Leitsatz

  • Anfechtungsberechtigung des Erstehers in der Zwangsversteigerung bei Zuschlagserteilung in der Anfechtungsfrist?

    Keine Wiedereinsetzung bei schuldhafter Versäumung der Frist

 

Normenkette

§ 23 Abs. 4 WEG

 

Kommentar

1. Im vorliegenden Fall kann es dahingestellt bleiben, ob derjenige, der eine Eigentumswohnung im Wege der Zwangsversteigerung erwirbt, überhaupt berechtigt ist, Wohnungseigentümerbeschlüsse anzufechten, die vor dem Zuschlag gefasst wurden, sofern die Anfechtungsfrist im Zeitpunkt des Zuschlags noch lief.

2. Jedenfalls kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Anfechtungsfrist nicht gewährt werden, wenn sich der Ersteher nicht um die Beschlusslage der Gemeinschaft, insbesondere darum, ob im Zeitpunkt des Zuschlags noch Anfechtungsfristen liefen, kümmert.

 

Link zur Entscheidung

( LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 02.07.1990, 2/9 T 311/90= ZMR 1991, 193)

zu Gruppe 7: Gerichtliches Verfahren

Anmerkung:

Diese Entscheidung behandelt ein ähnliches Problem wie es vom AG Gießen, Entscheidung vom 07.12.1990, 22 II 17/90bzgl. eines rechtsgeschäftlichen Rechtsnachfolgers - dort m. E. unzutreffend - entschieden wurde [korrigiert durch OLG Frankfurt, Entscheidung vom 14.04.1992, 20 W 202/91].

Im vorliegenden Fall ist die Meinung des Landgerichts Frankfurt nicht zu beanstanden, dass ein Verwalter nicht verpflichtet war, einen Ersteher von sich aus über Beschlüsse informieren zu müssen, wenn zum Zeitpunkt der Beschlussfassung der Ersteher noch nicht Wohnungseigentümer war. Ob nun der Ersteher von der Versammlung und gefassten Beschlüssen zum Zeitpunkt der Zuschlagserteilung an ihn Kenntnis hatte oder nicht, er hätte sich hier um diese Fragen und etwa noch laufende Anfechtungsfristen selbst kümmern können. Zu Recht meint das Gericht, dass es nicht angehe, dass jemand eine Wohnung ersteigere, sich danach völlig passiv und desinteressiert verhalte und dann aber glaube, noch nachträglich inzwischen bestandskräftig gewordene Beschlüsse über Wiedereinsetzungsantrag anfechten zu können. Ob überhaupt dem Ersteher eine Anfechtungsberechtigung zuzusprechen sei, müsse deshalb als zweifelhaft angesehen werden, weil er im Beschlusszeitpunkt nicht Mitglied der Gemeinschaft gewesen sei und er mangels eines Stimmrechts auch nicht die Möglichkeit besessen hätte, eine Beschlussfassung zu beeinflussen.

In diesem Fall bin ich nach wie vor (vgl. auch meine Anmerkung zu AG Gießen, Entscheidung vom 07.12.1990, 22 II 17/90) der Meinung, dass der Ersteher ein Recht zur Anfechtung in offener Anfechtungsfrist besaß (ab seiner Eigentumsstellung im Rahmen noch offener Restanfechtungsfrist).

Ergänzend stellt allerdings - für mich überraschend - das Gericht fest, dass zwar der Ersteher in der Zwangsversteigerung richtigerweise originär Eigentum erworben habe, dass er damit jedoch nicht Rechtsnachfolger des Voreigentümers geworden sei (unter Hinweis auf BayObLG vom 25. 7. 1984, Rechtspfleger 1984, 428 betreffend die verneinte Haftung des Erstehers für Wohngeldrückstände des früheren Eigentümers). Bereits nach zwingender - derzeitiger - gesetzlicher Regelung im Zwangsversteigerungsgesetz (ZVG) haftet der Ersteher nicht für wirkliche Altrückstände eines Voreigentümers. Allerdings tritt er in die Gemeinschaft ein mit allen Rechtsfolgen, die sich insbesondere aus § 10 WEG ergeben. Mit Zuschlag beginnt mit dem Neueigentümer eine neue Mitgliedschaft. Richtig ist, dass keine Anfechtungsrechte übertragen werden können. Allerdings kann in offener Frist, solange der Voreigentümer als Eigentümer im Grundbuch noch eingetragen ist, dieser anfechten (oder auch nicht), ebenso m. E. jeder Rechtsnachfolger (auch der in der Versteigerung) als neuer Eigentümer, soweit die Beschlussanfechtungsfrist als materiell-rechtliche Ausschlussfrist noch nicht abgelaufen ist. Bei diesen Anfechtungsberechtigungen nach § 43 WEG handelt es sich nicht um Fragen der Mitgliedschaft oder der "Fortsetzung" einer Frist in neuer Person, sondern um jeweils eigene Rechte der Eigentümer nach dem WEG. Auch der Ersteher in der Zwangsversteigerung ist selbstverständlich ein Sonderrechtsnachfolger im Sinne des § 10 Abs. 3 WEG!

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