Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
Ungültiger Beschluss über die Genehmigung eines Vergleiches in einem vorausgegangenen Beschlussanfechtungsverfahren mit Kostenverteilungsänderung (Kostenfreistellung einzelner Eigentümer)
Normenkette
§ 16 Abs. 1 WEG, § 22 Abs. 1 WEG
Kommentar
1. Die Verwaltung hatte in einer Großgemeinschaft aufgrund unerträglicher Zustände im Haus eine private Detektiv- und Bewachungsfirma beauftragt, was zu hohen Kosten führte. In einer außerordentlichen Eigentümerversammlung genehmigten die Eigentümer mehrheitlich die Beauftragung des Sicherheitsdienstes nebst der von der Verwaltung bislang vorgenommenen Finanzierung dieser Maßnahme durch Inanspruchnahme der Rücklagen und bevollmächtigten die Verwaltung, überdies wegen noch zu erwartender Kosten eine Sonderumlage zu erheben. Dieser Beschluss wurde von 4 Eigentümern angefochten; vor dem Landgericht schlossen die Beteiligten einen verfahrensbeendenden Vergleich, der zur Rücknahme der Anfechtungen führte bei gleichzeitig vereinbarter Freistellung der anfechtenden Eigentümer hinsichtlich bereits entstandender Kosten der Überwachungsmaßnahmen und auch künftig anfallender Bewachungskosten.
In nachfolgender außerordentlicher Eigentümerversammlung wurde dieser den Vergleich genehmigende Eigentümerbeschluss (nur) mehrheitlich angenommen, sodass dann im Verfahren in vereinbarter Frist auch kein Widerruf erfolgte.
2. Der neuerliche vergleichsgenehmigende Beschluss wurde jedoch von einer Eigentümerseite angefochten, mit der Begründung, dass sich durch die Freistellung einzelner Eigentümer der eigene Anteil an diesen Überwachungskosten erhöht habe bzw. erhöht umgelegt werde. Das Landgericht und auch der Rechtsbeschwerdesenat erklärten diesen vergleichsgenehmigenden Beschluss für ungültig (obgleich er das alte Beschlussanfechtungsverfahren beendet habe). Bei bestätigter Freistellung einzelner Miteigentümer (aufgrund wirksamer Vergleichsgenehmigung) sei die neuerliche Antragstellerseite gehindert, evtl. Schadenersatzansprüche gegenüber der Verwaltung geltend zu machen. Der Beschlussgegenstand sei nicht einer Mehrheitsentscheidung fähig gewesen; die nachträgliche Genehmigung der Aufwendungen für die "Sicherheitstruppe" hätte angesichts des Umfanges dieser Maßnahmen einstimmig erfolgen müssen, und zwar gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 WEG, eine solche Maßnahme gehe über ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung hinaus; das Erfordernis der einstimmigen Beschlussfassung müsste auch für die Genehmigung eines gerichtlichen Vergleichs gelten (auch wenn dieser nicht mehr zu revidieren sei).
In der Kostenfreistellung einzelner Eigentümer (im Rahmen des mehrheitlich genehmigten Vergleichs) läge eine Änderung des § 16 Abs. 2 WEG, also des gesetzlichen Kostenverteilungsschlüssels. Der Verwalter sei insoweit nicht befugt, Kosten und Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums selbstständig zu regeln, sodass dieser vergleichsgenehmigende Beschluss der Einstimmigkeit bedurft hätte. Eine Änderung eines Kostenverteilungsschlüssels sei auch nur zulässig, wenn hierfür ein sachlicher Grund vorliege und einzelne Eigentümer gegenüber dem bisherigen Rechtszustand nicht unbillig benachteiligt würden (BGH Z 95, 137 = NJW 85, 2832). Für eine solche Freistellung einzelner Eigentümer habe kein sachlicher Grund vorgelegen, was im Verfahren auch unwidersprochen blieb.
Im früheren, vergleichsweise beendeten Streit sei auch nur die Beauftragung des Sicherheitsdienstes und die bislang von der Verwaltung vorgenommene Finanzierung für diese Maßnahme genehmigt worden, ebenso die Berechtigung der Erhebung einer Sonderumlage für künftige Finanzierungen. Eine Freistellung einzelner Eigentümer von diesen Kosten sei nicht Gegenstand der Beschlussfassung gewesen. Die jetzige Anfechtungsantragstellerseite habe deshalb in keinem Fall mit einer Mehrbelastung aufgrund der vergleichsweise getroffenen Freistellungsregelung rechnen müssen, sodass sie zu Recht den vergleichsgenehmigenden Beschluss nicht akzeptieren musste.
3. Keine außergerichtliche Kostenerstattung dieses Rechtsbeschwerdeverfahrens bei Geschäftswertansatz von DM 30.000,-.
Link zur Entscheidung
( OLG Zweibrücken, Beschluss vom 15.04.1993, 3 W 22/93)
zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer
Anmerkung:
Da das alte Beschlussanfechtungsverfahren durch Vergleich beendet wurde, müssten die Kosten wohl nunmehr auf alle Eigentümer umgelegt werden; dies müsste der Verwalter veranlassen, ohne wohl selbst insoweit persönlich schadenersatzpflichtig zu sein. Eine interessante Rechtsfrage stellt sich insoweit m. E. nun jedoch in Bezug auf das alte, abgeschlossene Anfechtungsverfahren zu § 45 Abs. 4 WEG i.V.m. § 779 BGB.