RVG § 3 RVG VV Nr. 3102 SGG §§ 201, 197a
Leitsatz
Durch die Vertretung eines Rechtsanwalts im Vollstreckungsverfahren gem. § 201 SGG entstehen Betragsrahmengebühren, wenn die Vollstreckungsgläubigerin zu den in § 183 SGG genannten Personen gehört; einer Gegenstandswertfestsetzung bedarf es daher nicht.
SG Fulda, Beschl. v. 5.9.2012 – S 4 U 8/06
1 Sachverhalt
Die Behörde war vom SG verurteilt worden, den Kläger aufgrund verschiedener Gesundheitsschäden zu entschädigen. Ihre Berufung wurde vom LSG zurückgewiesen. Nachdem diese den Bescheid, zu deren Erlass sie verurteilt worden war, nicht erließ, beantragte der Kläger gem. § 201 SGG beim SG, der Behörde unter Setzung einer angemessenen Frist zur Erfüllung ein Zwangsgeld anzudrohen und nach vergeblichem Fristablauf festzusetzen. Hiernach erließ die Behörde den begehrten Ausführungsbescheid. Daraufhin wurden der Behörde die Kosten des Vollstreckungsverfahrens auferlegt. Eine Streitwertfestsetzung lehnte das Gericht ab.
2 Aus den Gründen
Eine Streitwertfestsetzung ist nicht veranlasst. Soweit auch in Vollstreckungsverfahren außerhalb des Anwendungsbereichs von § 197a SGG und bei Beteiligung einer gem. § 183 SGG privilegierten Antragstellerin eine solche vorgenommen wird, schließt sich die Kammer dem nicht an. Zunächst ist dazu festzuhalten, dass auch das Vollstreckungsverfahren gem. § 183 SGG gerichtskostenfrei ist, wenn – wie hier – ein Versicherter oder dessen Sonderrechtsnachfolgerin Beteiligte ist; insoweit werden auch hier keine Kosten nach dem GKG erhoben.
Auch für die Vergütung des Bevollmächtigten bedarf es nicht der Festsetzung eines Streitwerts, denn für die Vertretung in einem Vollstreckungsverfahren, an dem eine privilegierte Person beteiligt ist, entstehen Betragsrahmengebühren.
Dies ergibt sich zunächst aus § 3 RVG, wonach in (allen) Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit Betragsrahmengebühren zur Anwendung kommen, in denen das GKG – wie hier – nicht anzuwenden ist. Zudem werden gem. dessen S. 2 Gebühren auch in sonstigen Verfahren nur dann nach dem Gegenstandswert berechnet, wenn der Auftraggeber nicht zu den in § 183 SGG genannten Personen gehört, was hier aber der Fall ist (vgl. auch Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 201 Rn 4).
Soweit in gerichtlichen Entscheidungen gleichwohl ein Streitwert für das Vollstreckungsverfahren bestimmt worden ist, kann dies nicht überzeugen. So verwechselt das LSG Berlin-Brandenburg (Beschl. v. 27.9.2006 – L 10 B 752/06 AS ER) die Frage, ob das Vollstreckungsverfahren eine "besondere Angelegenheit" gem. § 18 RVG darstellt, mit der Frage, welche Gebührenart dadurch ausgelöst wird. Die von dem Bevollmächtigten der Antragstellerin zitierten Entscheidungen des LSG Baden-Württemberg (Breith, 1997, 732 ff.), des LSG Schleswig-Holstein (Beschl. v. 22.9.2003 – L 6 SF 22/03 SG) und des BSGE 101, 130 ff., betreffen hingegen Verfahren im Anwendungsbereich des § 197a SGG bzw. sind vor dessen Inkrafttreten ergangen.
Eine Streitwertfestsetzung wird auch nicht dadurch notwendig, dass Teil 3, Abschnitt 3, Unterabschnitt 3 des VV keine Rahmengebühr für die Tätigkeit im Vollstreckungsverfahren enthält, sondern nur Wertgebührbestimmungen. Denn für diesen Fall bleibt es im Anwendungsbereich des § 3 RVG gem. Vorbem. 3.1 Abs. 1 VV bei der Anwendbarkeit des 1. Abschnitts des 3. Teils, so dass die Gebühr durch den Bevollmächtigten aus dem Rahmen von Nr. 3102 VV nach den Kriterien des § 14 RVG zu bestimmen ist.
3 Anmerkung
In der Tat fehlt in der derzeitigen Fassung des RVG eine Vorschrift für die Vollstreckung in Sozialsachen, sodass dem Wortlaut nach nur der Rückgriff auf die Rahmengebühr der Nr. 3102 VV bleibt oder auf die Rahmengebühr für eine Einzeltätigkeit nach Nr. 3406 VV in Betracht kommt. Um diese Lücke zu schließen, soll mit dem 2. KostRMoG (dort. Art. 8 Abs. 1 Nr. 3) die Vorschrift des § 3 RVG geändert und dort in Abs. 1 S. 1 folgender neuer Hs. 2 eingefügt werden:
Durch den zweiten Halbsatz soll klargestellt werden, dass in den Verfahren nach § 201 Abs. 1 SGG für den Anwalt Wertgebühren anfallen, selbst wenn in dem zugrunde liegenden Verfahren gem. § 3 Abs. 1 S. 1 RVG nach Betragsrahmen abzurechnen ist. Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit ist in diesem Fall nach § 25 Abs. 1 Nr. 3 RVG zu bestimmen. Maßgebend ist der Wert der zu erwirkenden Handlung, Duldung oder Unterlassung. Die Höhe des anzudrohenden oder zu verhängenden Zwangsgelds ist unbeachtlich, da dies nur Mittel zum Zweck ist. Die Wertfestsetzung ist auf Antrag im Verfahren nach § 33 RVG vorzunehmen.
Beispiel
Die Behörde ist durch Urteil des SG zur Neubescheidung verpflichtet worden. Nachdem sie dieser Verpflichtung nicht nachgekommen ist, beantragt der Anwalt beim SG gem. § 201 Abs...