Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 22 Abs. 1 WEG, § 14 Nr. 1 WEG
Kommentar
1. Eine Eigentümerin hatte vor ihrem als Loggia ausgestalteten Balkon ihrer EG-Wohnung innenseitig ein "Katzennetz"angebracht, um zu verhindern, dass ihre Perserkatzen bei offen stehender Balkontüre auf die Straße gelangen können. Mit großer Mehrheit beschloss die Gemeinschaft Auftrag an den Verwalter, die Entfernung des Netzes - wenn erforderlich mit anwaltlicher und gerichtlicher Hilfe - durchzusetzen.
Während auf Anfechtung hin das Amtsgericht den Eigentümerbeschluss für ungültig erklärte ("keine Beeinträchtigung des Fassadengesamtbildes", "ansonsten erhebliche Erschwernis der Katzenhaltung"), hob das Landgericht die Entscheidung des Amtsgerichts auf und wies die Beschlussanfechtung zurück (u.a. unter Hinweis auf "nicht unerhebliche Eingriffe in das gemeinschaftliche Mauerwerk des Balkons" und "die Veränderung des architektonischen Aussehens und des ästhetischen Bildes des Anwesens"). Das Rechtsbeschwerdegericht schloss sich der Meinung des Landgerichts an.
2. Vorliegend ist von einer nachteiligen, nicht duldungspflichtigen baulichen Veränderung des Gemeinschaftseigentums im Sinne der §§ 22 Abs. 1 und 14 Nr. 1 WEG auszugehen. Unter einem Nachteil im Sinne des § 14 Nr. 1 WEG ist nicht nur eine erhebliche Beeinträchtigung oder Gefährdung zu verstehen, wenn auch ganz geringfügige Beeinträchtigungen außer Betracht bleiben können. Eine deutlich sichtbare bauliche Veränderung kann schon begrifflich nicht als geringfügig eingestuft werden. Der Schutz der Eigentümer erfordert es, Veränderungen des optischen Eindrucks der Gesamtanlage grds. von ihrer Zustimmung abhängig zu machen, mag eine beabsichtigte Veränderung von einem Teil der Betrachter auch als nicht nachteilig oder gar vorteilhaft ("ästhetisch geglückt") empfunden werden (vgl. bereits OLG Zweibrücken, NJW-RR 87, 1358).
Wenn auch das BayObLG in etwas engerer Betrachtungsweise (gegenüber der wohl h.R.M.) nicht jede Änderung des architektonischen Erscheinungsbildes als einen nicht hinzunehmenden Nachteil erachtet und von verneinter Duldungspflicht nur bei einer nicht ganz unerheblichen negativen Veränderung des optischen Gesamteindrucks der Wohnanlage ausgeht, ist im vorliegenden Fall auch unter Anwendung dieser einschränkenden Rechtsprechung der angefochtene Beschluss der Wohnungseigentümer nicht zu beanstanden. Nach rechtsfehlerfrei vom Landgericht tatrichterlich getroffener Feststellungen war das Katzennetz bei Betrachtern der Hausfassade ohne weiteres erkennbar. Damit musste das Landgericht auch nicht unbedingt Augenschein vor Ort nehmen, sondern konnte sich zum Beweis mit den vorgelegten Lichtbildern begnügen.
Auch nach Meinung des Senats unter Zugrundelegung dieser Lichtbilder war vorliegend von einer nicht ganz unerheblichen Beeinträchtigung des optischen Gesamteindrucks der Wohnanlage auszugehen. Das einheitliche und harmonische Bild der Fassade wird für den Betrachter deutlich erkennbar und störend unterbrochen. Gerade bei der Gestaltung einer Gebäudefassade gelten insoweit strenge Anforderungen. So wurden in der Rechtsprechung ästhetische Beeinträchtigungen bzw. Verschlechterungen des optischen Erscheinungsbildes auch durch ca. 15 cm vorstehende Rolllädenkästen (OLG Düsseldorf, NJW-RR 95, 1418), eine Ladenmarkise (KG Berlin, NJW-RR 95, 587) oder eine Balkonmarkise (BayObLG, NJW-RR 96, 266) anerkannt.
Zu Recht verwies das Landgericht im vorliegenden Fall auch darauf, dass im Fall der Zulässigkeit des Katzennetzes auch anderen Wohnungseigentümern das Anbringen vielleicht unterschiedlichster Netze für Vögel, Katzen, Hunde oder sonstige Tiere (bei Vogelhaltung z.B. sehr engmaschig) gestattet werden müsste und infolgedessen nicht auszuschließen wäre, dass eine Vielzahl von Balkonen in unschöner Weise - "fast an eine Baustelle erinnernd" - verhängt werden.
3. Keine außergerichtliche Kostenerstattung im Rechtsbeschwerdeverfahren aufgrund der unterschiedlichen Vorinstanzentscheidungen bei Geschäftswert III. Instanz von DM 2.000,-.
Link zur Entscheidung
( OLG Zweibrücken, Beschluss vom 09.03.1998, 3 W 44/98 [mitgeteilt von Richter am OLG Hoffmann])
zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer