Leitsatz
Die Gemeinde haftet einem Bauwilligen auf Schadensersatz, wenn sie ihr nach § 36 Abs. 2 BBauG durch Ablauf der Zwei-Monats-Frist fingiertes Einvernehmen in amtspflichtwidriger Weise zurücknimmt.
Sachverhalt
Die Klägerin beabsichtigte, in den Jahren 1995/96 auf einem Gelände im unbeplanten Innenbereich der beklagten Stadt eine Tankstelle zu errichten und reichte zu diesem Zweck einen entsprechenden Bauantrag beim zuständigen Landratsamt als Bauaufsichtsbehörde ein. Dieses forderte die Beklagte zur Stellungnahme über die Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens nach § 36 BBauG auf, das jedoch verweigert wurde. Später räumte die Beklagte gegenüber der Bauaufsichtsbehörde ein, dass ihr Einvernehmen infolge Versäumung der gesetzlich vorgesehenen Zwei-Monats-Frist als erteilt gelte, erklärte jedoch gleichzeitig, dass sie dieses Einvernehmen nunmehr zurückziehe. Die Bauaufsichtsbehörde hielt das Vorgehen der Gemeinde zwar für rechtswidrig, erachtete sich aber gleichwohl daran gebunden und lehnte den Bauantrag ab. Erst durch ein rechtskräftiges verwaltungsgerichtliches Urteil muss sie zur Erteilung der Baugenehmigung gezwungen werden.
Die Klägerin nimmt die Stadt aus Amtshaftung (§ 839 BGB) wegen rechtswidriger Versagung des Einvernehmens auf Ersatz des entstandenen Verzögerungsschadens in Höhe von über 400000 EUR in Anspruch und hat damit Erfolg. Auf das Bauvorhaben war § 36 BBauG anwendbar. Der auf der Planungshoheit beruhenden Beteiligung der Gemeinde am Baugenehmigungsverfahren konnte eine für den Bauwilligen ausschlaggebende Bedeutung zukommen, weil nach damaliger Rechtslage die Baugenehmigungsbehörde ohne Einvernehmen der Gemeinde die Baugenehmigung nicht erteilen durfte. Die Gemeinde war daher gehalten, im Einvernehmen weder zu verzögern oder gar zu versagen, wenn gegen die planungsrechtliche Zulässigkeit des Bauvorhabens keine Bedenken bestehen. Hier hatte die Beklagte ihre durch Fristversäumnis fingierte Einverständniserklärung zurückgezogen, ohne hierzu berechtigt zu sein (Urteil des BVerwG v. 12.12.1996, BauR 1997 S. 444). Dieses Verhalten war auch schuldhaft, denn die Amtsträger der Gemeinde müssen sich die für eine so weittragende Entscheidung erforderlichen Rechts- und Verwaltungskenntnisse, sofern sie sie nicht besaßen, rechtzeitig verschaffen.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil v. 13.10.2005, III ZR 234/04.