruchsbescheid v. 27.10.2016 – W 1351/16), erneut unter Berufung auf einen zusätzlichen Mehrbedarf wegen dezentraler Warmwasseraufbereitung bzw. die Berücksichtigung der Unfallversicherung der Kinder im Rahmen der Einkommensanrechnung.
Im Termin am 13.7.2017 – in dem (ohne förmliche Verbindung) die genannten Streitsachen und das weitere Klageverfahren S 15 AS 2899/16 nach gemeinsamer Ladung gemeinsam (in Anwesenheit des Erinnerungsführers) erörtert wurden und der ausweislich der Niederschrift insgesamt 105 Minuten dauerte – schlossen die seinerzeitigen Beteiligten einen sog. Gesamtvergleich, in dem sie die Streitsachen u.a. für "vollumfänglich erledigt" erklärten und eine hälftige Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Kläger "für das Gerichtsverfahren" (wohl gemeint: die Gerichtsverfahren) seitens des beklagten Jobcenters vereinbarten; darüber hinaus trafen sie eine Regelung über die Kostenerstattung in den jeweiligen Widerspruchsverfahren.
Im Verfahren S 15 AS 3600/16 machte der Erinnerungsführer Mitte August 2017 eine Vergütung i.H.v. insgesamt 1.303,50 EUR für jenes Verfahren geltend. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des SG (UdG) teilte ihm daraufhin mit, dass es sich bei den Verfahren S 15 AS 3600/16, S 15 AS 3601/16 und S 15 AS 3602/16 um dieselbe Angelegenheit i.S.d. § 15 Abs. 2 RVG handle, weswegen beabsichtigt sei, die Vergütung unter Berücksichtigung dessen alleine im Verfahren S 15 AS 3600/16 festzusetzen. Unter Hinweis darauf setzte sie sodann mit "Kostenfestsetzungsbeschluss" (richtig: Vergütungsfestsetzungsbeschluss) v. 19.9.2017 im Verfahren S 15 AS 3600/16 die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung auf insgesamt 1.872,47 EUR fest, wobei sie Folgendes zugrunde legte:
Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV |
465,00 EUR |
Erhöhung für 3 weitere Auftraggeber, Nr. 1008 VV |
418,50 EUR |
abzgl. Anrechnung Geschäftsgebühr, Vorbem. 3 Abs. 4 VV |
– 175,00 EUR |
Terminsgebühr, Nr. 3106 VV |
380,00 EUR |
Einigungsgebühr, Nr. 1006 VV |
465,00 EUR |
Pauschale, Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
Zwischensumme |
1.573,50 EUR |
19 % USt., Nr. 7008 VV |
298,97 EUR |
zusammen |
1.872,47 EUR |
Dabei ging die UdG (zusammenfassend) von einer überdurchschnittlichen Bedeutung der Angelegenheit – die jedoch im Hinblick auf die finanziellen Verhältnisse der Kläger "relativiert" werde –, e...