ZPO §§ 91, 106, 126
Leitsatz
Ist ein Kostenfestsetzungsbeschluss zugunsten der mit Verfahrenskostenhilfe prozessierenden Partei ergangen, dann kann der Kostenschuldner ihr gegenüber so lange aufrechnen, bis dieser Kostenfestsetzungsbeschluss dadurch außer Kraft tritt, dass zugunsten des beigeordneten Rechtsanwalts ein neuer Kostenfestsetzungsbeschluss erlassen wird.
OLG Hamm, Beschl. v. 11.6.2013 – 6 WF 97/13
1 Sachverhalt
In dem Ausgangsverfahren hat der Antragsteller gegen die Antragsgegnerin einen Anspruch auf Gesamtschuldnerausgleich in Höhe von 4.500,00 EUR geltend gemacht. Durch gerichtlichen Vergleich hatte sich die Antragsgegnerin verpflichtet, an den Antragsteller 1.100,00 EUR zu zahlen. Die Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs sind dem Antragsteller zu 3/4 und der Antragsgegnerin zu 1/4 auferlegt worden. Der Verfahrenswert wurde auf 4.500,00 EUR festgesetzt.
Mit Schriftsatz vom 1.6.2012 haben die Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin gem. § 106 ZPO beantragt, Kosten in Höhe von 1.204,64 EUR festzusetzen. Die Vertreter des Antragstellers haben durch Schriftsatz vom 9.7.2012 beantragt, Kosten in Höhe von 1.160,85 EUR nach § 106 ZPO festzusetzen.
Durch Kostenfestsetzungsbeschl. v. 21.9.2012 hat das AG unter Absetzung von Fahrtkosten auf Seiten des Antragstellers den Antragsteller verpflichtet, einen Betrag von 254,07 EUR an die Antragsgegnerin zu zahlen.
Mit Schriftsatz vom 26.11.2012 hat der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin beantragt, den Kostenfestsetzungsbeschl. v. 21.9.2012 zu seinen Gunsten umzuschreiben.
Mit Beschl. v. 7.1.2013 hat das AG einen neuen Kostenfestsetzungsbeschluss erlassen, wonach aufgrund des Vergleichs vom 30.5.2012 vom Antragsteller an die Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin ein Betrag von 254,07 EUR zu erstatten ist. Des Weiteren wurde festgestellt, dass der Kostenfestsetzungsbeschl. v. 20.9.2012 außer Kraft tritt.
Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde. Er weist darauf hin, dass bereits am 8.10.2012 die Aufrechnung mit Ansprüchen aus dem in diesem Verfahren erwirkten Titel erklärt wurde. Die Forderung der Antragsgegnerin gegen den Antragsteller sei damit erloschen. Eine Berechtigung nach § 126 ZPO, die Gebühren im Namen der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin festzusetzen, bestehe nicht mehr.
2 Aus den Gründen
Die gem. § 104 Abs. 3 ZPO zulässige Beschwerde hat Erfolg. Der Kostenfestsetzungsantrag der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin ist unbegründet.
Die Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin haben für die Antragsgegnerin nach § 106 ZPO einen eigenen Kostenfestsetzungsantrag gestellt. Dies ist ungeachtet der Vorschrift des § 126 ZPO möglich, weil die Kostenerstattungsansprüche der Partei aus den §§ 91 ff. ZPO und des beigeordneten Rechtsanwalts nach § 126 ZPO nebeneinander stehen (vgl. OLG Koblenz FamRZ 2012, 1968 [= AGS 2013, 29]; Zöller/Geimer, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 126 Rn 9). Dem folgend hat das AG am 9.7.2012 einen Kostenfestsetzungsbeschluss zugunsten der Antragsgegnerin erlassen. Gegen diesen Beschluss ist kein Rechtsmittel eingelegt worden.
Die Forderung der Antragsgegnerin ist durch die durch Schriftsatz vom 8.10.2012 erklärte Aufrechnung erloschen. § 126 Abs. 2 S. 1 ZPO steht einer Aufrechnung nicht entgegen. Nach der ganz herrschenden Meinung muss ein Rechtsanwalt jedenfalls dann eine Erfüllung gegenüber der Partei gegen sich gelten lassen, wenn zugunsten der Partei ein Kostenfestsetzungsbeschluss erwirkt wurde (OLG Koblenz FamRZ 2012, 1968 [= AGS 2013, 29]; MüKoZPO-Motzer, 4. Aufl. 2013, § 126 Rn 13; Zöller/Geimer, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 126 Rn 18; Büttner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/Dürbeck, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, 6. Aufl. 2012, Rn 787). Wenn ein vollstreckbarer Titel gegen einen Kostenschuldner vorliegt, muss es diesem erlaubt sein, an den Gegner zu zahlen bzw. ihm gegenüber aufzurechnen. Unerheblich ist insoweit, ob der Verfahrensbevollmächtigte seine Forderung bereits geltend gemacht hat (Zöller/Geimer, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 126 Rn 18).
Wenn aber die Forderung erloschen ist, ist eine erneute Festsetzung nach § 126 ZPO zugunsten des Verfahrensbevollmächtigten (diese Vorschrift ermöglicht keine Titelumschreibung nach § 727 ZPO, vgl. MüKoZPO-Motzer, 4. Aufl. 2013, § 126 Rn 9) nicht mehr möglich (OLG Koblenz FamRZ 2012, 1968).
AGS, S. 423 - 424