1 Leitsatz
Beschlüsse, mit denen die Wohnungseigentümer vor dem 1.12.2020 ihre Mängelrechte gegen die Bauträgerin vergemeinschaftet hatten, sind weiterhin wirksam.
2 Normenkette
§§ 9a, 19 Abs. 1 WEG; § 650u BGB
3 Das Problem
Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer K verlangt von B, einer Bauträgerin, u. a. Kostenvorschuss für die Beseitigung von Mängeln am gemeinschaftlichen Eigentum bzw. zu dessen Fertigstellung. Streitig ist, ob K überhaupt prozessführungsbefugt ist. K beruft sich insoweit auf einen Beschluss vom 25.10.2018 und einen vom 29.7.2021. Darüber hinaus beruft sie sich auf die Abtretung der sich aus dem jeweiligen Bauträgervertrag ergebenden Ansprüche von 3 Wohnungseigentümern, die Verträge mit B geschlossen haben.
4 Die Entscheidung
Das OLG meint, K sei prozessführungsbefugt! Die Befugnis folge einerseits aus der Abtretung und andererseits aus dem Beschluss vom 25.10.2018. Nach dem aktuellen WEG sei es zwar nicht mehr möglich, die Rechte der Wohnungseigentümer als Erwerber zu vergemeinschaften. Dies ändere aber nichts an der Wirksamkeit eines vor dem 1.12.2020 gefassten Beschlusses. Werde nach der Vornahme eines im Zeitpunkt der Vornahme rechtmäßigen Rechtsgeschäfts ein Gesetz erlassen, das Rechtsgeschäfte dieser Art verbiete, so wirke das Gesetz grundsätzlich nur für die Zukunft. Die gegenteilige gesetzgeberische Vorstellung (Hinweis auf BT-Drs. 19/18791, S. 47), wonach auf die nunmehr gegen § 9a Abs. 2 WEG verstoßenden Beschlüsse keine weiteren Maßnahmen mehr gestützt werden könnten, treffe nicht zu. Nach § 134 BGB werde ein Rechtsgeschäft durch ein später erlassenes Verbotsgesetz nur dann rückwirkend nichtig, wenn der Gesetzgeber ihm ausdrücklich eine entsprechende Wirkung beimesse. Diese lasse sich weder dem Gesetzeswortlaut noch dem Sinn und Zweck des Gesetzes entnehmen. Unabhängig davon sei die Prozessführungsbefugnis in Anwendung des Rechtsgedankens des § 48 Abs. 5 WEG als fortbestehend anzusehen, bis dem erkennenden Gericht ein entgegenstehender Wille der Wohnungseigentümer zur Kenntnis gebracht werde.
5 Hinweis
Problemüberblick
In diesem stark gekürzten und auf seinen WEG-Kern reduzierten Fall geht eine Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gegen einen Bauträger vor. Das ist im aktuellen Recht problematisch, da jedenfalls § 9a Abs. 2 WEG eine Vergemeinschaftung nicht mehr ermöglicht. Es ist aber vorstellbar, dass § 19 Abs. 1 WEG hier weiterhilft – eine Bestimmung, die das OLG trotz seiner umfangreichen Erwägungen nicht in den Blick nimmt.
Das OLG meint, es komme hierauf nicht an, weil der "Altbeschluss" (= ein Beschluss zur Vergemeinschaftung, der vor dem 1.12.2020 gefasst wurde), nicht unwirksam geworden sei und außerdem Abtretungen vorlägen. Das OLG "stemmt" sich damit gegen den Willen des Gesetzgebers. Denn nach dessen Auffassung sind alle Beschlüsse, die vor dem 1.12.2020 gefasst wurden und für die keine Beschlusskompetenz mehr besteht, unwirksam geworden (s. a. Hügel/Elzer, WEG, 3. Aufl., § 9a Rn. 114). Was insoweit gilt, wird bald der BGH klären. Diesem liegt im Verfahren V ZR 213/21 eine Revision vor, bei der wohl u. a. diese Frage geklärt wird.
Unterlagen vom Bauträger
Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer verfolgt im Fall auch Ansprüche in Bezug auf Unterlagen, nämlich: einen Schallschutznachweis (insbesondere auch zu Wohnungseingangstüren sowie Nachweis über die Einhaltung der geforderten Schallschutzgruppe B 3 der Tab. A1 nach DIN 1793-2 für die Lärmschutzwand), den Nachweis nach den technischen Regeln für die Verwendung von absturzsichernden Verglasungen (TRAV) für die bodentiefen Fenster, den Nachweis einer Legionellenprüfung und der Legionellenfreiheit, Unternehmererklärungen zu den Gewerken mit Auswirkungen auf den Brandschutz sowie die Vorschriften der Energieeinsparverordnung, einen Brandschutz-Prüfbericht By 16-176-1, den Nachweis über die Barrierefreiheit, die Dokumentation in Anlehnung an die WU-Richtlinien, den Nachweis über Einhaltung der Bauregellisten und den Nachweis über die Ersatzbepflanzung von 8 Bäumen.
Das OLG meint, diese Klage könne sich nicht auf den Beschluss vom 25.10.2018 stützen. Die dort beschlossene Ermächtigung zur Geltendmachung von "Fertigstellungs- und Mängelbeseitigungsansprüchen" erstrecke sich nicht auf die Herausgabe von baubezogenen Unterlagen. Sofern eine entsprechende Pflicht bestehe, handele es sich um eine leistungsbezogene Nebenpflicht. Einer Ermächtigung durch den Beschluss vom 29.7.2021 stehe § 9a Abs. 2 WEG entgegen, nach dem die Wohnungseigentümer ihre Ansprüche gegen den Bauträger nicht mehr vergemeinschaften könnten. Zwar könne es unter Umständen die geborene Ausübungsbefugnis einer Gemeinschaft der Wohnungseigentümer in Bezug auf einen Herausgabeanspruch geben (Hinweis auf OLG Stuttgart, Urteil v. 16.11.2016, 3 U 98/16, betreffend den Anspruch auf Herausgabe einer Schließkarte samt Schließplan für die Schließanlage eines Mehrfamilienhauses). Dies gelte aber nicht generell. Vielmehr stünden die Ansprüche auf Herausgabe baubezogener Unterlagen jedem einzelnen Erwerber zu. Die Erforderlichkeit einer einheit...