FamGKG §§ 39, 48; BGB § 1361b
Leitsatz
- Nutzungsentschädigungsansprüche nach § 1361b Abs. 3 FamGKG für die Zeit des Getrenntlebens sind nach § 48 Abs. 1 Alt. 1 FamGKG mit einem Regelwert von 3.000,00 EUR zu bewerten.
- Eine Wertaddition nach § 39 Abs. 1 S. 1 FamGKG findet nicht statt, wenn der eine Ehegatte die Überlassung der Ehewohnung nach § 1361b Abs. 1 BGB beantragt und der andere Ehegatte im Wege des Widerantrages Nutzungsentschädigung begehrt.
OLG Frankfurt, Beschl. v. 26.6.2020 – 5 WF 114/20
1 Sachverhalt
Die Antragstellerin hat im ersten Rechtszug die Zuweisung der Ehewohnung für die Trennungszeit beantragt. Im Wege des Widerantrages hat der Antragsgegner beantragt, die Antragstellerin zu verpflichten, ab September 2019 eine monatliche Nutzungsentschädigung i.H.v. 500,00 EUR sowie eine rückständige Nutzungsentschädigung i.H.v. 12.000,00 EUR für die Zeit v. 1.9.2017 bis 31.8.2019 zu zahlen. Mit Beschl. v. 15.4.2020 hat das AG den Verfahrenswert auf 22.000,00 EUR festgesetzt. Der Antrag der Antragstellerin sei nach § 48 Abs. 1 FamGKG mit 4.000,00 EUR und der Widerantrag analog § 51 FamGKG mit 18.000,00 EUR zu bewerten.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners. Er ist der Ansicht, dass sich der Verfahrenswert nur nach dem höheren Wert richte, da beide Gegenstände wirtschaftlich identisch seien. Allein maßgeblich sei insoweit der Jahreswert des begehrten Nutzungsentgelts, hier i.H.v. 12.000,00 EUR.
Der Antragsteller ist der Ansicht, dass der Wert zutreffend bestimmt worden sei.
2 Aus den Gründen
Die nach § 59 Abs. 1 FamGKG zulässige Beschwerde gegen die Festsetzung des Verfahrenswerts führt zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung.
Der erstinstanzliche Verfahrenswert war gem. § 48 Abs. 1 Alt. 1 FamGKG auf 3.000,00 EUR festzusetzen.
Anders als das AG angenommen hat, handelt es sich vorliegend um eine Ehewohnungssache nach § 200 Abs. 1 Nr. 1 FamFG i.V.m. § 1361b BGB, da die Ehe der Beteiligten noch nicht geschieden ist. Der Regelwert beläuft sich daher auf 3.000,00 EUR.
Für den Widerantrag gilt nichts Anderes.
Soweit Nutzungsentschädigungsansprüche für die Zeit des Getrenntlebens betroffen sind (§ 1361b Abs. 3 S. 2 BGB), besteht entgegen der Ansicht des AG keine Veranlassung für eine analoge Anwendung von § 51 Abs. 1 u. 2 FamGKG (ebenso vormals Thiel, AGS 2009, 309, 311). Auch bei der Geltendmachung einer Nutzungsentschädigung nach § 1361b Abs. 3 S. 2 FamGKG handelt es sich um eine Ehewohnungssache i.S.d. § 200 Abs. 1 Nr. 1 FamFG, sodass – wie dies die heute ganz h.M. zu Recht annimmt (BGH NJW 2014, 462; OLG Frankfurt FamRZ 2019, 913; BeckRS 2018, 41011; FamFR 2012, 478; OLG Brandenburg BeckRS 2017, 141527; OLG Karlsruhe NZFam 2016, 514; OLG Koblenz AGS 2013, 287; HK-FamGKG/Türck-Brocker, 3. Aufl., 2019, § 48 FamGKG Rn 23; Dürbeck, in: BeckOK Streitwert/Familienrecht, Stand 1.4.2020, "Ehewohnungssachen" Rn 4; N. Schneider, NZFam 2016, 543, 544) – hier ebenfalls der Wert aus § 48 Abs. 1 Alt. 1 FamGKG zu entnehmen ist. Auf die Höhe der monatlichen Nutzungsentschädigung oder das Bestehen etwaiger Rückstände vor Anhängigkeit kommt es insoweit nicht an.
Die Werte des Ehewohnungszuweisungsantrages und des Widerantrages auf Nutzungsentschädigung sind entgegen der Ansicht des AG auch nicht zusammenzurechnen. Zwar bestimmt § 39 Abs. 1 S. 1 FamGKG, dass die Werte von Antrag und Widerantrag zusammengerechnet werden. Wie die Beschwerde zutreffend ausführt, besteht bei Anwendung von § 33 Abs. 1 FamGKG aber ein ungeschriebenes Additionsverbot dahingehend, dass bei (wirtschaftlicher) Identität der Gegenstände eine Wertaddition zu unterbleiben hat (HK-FamGKG/N. Schneider, § 39 Rn 8). Ein solches Additionsverbot ist nach überwiegender Ansicht bei einem Zusammentreffen von Ehewohnungszuweisungsanträgen mit Nutzungsentschädigungsansprüchen für die Zeit der Trennung anzunehmen (KG FamRZ 2015, 1191; Dürbeck, in: BeckOK Streitwert/Familienrecht, Stand 1.4.2020, "Ehewohnungssachen" Rn 6; N. Schneider, NZFam 2015, 551, 552). Insoweit ist dieser Fall nicht anders zu behandeln, als wenn der Antragsgegner selbst einen Widerantrag auf Überlassung der Ehewohnung gestellt hätte (vgl. AG Mayen AGS 2017, 474; N. Schneider, NZFam 2015, 551, 552), sodass in gebührenrechtlicher Hinsicht nur ein Gegenstand vorliegt.
Da Gründe für eine Anhebung des Verfahrenswerts nach § 48 Abs. 3 FamGKG nicht vorliegen, verbleibt es beim Regelwert nach § 48 Abs. 1 Alt. 1 FamGKG. Eine Bindung an die Wertvorstellungen der Beteiligten besteht bei einer Wertbeschwerde nach § 59 Abs. 1 FamGKG i.Ü. nicht.
Mitgeteilt von RiOLG Dr. Werner Dürbeck, Frankfurt
AGS, S. 402 - 403