Normenkette

§ 16 Abs. 2 WEG, § 56 ZVG

 

Kommentar

Der Ersteher von Wohnungseigentum in der Zwangsversteigerung haftet für die vor dem Zuschlag angefallenen Lasten und Kosten des gemeinschaftlichen Eigentums auch dann nicht, wenn die Abrechnung eines vor dem Zuschlag abgelaufenen Wirtschaftsjahres erst nach dem Zuschlag erstellt und bekannt gemacht wird.

 

Link zur Entscheidung

( BGH, Beschluss vom 27.06.1985, VII ZB 16/84)

Zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer

Anmerkung:

Zum heftig umstrittenen Thema der Erwerber- und Ersteherhaftung für Hausgeldrückstände des Veräußerers bzw. Voreigentümers hat nunmehr der BGH (zur Rechtsnachfolge in der Zwangsversteigerung) die Auffassung des vorlegenden Kammergerichts Berlin bestätigt und damit gleichzeitig die abweichende Meinung des OLG Stuttgart abgelehnt. Das OLG Stuttgart stellte in diesen Haftungsfragen bekanntlich auf die Fälligkeit von Forderungen ab.

Der BGH hat nun zumindest für den Fall der Zwangsversteigerung ausgesprochen, dass der durch Zuschlag in der Versteigerung neu in die Gemeinschaft eintretende Wohnungseigentümer auch dann nicht für die in der Zeit vor seinem Eintritt angefallenen Kosten und Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums aufzukommen habe, wenn die den Rückstand ausweisende Jahresabrechnung erst nach dem Zuschlagsbeschluss erstellt und von der Versammlung gebilligt worden sei (unter Hinweis auf Zeller, Palandt/Bassenge und Augustin gegen die Meinung von Bärmann/Pick/Merle, Deckert und Soergel/Stürner).

Bezugnehmend auf eine frühere Entscheidung bestätigte also der BGH, dass der Ersteher von Wohnungseigentum in der Versteigerung nicht kraft Gesetzes für Hausgeldrückstände des Voreigentümers haften müsse, und zwar gleichviel, ob es sich um eine nach Zuschlag durch Beschluss "konkretisierte Restforderung" handele oder ob eine Forderung den gesamten anteiligen Verwaltungsaufwand umfasse. Hinsichtlich der Lasten folge dies bereits aus § 56 Abs. 1 S. 2 Zwangsversteigerungsgesetz (ZVG) i.V.m. § 103 BGB. Dieser Gedanke müsse auch für die sonstigen anteiligen Kosten nach § 16 Abs. 2 WEG gelten.

Die vor dem Zuschlag für die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums angefallenen Kosten seien ohne Mitwirkung des Erstehers zustande gekommen; er habe sie auch nicht beeinflussen können. Hafte der Voreigentümer im Außenverhältnis gesamtschuldnerisch für in seiner Eigentumszeit begründete Schulden, so sei nicht einzusehen, warum im Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander etwas anderes gelten solle.

Der BGH führte dann noch aus, dass dieses Ergebnis sach- und interessengerecht sei, da es andernfalls die Wohnungseigentümer in der Hand hätten, sich durch Verzögerung der Abrechnung einen neuen - möglicherweise finanzkräftigeren - Schuldner zu verschaffen. Im Übrigen würde dadurch auch eine gesetzlich nicht vorgesehene Haftung des Erstehers für persönliche Schulden seines Rechtsvorgängers begründet werden. Ein solches Ergebnis wäre unbillig und mit der gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbaren.

Die Entscheidung des BGH ist aus der Sicht des ZVG (und damit der Interessenlage des Erstehers) sicher vertretbar, wird jedoch gerade aus wohnungseigentums-dogmatischen Gründen insbesondere die Kritik von Bärmann hervorrufen. Was im entschiedenen Fall für die Zwangsversteigerung gilt, könnte nun wohl auch für jeden rechtsgeschäftlichen Veräußerungsvorgang Berücksichtigung finden. Schade ist, dass sich der BGH in dieser wichtigen Frage mit dem umstrittenen grundsätzlichen Problem der Erwerberhaftung meines Erachtens nicht genügend auseinandergesetzt hat und auch nicht auf das Kriterium der Fälligkeit einer Hausgeldrückstands- bzw. Restforderung näher eingegangen ist. Will man schon der herrschenden Rechtsmeinung folgen, dass ein Rechtsnachfolger nicht kraft Gesetzes für Hausgeldrückstände haften müsse, die als Vorauszahlungsforderungen bereits in der Eigentumszeit des Voreigentümers fällig geworden seien, so muss doch meines Erachtens bei einer Einzelabrechnungssaldierung nach einer Jahresabrechnungsgenehmigung durch Mehrheitsbeschluss zur Eigentumszeit eines Erwerbers das Beschlussdatum der Abrechnungsgenehmigung maßgebend sein, zumindest für "Rest-Hausgeldrückstände" (also für Mehrkostenaufwand, der mit pünktlich bezahlten Hausgeldvorauszahlungen tatsächlich nicht abgedeckt wurde oder mit anderen Worten: der Hausgeldrückstand minus die nicht geleisteten Vorauszahlungen [aus heutiger Sicht: der sog. Abrechnungsspitze]). Die tatsächlichen Ausgaben im Wirtschaftsjahr des Voreigentümers kommen doch auch regelmäßig dem Rechtsnachfolger zugute: Er ist auch derjenige, der grundsätzlich mit seinem Stimmrecht die entsprechenden genehmigenden Entscheidungen über die Abrechnung eines abgelaufenen Wirtschaftsjahres trifft. Bei der Frage der saldierten Einzelabrechnungsrestschuld handelt es sich auch nicht um die gesamtschuldnerische Haftung eines jeden Eigentümers im Außenverhältnis, sondern um eine interne Kostenverteilung in der Gemeinschaft, und zwar aller gemeinschaftli...

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