RVG § 14 Abs. 2 ZPO §§ 411 ff.
Leitsatz
Im Verfahren auf Einholung eines Gutachtens des Vorstands der Rechtsanwaltskammer ist die Verhängung eines Ordnungsgeldes wegen verzögerlicher Bearbeitung nicht zulässig.
KG, Beschl. v. 28.6.2012 – 19 W 3/12
1 Sachverhalt
Das LG bat mit Schreiben vom 27.1.2011 die Rechtsanwaltskammer um die Erstattung eines Gebührengutachtens gem. § 14 Abs. 2 RVG.
Auf Anforderung des LG vom 28.4.2011 schickte die Rechtsanwaltskammer die Akte mit Schreiben vom 13.5.2011 ohne Gutachten an das Gericht zurück. Unter dem 14.9.2011 ist die Akte erneut an die Rechtsanwaltskammer übersandt worden.
Mit Schreiben vom 29.11.2011 bat das LG um Sachstandsmitteilung. Die Rechtsanwaltskammer teilte am 3.1.2012 mit, dass die Erstellung des Gebührengutachtens voraussichtlich bis Ende Februar 2012 andauern werde.
Unter dem 23.2.2012 setzte der zuständige Richter der Rechtsanwaltskammer eine Frist bis zum 15.3.2012 und drohte nach erfolglosem Fristablauf gem. § 411 Abs. 2 ZPO die Festsetzung eines Ordnungsgeldes an.
Mit Beschl. v. 21.3.2012 hat das LG gegen die Rechtsanwaltskammer ein Ordnungsgeld i.H.v. 400,00 EUR verhängt. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Rechtsanwaltskammer, die Erfolg hatte.
2 Aus den Gründen
Der Ordnungsgeldbeschluss des LG war aufzuheben, weil die Verhängung eines Ordnungsmittels gegen die Rechtsanwaltskammer nicht zulässig war.
Im Rechtsstreit zwischen Rechtsanwalt und Mandant hat das Gericht gem. § 14 Abs. 2 S. 1 RVG ein Gutachten des Vorstands der Rechtsanwaltskammer einzuholen, soweit die Höhe der gesetzlichen Rahmengebühr streitig ist.
Die Gutachtenerstellung weist gegenüber dem Sachverständigengutachten nach den §§ 402 ff. ZPO Besonderheiten auf. Das Gutachten ist von Amts wegen einzuholen und gem. § 14 Abs. 2 S. 2 RVG kostenlos zu erstatten. Es handelt sich nicht um eine förmliche Beweisaufnahme; entsprechend durften die am Prozess beteiligten Rechtsanwälte nach der BRAGO keine Beweisgebühr geltend machen (so LG Düsseldorf JurBüro 1990, 872). Das Gutachten ist ein Rechtsgutachten, welches die Kontrolle des anwaltlichen Billigkeitsermessens durch das Prozessgericht unterstützen soll (Winkler, in: Mayer/Kroiß, RVG, 5. Aufl. § 14 Rn 58 u. 76). Das Gutachten ist vom Vorstand der Rechtsanwaltskammer zu erstatten und gem. § 72 BRAO von den beteiligten Gutachtern zu beschließen. Zuständig ist die Rechtsanwaltskammer, welcher der Anwalt zum Zeitpunkt des Rechtsstreits angehört. Eine Auswahlmöglichkeit zwischen mehreren Rechtsanwaltskammern besteht mithin für das Gericht nicht.
Insgesamt handelt es sich bei dem Gutachten der Rechtsanwaltskammer nicht um ein Sachverständigengutachten i.S.d. §§ 404 ff. ZPO. Unter Berücksichtigung der oben genannten Besonderheiten sowie des Umstandes, dass es sich bei der Rechtsanwaltskammer um eine Körperschaft des öffentlichen Rechts handelt, sind Ordnungsmittel nach §§ 409, 411 ZPO nicht zulässig (Winkler a.a.O., Rn 87; Meyer, in: Gerold/Schmidt, 19. Aufl., § 14 Rn 36).