RVG §§ 15, 16 Nr. 4 RVG VV Nrn. 2500 ff.

Leitsatz

Ein Berechtigungsschein betreffend anwaltliche Beratungshilfe für "Trennung und alle daraus resultierenden Angelegenheiten" beschränkt den Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts gegen die Staatskasse nicht auf eine Angelegenheit, sondern kann Gebührenansprüche für verschiedene Angelegenheiten (hier: Beratungshilfe für Trennungsunterhalt, Kindesunterhalt, Versorgungsausgleich, Vermögensauseinandersetzung, Scheidung, Besuchsrecht bei den Kindern, elterliche Sorge und Hausrat) begründen.

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.10.2012 – I-3Wx 189/12

1 Sachverhalt

Das AG hatte dem Beratungshilfeberechtigten einen Berechtigungsschein für Beratungshilfe durch einen Rechtsanwalt für "Trennung und alle daraus resultierenden Angelegenheiten" gewährt. Die Beteiligten zu 1) wurden im Wege der Beratungshilfe für den Beratungshilfeberechtigten tätig und reichten im Anschluss acht Anträge auf Vergütung durch die Staatskasse ein. Dabei handelt es sich um folgende Anträge:

 
Praxis-Beispiel
 
1. Beratungshilfe für Trennungsunterhalt 99,96 EUR
2. Beratungshilfe für Kindesunterhalt 99,96 EUR
3. Beratungshilfe für Versorgungsausgleich 35,70 EUR
4. Beratungshilfe für Vermögensauseinandersetzung 35,70 EUR
5. Beratungshilfe für Scheidung 35,70 EUR
6. Beratungshilfe für Besuchsrecht bei den Kindern 35,70 EUR
7. Beratungshilfe für elterliche Sorge 35,70 EUR
8. Beratungshilfe für Hausrat 99,96 EUR

Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat zunächst nur einen Betrag von 271,32 EUR festgesetzt. Auf die hiergegen gerichtete Erinnerung der Beteiligten zu 1) hat das AG die Vergütung antragsgemäß auf 478,38 EUR festgesetzt. Das LG hat auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2) die den Beteiligten zu 1) zu zahlenden Gebühren und Auslagen wiederum auf 271,32 EUR festgesetzt, wobei es von insgesamt vier gebührenrechtlichen Angelegenheiten ausgegangen ist und hierfür im Einzelnen je 35,70 EUR für die Angelegenheiten "Scheidung" und "persönliches Verhältnis zu Kindern" und jeweils 99,96 EUR für die Angelegenheiten "Kindesunterhalt, Trennungsunterhalt" und "Hausrat" festgesetzt und den weitergehenden Vergütungsantrag zurückgewiesen hat. Ferner hat das LG die weitere Beschwerde zugelassen.

Mit der weiteren Beschwerde verfolgen die Beteiligten zu 1) den zurückgewiesenen Teil ihrer in erster Instanz gestellten Vergütungsanträge weiter.

Die Beschwerde hatte Erfolg.

2 Aus den Gründen

Die angefochtene Entscheidung des LG beruht auf einer Verletzung des Rechts (§§ 33 Abs. 6 S. 2 RVG, 546 ZPO), nämlich auf der (zusammenfassenden) Behandlung der zur Kostenfestsetzung im Beratungshilfeverfahren angemeldeten Gebühren des Rechtsanwalts als insgesamt vier Angelegenheiten.

Entgegen der Ansicht des LG haben die Beteiligten zu 1) gem. § 44 S. 1 RVG i.V.m. Nrn. 2503, 2501, 7002 VV gegen die Landeskasse für die im Beschluss des AG bezeichneten Angelegenheiten einen Vergütungsanspruch von insgesamt 478,38 EUR.

Die Vergütung für eine Beratungshilfe richtet sich danach, ob eine oder mehrere Angelegenheiten i.S.v. §§ 15 ff. RVG, 2 Abs. 2 BerHG vorliegen und welche Grundsätze – entweder § 16 Nr. 4 RVG oder die zu § 15 Abs. 2 S. 1 RVG entwickelten allgemeinen Grundsätze – für die Bewertung insoweit heranzuziehen sind (KG AGS 2010, 612, 613).

Ein Rückgriff auf § 16 Nr. 4 RVG, wonach "eine Scheidungssache oder ein Verfahren über die Aufhebung einer Lebenspartnerschaft und die Folgesachen dieselbe Angelegenheit sind", ist bei der hier gegebenen Konstellation der Beratungshilfe nicht möglich. Die Bezugnahme auf die entsprechenden Vorschriften der ZPO zeigt, dass diese Vorschrift lediglich das gerichtliche Verbundverfahren betrifft und nicht die einem solchen Verfahren vorgelagerte außergerichtliche Beratungshilfe (OLG Stuttgart FamRZ 2007, 574 [= AGS 2007, 97]; OLG Düsseldorf – 10. Zivilsenat – NJW-RR 2009, 430 [= AGS 2009, 79]; OLG Köln AGS 2009, 422 = FamRZ 2009, 1345; OLG Frankfurt NJOZ 2009, 4576; OLG Hamm FamRZ 2011, 1685, 1686; OLG Nürnberg NJW 2011, 3108 [= AGS 2011, 298]; OLG Celle NJW 2011, 3109 [= AGS 2011, 504]; AnwK-RVG/Fölsch, RVG, 6. Aufl., vor VV 2501 ff. Rn 29).

Die gegenteilige Auffassung (vgl. Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, 20. Aufl., VV 2500-2508 Rn 27; OLG München NJOZ 2012, 285, 286 m. w. Nachw.) verkennt, dass der Begriff "Folgesachen" angesichts der in § 137 Abs. 2 FamFG (früher: § 623 ZPO) enthaltenen Formulierung "wenn eine Entscheidung für den Fall der Scheidung zu treffen ist" Scheidungsfolgen meint, für die das Verbundverfahren vorgesehen ist (OLG Stuttgart a.a.O.). Regelungen für die Zeit einer Trennung fallen hiernach nicht unter den Begriff der Scheidungssache und auch nicht unter den einer Folgesache (OLG Stuttgart und OLG Düsseldorf, jeweils a.a.O.).

Nach den allgemeinen Grundsätzen des § 15 Abs. 2 RVG kann der Rechtsanwalt die von ihm beanspruchten Gebühren "in derselben Angelegenheit" nur einmal fordern. Eine Angelegenheit kann bei mehreren Gegenständen nur dann angenommen werden, wenn ein gleichzeitiger Auftrag, ein gleicher Rahmen und ein innerer Zusammenhang...

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