Leitsatz
Der Beklagte hatte Wiedereinsetzungen in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist beantragt. Das erstinstanzliche Urteil, in dem er zur Zahlung von Kindesunterhalt verurteilt worden war, war ihm am 19.4.2006 zugestellt worden. Bei dem OLG per Fax eingegangen am 6.6.2006 und im Original am 8.6.2006 hatte der Beklagte gegen das Urteil des erstinstanzlichen Gerichts Berufung eingelegt und zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.
Zur Begründung seines Wiedereinsetzungsgesuchs hat er vorgetragen, an der Versäumung der am 19.5.2006 abgelaufenen Berufungsfrist treffe ihn kein Verschulden. Auch ein zurechenbares Verschulden seines Prozessbevollmächtigten liege nicht vor. Sein Prozessbevollmächtigter habe seinem Bürovorsteher, der seit Mai 2003 in der Kanzlei tätig und zuvor über 20 Jahre alt als Anwalt bei dem OLG Oldenburg zugelassen und aktiv gewesen sei, den Auftrag erteilt, die Berufungsschrift zu entwerfen und dem Prozessbevollmächtigten zur Unterschrift vorzulegen. Die Berufungsschrift sei dann von dem Bürovorsteher diktiert worden. Das Diktat sei ihm sodann zur Kontrolle vorgelegt worden. Dabei habe der Bürovorsteher übersehen, dass die Adresse in der Berufungsschrift unrichtig angegeben und die Berufung tatsächlich an das LG Neubrandenburg gerichtet gewesen sei. Der Fehler könne nur darauf zurückgeführt werden, dass der Bürovorsteher nur darauf geachtet habe, dass die relevanten Daten aus dem Urteil des AG richtig übertragen worden waren.
Der Beklagte ließ sich ferner dahingehend ein, sein Prozessbevollmächtigter habe sich darauf verlassen und angesichts der Vorbildung und der früheren Tätigkeit seines Bürovorstehers auch verlassen dürfen, dass die Berufungsschrift insgesamt auf seine Richtigkeit überprüft worden sei, also auch darauf, dass der richtige Adressat in der Berufungsschrift eingesetzt worden sei.
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde dem Beklagten nicht gewährt, die Berufung wurde gem. § 522 Abs. 1 ZPO verworfen, weil sie nicht rechtzeitig vor Ablauf der Berufungsfrist eingelegt worden war.
Sachverhalt
siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Das OLG vertrat die Auffassung, die verspätete Berufungseinlegung beruhe auf einem Verschulden seines Prozessbevollmächtigten, dass sich der Beklagte zurechnen lassen müsse (§§ 233, 85 Abs. 2 ZPO).
Der Rechtsanwalt dürfe sich von rein büromäßigen Aufgaben freihalten und diese sorgfältig geschulten und allgemein überwachten Angestellten überlassen, um seinen eigentlichen Aufgaben als Organ der Rechtspflege gerecht werden zu können.
Jedoch träfen ihn neben der allgemeinen Pflicht zu einer Büroorganisation, die der Gefahr der Versäumung von Fristen wirksam begegnen solle, im Einzelfall besondere Überwachungspflichten. Solche beständen bei der Einlegung eines Rechtsmittels. Nach der gefestigten Rechtsprechung des BGH gehöre die Anfertigung einer Rechtsmittelschrift zu den Aufgaben, die der Rechtsanwalt seinem Büropersonal - möge dieses auch noch so gut geschult und überwacht sein - nicht übertrage dürfe, ohne das Arbeitsergebnis selbst sorgfältig zu überprüfen. Insbesondere müsse er prüfen, ob die Rechtsmittelschrift vollständig sei, alle notwendigen Angaben richtig enthalte und an das richtige Gericht adressiert sei (BGH v. 8.7.1981 - IVb ZB 625/81, VersR 1981, 1126; v. 29.4.1982 - I ZB 2/82, VersR 1982, 769; v. 12.11.1986 - IVb ZB 127/86, VersR 1987, 486; v. 7.10.1987 - IVb ZB 99/87, VersR 1988, 251; v. 10.1.1990 - XII ZB 141/89, BRAK 1990, 114 =CR 1990, 403 = CR 1990, 402 = NJW 1990, 990; v. 2.5.1990 - XII ZB 17/90, MDR 1991, 53 = NJW-RR 1990, 1149; v. 11.1.2001 - III ZR 113/00, MDR 2001, 529 = BGHReport 2001, 260). Die Verpflichtung zur sorgfältigen Überprüfung des Arbeitsergebnisses gelte auch dann, wenn der Rechtsanwalt Fertigung und Kontrolle der Rechtsmittelschrift seinem Bürovorsteher übertrage, der früher selbst Rechtsanwalt und bei einem OLG zugelassen gewesen sei. Auch dann müsse der Unterzeichnung durch den Prozessbevollmächtigten stets eine eigene anwaltliche Überprüfung auf Vollständigkeit und richtige Adressierung vorausgehen, da der Prozessbevollmächtigte die persönliche Verantwortung dafür trage, dass eine Rechtsmittelschrift bei dem richtigen Gericht eingehe (BGH v. 10.1.1990 - XII ZB 141/89, BRAK 1990, 114 = CR 1990, 403 = CR 1990, 402 = NJW 1990, 990; v. 12.11.1986 - IVb ZB 127/86, VersR 1987, 486).
Link zur Entscheidung
OLG Rostock, Beschluss vom 08.08.2006, 11 UF 73/06