1 Leitsatz

Nach Einreichung der Anfechtungsklage darf der Anfechtungskläger die Kostenvorschussanforderung abwarten, muss jedoch, wenn diese ausbleibt, spätestens nach 6 Wochen beim Gericht nachfragen. Dieselbe prozessuale Obliegenheit trifft den Anfechtungskläger, in dessen Verfahren nichts passiert, obwohl er den Gerichtskostenvorschuss eingezahlt hat.

2 Normenkette

§ 45 WEG; § 167 ZPO

3 Das Problem

Es handelt sich um eine Zweiergemeinschaft aus Wohnungseigentümer K und Wohnungseigentümer B. Ein Verwalter ist nicht bestellt. Wohnungseigentümer B beschließt am 19.11.2019 das Dach neu einzudecken. Gegen diesen Beschluss geht K vor. Seine Klage geht beim Gericht am 19.12.2019 ein. Mit Beschluss vom 27.12.2019 wird der Gebührenstreitwert auf 49.970 EUR festgesetzt und am 30.12.2019 der Gerichtskostenvorschuss angefordert. Dieser geht am 15.1.2020 bei Gericht ein, die Klagebegründung am 20.1.2020. Die Akte wird dem Richter versehentlich aber nicht vorgelegt. Am 6.7.2020 geht eine Sachstandsanfrage des Klägervertreters ein. Aufgrund dieser Sachstandsanfrage wird die Akte dem Richter am 8.7.2020 vorgelegt. Terminsladung und Klageschrift werden den Wohnungseigentümern am 14.7.2020 zugestellt.

4 Die Entscheidung

Das AG hält die Anfechtungsfrist für nicht gewahrt. Die Klage sei zwar innerhalb der Monatsfrist bei Gericht eingegangen. Dies genüge jedoch nicht zur Fristwahrung. Da die Anfechtungsfrist nur durch Klageerhebung gewahrt werde und daher für die Fristwahrung die Zustellung der Anfechtungsklage maßgeblich sei, müsse die Anfechtungsklage innerhalb der Anfechtungsfrist oder zumindest demnächst (§ 167 ZPO) zugestellt werden. Hieran fehle es.

K habe es untätig hingenommen, dass das Gericht geschlafen habe. Nach ständiger Rechtsprechung dürfe der Anfechtungskläger zwar die Kostenvorschussanforderung abwarten, müsse jedoch, wenn diese ausbleibe, spätestens nach 6 Wochen beim Gericht nachfragen. Unterlasse er dies, sei die Zustellung nicht mehr demnächst i. S. d. § 167 ZPO (Hinweis u. a. auf LG Frankfurt, Urteil v. 3.12.2014, 2-13 S 143/13). Diese Rechtsprechung sei mit dem Fall vergleichbar. Wenn den Anfechtungskläger, der nach Klageeinreichung keine Kostenvorschussanforderung erhalte, die prozessuale Obliegenheit treffe, innerhalb von 6 Wochen beim Gericht nachzufragen, so treffe dieselbe Obliegenheit den Anfechtungskläger, in dessen Verfahren überhaupt nichts passiere.

Hinweis

Das AG hat natürlich Unrecht! Der Wohnungseigentümer muss das Gericht nicht zum Jagen tragen. Hat er alles getan, hat er vor allem die Gebühr im Allgemeinen eingezahlt, muss er nichts mehr unternehmen. Ist – wie im Fall – eine Zustellungsverzögerung vom Gericht zu vertreten und hat sie ihre Ursache allein im Bereich des Gerichtes, ist die Länge der Verzögerung für die Frage einer demnächstigen Zustellung völlig unbeachtlich (Hügel/Elzer, WEG, 3. Aufl., § 45 Rn. 10 mit weiteren Nachweisen). Dieses ist z. B. der Fall, wenn das Gericht die Zustellung der Klage "aus prozessökonomischen Gründen" zurückstellt, eine Akte wie im Fall "verfächert" oder andere Fehler begeht. Auch Verzögerungen, die aus einer Zustellung an die Wohnungseigentümer selbst herrühren, können in Anwendung von § 167 ZPO dem Kläger nicht zugerechnet werden.

5 Entscheidung

AG Wiesbaden, Urteil v. 2.10.2020, 92 C 4393/19

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