Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 21.03.2012; Aktenzeichen 38 O 419/10) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Rechtsanwaltskammer M vom 5.4.2012 wird der Beschluss des LG Berlin vom 21.3.2012 aufgehoben.
Eine Kostenerstattung findet nicht statt.
Gründe
I. Das LG Berlin bat mit Schreiben vom 27.1.2011 unter Hinweis auf den Beschluss vom 26.1.2011 die Rechtsanwaltskammer M um die Erstattung eines Gebührengutachtens gem. § 14 Abs. 2 RVG.
Auf Anforderung des LG vom 28.4.2011 schickte die Rechtsanwaltskammer die Akte mit Schreiben vom 13.5.2011 ohne Gutachten an das Gericht zurück. Unter dem 14.9.2011 ist die Akte erneut an die Rechtsanwaltskammer M übersandt worden.
Mit Schreiben vom 29.11.2011 bat das LG um Sachstandsmitteilung. Die Rechtsanwaltskammer teilte am 3.1.2012 mit, dass die Erstellung des Gebührengutachtens voraussichtlich bis Ende Februar 2012 andauern werde.
Unter dem 23.2.2012 setzte der zuständige Richter der Rechtsanwaltskammer eine Frist bis zum 15.3.2012 und drohte nach erfolglosen Fristablauf gem. § 411 Abs. 2 ZPO die Festsetzung eines Ordnungsgeldes an.
Mit Beschluss vom 21.3.2012, zugestellt am 31.3.2012, hat das LG Berlin gegen die Rechtsanwaltskammer M ein Ordnungsgeld i.H.v. 400 EUR verhängt. Hiergegen richtet sich die am 11.4.2012 eingegangene sofortige Beschwerde der Rechtsanwaltskammer M.
II. Die gem. §§ 411 Abs. 2, 409 Abs. 2, 567 ff. ZPO zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Der Ordnungsgeldbeschluss des LG Berlin vom 21.3.2012 war aufzuheben, weil die Verhängung eines Ordnungsmittels gegen die Rechtsanwaltskammer M nicht zulässig war.
Im Rechtsstreit zwischen Rechtsanwalt und Mandant hat das Gericht gem. § 14 Abs. 2 Satz 1 RVG ein Gutachten des Vorstands der Rechtsanwaltskammer einzuholen, soweit die Höhe der (gesetzlichen) Rahmengebühr streitig ist.
Die Gutachtenerstellung weist gegenüber dem Sachverständigenbeweis nach den §§ 402 ff. ZPO Besonderheiten auf: Das Gutachten ist von Amts wegen einzuholen und gem. § 14 Abs. 2 Satz 2 RVG kostenlos zu erstatten. Es handelt sich nicht um eine förmliche Beweisaufnahme; entsprechend durften die am Prozess beteiligten Rechtsanwälte nach der BRAGO keine Beweisgebühr geltend machen (OLG Düsseldorf, JurBüro 1990, 872). Das Gutachten ist ein Rechtsgutachten, welches die Kontrolle des anwaltlichen Billigkeitsermessens durch das Prozessgericht unterstützen soll (Winkler in Mayer/Kroiß, RVG, 5. Aufl., § 14 Rz. 58 und 76). Das Gutachten ist vom Vorstand der Rechtsanwaltskammer zu erstatten und gem. § 72 BRAO von den beteiligten Gutachtern zu beschließen. Zuständig ist die Rechtsanwaltskammer welcher der Anwalt zum Zeitpunkt des Rechtsstreites angehört. Eine Auswahlmöglichkeit zwischen mehreren Rechtsanwaltskammern besteht mithin für das Gericht nicht.
Insgesamt handelt es sich bei dem Gutachten der Rechtsanwaltskammer, nicht um ein Sachverständigengutachten i.S.d. §§ 404 ff. ZPO. Unter Berücksichtigung der oben genannten Besonderheiten sowie des Umstandes, dass es sich bei der Rechtsanwaltskammer um eine Körperschaft des öffentlichen Rechts handelt, sind Ordnungsmittel nach §§ 409, 411 ZPO nicht zulässig (Winkler, a.a.O., Rz. 87; Mayer in Gerold/Schmidt, 19. Aufl., § 14 Rz. 36).
Fundstellen
AGS 2012, 599 |
NJW-Spezial 2012, 763 |
RVGreport 2012, 341 |