Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 23 Abs. 2 WEG
Kommentar
1. Unter dem TOP "Sonstiges" oder "Verschiedenes" werden nicht selten auf Wunsch in der Eigentümerversammlung vertretener Miteigentümer (aus Gründen eines Zeitgewinns) konkrete Beschlüsse gefasst, ohne dass abwesende Eigentümer hierüber informiert sind (sein können), da eben der konkrete Beschlussgegenstand insoweit gemäß § 23 Abs. 2 WEG nicht in der Einladung vermerkt ist/war. Auf fristgemäße Anfechtung hin muss ein solcher Beschluss stets für ungültig erklärt werden, und zwar entgegen der Meinung des BayObLG (WE 86, 72), wenn dort ausgeführt wird, dass unter einem Tagesordnungspunkt "Sonstiges" allenfalls Angelegenheiten beschlossen werden können, die "von untergeordneter Bedeutung" seien. Dieser Meinung seien etwa auch Weitnauer (7. Aufl., Rn. 3e) und Henkes/Niedenführ/Schulze (2. Aufl., Rn. 9 jeweils zu § 23 WEG) ohne eigene Wertung gefolgt.
Mit dem Begriff "von untergeordneter Bedeutung" in solch allgemeiner und unbestimmter Form werde nach Meinung des hier entscheidenden Amtsgerichts München wieder einmal ohne jeden sachlich gebotenen Anlass einer uferlosen Kasuistik Tür und Tor geöffnet. Damit werde die Rechtssicherheit untergraben, auf die die tägliche Verwalterpraxis angewiesen sei.
Auch im vorliegenden Fall sei der Verwalter im Protokoll mit seiner Sternchen-Kennzeichnung zutreffend davon ausgegangen, dass mangels Ankündigung der Beschluss der Aufhebung unterliege. Er habe dabei keine Abwägung vorgenommen, ob (im vorliegenden Fall ging es unter "Verschiedenes" um die mehrheitlich beschlossene Aufstellung von Wäschespinnen in sondergenutzten Vorgärten, was mehrheitlich angenommen, jedoch von einem Eigentümer angefochten wurde) diese Wäschespinnen von untergeordneter Bedeutung sein könnten. (Nach Meinung des Gerichts untergeordnet gegenüber was? Im Verhältnis zum restlichen Programm dieses Abends? Bei den für Wäschespinnen anfallenden Kosten in deren Verhältnis etwa zum Gesamtvolumen des Wirtschaftsplanes? Beim jeweiligen Aufstellplatz einer solchen Spinne im Verhältnis zur restlichen Optik des gesamten Gartengeländes? Oder allgemein im Verhältnis zur Größe der Wohnanlage, insbesondere zur Zahl der vorhandenen Einheiten?)
All dies zeige, dass Differenzierungen dieser Art für die Praxis nicht brauchbar seien. Ein Verwalter müsse sofort und rein formal entscheiden können, ob er ein erst in der Versammlung vorgetragenes Thema zur Abstimmung zulassen könne. In dieser Weise müsse die bisher klare und keine Ausnahmen zulassende Linie wiederhergestellt werden.
2. Keine außergerichtliche Kostenerstattung bei Geschäftswertansatz von 5.000 DM.
Link zur Entscheidung
( AG München, Beschluss vom 30.06.1994, UR II 275/94 WEG/2)
Zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer
Anmerkung:
Diese Meinung entspricht auch der diesseits in ETW stets vertretenen Auffassung.
Unter dem TOP "Verschiedenes" können im Anschluss an Hinweise eines Verwalters zum Anfechtungsrisiko jegliche Beschlüsse gefasst werden. Bestandskräftig und verbindlich werden solche Beschlüsse allerdings nur, wenn sie nicht fristgemäß angefochten werden. Es handelt sich also um sog. Zitterbeschlüsse, da § 23 Abs. 2 WEG abdingbares Recht darstellt. Erfolgt tatsächlich eine fristgemäße Beschlussanfechtung unter Hinweis auf fehlende Information, muss auch m.E. jedweder Beschluss aufgrund einer Verletzung der gesetzlichen Regelung für ungültig erklärt werden. Wer will andernfalls die Entscheidung treffen, welcher Beschluss bedeutsam sei, welcher nur von untergeordneter Bedeutung?
Gerade das richtungsweisende BayObLG sollte deshalb bei nächster Gelegenheit in dieser Frage wieder klar und auslegungsfrei im Sinne des Gesetzes und der früher herrschenden Rechtsmeinung entscheiden. [Das BayObLG hat seine differenzierende Rechtsprechung jedoch beibehalten und ohne neuerliche Problematisierung verfestigt.]