ZPO § 91 Abs. 2
Leitsatz
- Die Reisekosten eines im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts sind auch dann erstattungsfähig, wenn er seine Kanzlei weder am Sitz der Partei noch am Sitz des Gerichts unterhält. Eine Notwendigkeitsprüfung ist insoweit gesetzlich ausgeschlossen.
- Reisekosten und Kosten für Zeitversäumnis eines informierten Vertreters sind neben den Reisekosten eines Prozessbevollmächtigten nicht erstattungsfähig, wenn das persönliche Erscheinen der Partei nicht angeordnet war.
AG Siegburg, Beschl. v. 13.11.2012 – 103 C 64/12
1 Sachverhalt
Die Klägerin hatte vor dem 12 km entfernten AG Klage erhoben und mit ihrer Vertretung einen Anwalt an einem dritten Ort innerhalb des Gerichtsbezirks, der 15 km vom Gericht entfernt war, beauftragt. Zum Termin hat die Klägerin, da sie verhindert war, ihre Tochter als informierte Vertreterin nach § 141 ZPO entsandt. Das persönliche Erscheinen der Parteien war nicht angeordnet.
Nach erfolgreichem Abschluss des Verfahrens beantragte die Klägerin sowohl die Festsetzung der ihrem Anwalt entstandenen Reisekosten als auch die ihrer Tochter entstandenen Reisekosten sowie eine Entschädigung für deren Zeitversäumnis in Höhe von 3,00 EUR/Stunde.
Die Rechtspflegerin hat die Reisekosten des Anwalts lediglich in Höhe einer Entfernung von 12 km festgesetzt. Die Partei hätte einen an ihrem Wohnsitz ansässigen Anwalt beauftragen können. Es sei nicht notwendig gewesen, einen weiter entfernt wohnenden Anwalt zu beauftragen.
Die Reisekosten und Zeitversäumnis der Tochter hat das Gericht mit der Begründung abgesetzt, dass die Klägerin bereits durch einen Anwalt vertreten gewesen sei. Es sei nicht erforderlich, daneben auch noch einen informierten Vertreter zu entsenden.
Die hiergegen erhobene Erinnerung hatte nur teilweise Erfolg.
2 Aus den Gründen
Die Erinnerung hat aber nur in Höhe von 1,20 EUR zuzüglich Mehrwertsteuer in der Sache Erfolg. Aufgrund des Wortlauts des § 91 Abs. 2 ZPO sind nämlich die Reisekosten des Klägervertreters auch von seinem Kanzleisitz und nicht nur vom Wohnsitz der Klägerin aus zu erstatten, da der Kanzleisitz im Bezirk des Prozessgerichts liegt.
Wie in dem angefochtenen Beschluss zutreffend ausgeführt, sind dagegen die für die Tochter der Klägerin angemeldeten Kosten für Anreise und Zeitaufwand zwecks Wahrnehmung des Verhandlungstermins nicht erstattungsfähig. Deren Teilnahme war nämlich nicht notwendig i.S.v. § 91 Abs. 1 ZPO. Zu diesem Termin, der allein auf Antrag der Klägerin selbst gem. § 495a Abs. 2 ZPO anberaumt worden war, war nämlich deren persönliches Erscheinen nicht angeordnet und auch ihre Anwesenheit zur Sachaufklärung nicht erforderlich. Insoweit aber kann offen bleiben, ob die Klägerin eine Erstattung eventuell eigener Reisekosten sowie Zeitversäumnis erstattet verlangen könnte (vgl. dazu etwa Zöller, § 91 ZPO Rn 13, Stichwort "Reisekosten" m. w. Nachw.). Keinesfalls erscheint aber unter diesen Umständen neben der Vertretung durch ihren Prozessbevollmächtigten eine weitere Vertretung der Klägerin durch ihre Tochter in diesem Termin notwendig.
3 Anmerkung
Zu Leitsatz 1)
Die Entscheidung ist zu Leitsatz 1) zutreffend und entspricht der einhelligen Rspr.
In der Praxis wird hier häufig die eindeutige gesetzliche Regelung nicht genügend beachtet.
Nach § 91 Abs. 2 S. 1, 1. Hs. ZPO ist die Vergütung eines Anwalts grundsätzlich erstattungsfähig. Dazu gehören auch Auslagen, sodass die Reisekosten grundsätzlich erstattungsfähig sind.
Eine Ausnahme gilt nach § 91 Abs. 2 S. 1, 2. Hs. ZPO nur für den nicht im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalt. Nur bei Beauftragung eines im Gerichtsbezirk nicht niedergelassenen Anwalts findet eine Notwendigkeitsprüfung statt. Seine Reisekosten sind nur dann bzw. nur insoweit erstattungsfähig, als seine Hinzuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig war. Daraus folgt aber im Umkehrschluss, dass hinsichtlich der Reisekosten eines im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts keine Notwendigkeitsprüfung stattfindet. Reisekosten eines Anwalts aus dem jeweiligen Gerichtsbezirk sind immer in vollem Umfang erstattungsfähig. Eine Partei ist nicht gehalten, einen am Gerichtsort ansässigen Anwalt zu beauftragen oder einen an ihrem Wohnsitz ansässigen Anwalt. Sie hat vielmehr im gesamten jeweiligen Gerichtsbezirk freie Anwaltswahl und muss sich hier nicht aus Kostenerstattungsgesichtspunkten beschränken.
Zu Leitsatz 2)
Insoweit ist die Entscheidung unzutreffend.
Nach ganz einhelliger Rspr. hat eine Partei immer das Recht, dem Termin zur mündlichen Verhandlung ihres eigenen Verfahrens beizuwohnen. Die hierdurch entstehenden Reisekosten sowie Kosten der Zeitversäumnis sind daher auch immer erstattungsfähig.
Nichts anderes kann aber dann gelten, wenn die Partei verhindert ist und ihre Rechte durch einen von ihr informierten Vertreter ausüben lässt.
Ob das persönliche Erscheinen angeordnet war oder nicht, ist insoweit irrelevant.
Wenn aber die Reisekosten einer Partei zu ihrem Termin grundsätzlich erstattungsfähig sind, dann kann nichts anderes gelten, wenn die Partei an ihrer Stelle...