Entscheidungsstichwort (Thema)
Streitwert für Nutzungsentschädigungsansprüche nach § 1361b Abs. 3 BGB
Leitsatz (amtlich)
1. Nutzungsentschädigungsansprüche nach § 1361b Abs. 3 BGB für die Zeit des Getrenntlebens sind nach § 48 Abs. 1 Alt. 1 FamGKG mit einem Regelwert von 3.000,- EUR zu bewerten.
2. Eine Wertaddition nach § 39 Abs. 1 S. 1 FamGKG findet nicht statt, wenn der eine Ehegatte die Überlassung der Ehewohung nach § 1361b Abs. 1 BGB beantragt und der andere Ehegatte im Wege des Widerantrages Nutzungsentschädigung begehrt.
Normenkette
BGB § 1361b; FamGKG §§ 39, 48
Verfahrensgang
AG Hanau (Beschluss vom 15.04.2020; Aktenzeichen 61 F 2042/16) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.
Der Verfahrenswert für den ersten Rechtszug wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Kosten werden nicht erstattet (§ 59 Abs. 3 FamGKG).
Gründe
I. Die Antragstellerin hat im ersten Rechtszug die Zuweisung der Ehewohnung für die Trennungszeit beantragt. Im Wege des Widerantrages hat der Antragsgegner beantragt, die Antragstellerin zu verpflichten, ab September 2019 eine monatliche Nutzungsentschädigung in Höhe von 500 EUR sowie eine rückständige Nutzungsentschädigung in Höhe von 12.000 EUR für die Zeit vom 1.9.2017 bis 31.8.2019 zu zahlen. Mit Beschluss vom 15.4.2020 hat das Amtsgericht den Verfahrenswert auf 22.000 EUR festgesetzt. Der Antrag der Antragstellerin sei nach § 48 Abs. 1 FamGKG mit 4.000 EUR und der Widerantrag analog § 51 FamGKG mit 18.000 EUR zu bewerten.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners. Er ist der Ansicht, dass sich der Verfahrenswert nur nach dem höheren Wert richte, da beide Gegenstände wirtschaftlich identisch seien. Allein maßgeblich sei insoweit der Jahreswert des begehrten Nutzungsentgelts, hier in Höhe von 12.000 EUR.
Der Antragsteller ist der Ansicht, dass der Wert zutreffend bestimmt worden sei.
II. Die nach § 59 Abs. 1 FamGKG zulässige Beschwerde gegen die Festsetzung des Verfahrenswerts führt zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung.
Der erstinstanzliche Verfahrenswert war gemäß § 48 Abs. 1 Alt. 1 FamGKG auf 3.000 EUR festzusetzen.
Anders als das Amtsgericht angenommen hat, handelt es sich vorliegend um eine Ehewohnungssache nach § 200 Abs. 1 Nr. 1 FamFG iVm § 1361b BGB, da die Ehe der Beteiligten noch nicht geschieden ist. Der Regelwert beläuft sich daher auf 3.000 EUR.
Für den Widerantrag gilt nichts Anderes.
Soweit Nutzungsentschädigungsansprüche für die Zeit des Getrenntlebens betroffen sind (§ 1361b Abs. 3 S. 2 BGB), besteht entgegen der Ansicht des Amtsgerichts keine Veranlassung für eine analoge Anwendung von § 51 Abs. 1 und 2 FamGKG (ebenso vormals Thiel AGS 2009, 309, 311). Auch bei der Geltendmachung einer Nutzungsentschädigung nach § 1361b Abs. 3 S. 2 FamGKG handelt es sich um eine Ehewohnungssache iSd § 200 Abs. 1 Nr. 1 FamFG, so dass - wie dies die heute ganz herrschende Meinung zu Recht annimmt (BGH NJW 2014, 462; OLG Frankfurt FamRZ 2019, 913; BeckRS 2018, 41011; FamFR 2012, 478; OLG Brandenburg BeckRS 2017, 141527; OLG Karlsruhe NZFam 2016, 514; OLG Koblenz AGS 2013, 287; HK-FamGKG/Türck-Brocker, 3. Aufl. 2019, § 48 FamGKG Rn. 23; Dürbeck in BeckOK Streitwert/Familienrecht, Stand 1.4.2020, "Ehewohnungssachen" Rn. 4; N. Schneider NZFam 2016, 543, 544) - hier ebenfalls der Wert aus § 48 Abs. 1 Alt. 1 FamGKG zu entnehmen ist. Auf die Höhe der monatlichen Nutzungsentschädigung oder das Bestehen etwaiger Rückstände vor Anhängigkeit kommt es insoweit nicht an.
Die Werte des Ehewohnungszuweisungsantrages und des Widerantrages auf Nutzungsentschädigung sind entgegen der Ansicht des Amtsgerichts auch nicht zusammenzurechnen. Zwar bestimmt § 39 Abs. 1 S. 1 FamGKG, dass die Werte von Antrag und Widerantrag zusammengerechnet werden. Wie die Beschwerde zutreffend ausführt, besteht bei Anwendung von § 33 Abs. 1 FamGKG aber ein ungeschriebenes Additionsverbot dahingehend, dass bei (wirtschaftlicher) Identität der Gegenstände eine Wertaddition zu unterbleiben hat (HK-FamGKG/N. Schneider § 39 Rn. 8). Ein solches Additionsverbot ist nach überwiegender Ansicht bei einem Zusammentreffen von Ehewohnungszuweisungsanträgen mit Nutzungsentschädigungsansprüchen für die Zeit der Trennung anzunehmen (KG FamRZ 2015, 1191; Dürbeck in BeckOK Streitwert/Familienrecht, Stand 1.4.2020, "Ehewohnungssachen" Rn. 6; N. Schneider NZFam 2015, 551, 552). Insoweit ist dieser Fall nicht anders zu behandeln, als wenn der Antragsgegner selbst einen Widerantrag auf Überlassung der Ehewohnung gestellt hätte (vgl. AG Mayen AGS 2017, 474; N. Schneider NZFam 2015, 551, 552), so dass in gebührenrechtlicher Hinsicht nur ein Gegenstand vorliegt.
Da Gründe für eine Anhebung des Verfahrenswerts nach § 48 Abs. 3 FamGKG nicht vorliegen, verbleibt es beim Regelwert nach § 48 Abs. 1 Alt. 1 FamGKG. Eine Bindung an die Wertvorstellungen der Beteiligten besteht bei einer Wertbeschwerde nach § 59 Abs. 1 FamGKG im Übrigen nicht.
Fundstellen
Haufe-Index 13940317 |
NJW-RR 2020, 1081 |
JurBüro 2020, 426 |
AGS 2020, 402 |
RVGreport 2020, 471 |
NZFam... |